Experten klären aufIst Sex in der Schwangerschaft schädlich fürs Kind?

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Sex während der Schwangerschaft ist für viele Paare ein schwieriges Thema. Verzichten müssen sie normalerweise aber nicht.

Sex während der Schwangerschaft ist für viele Paare ein schwieriges Thema. Verzichten müssen sie normalerweise aber nicht.

Eine anstehende Geburt ist für jedes Paar etwas ganz Besonderes. Doch eine Schwangerschaft stellt häufig auch das Liebesleben der werdenden Eltern völlig auf den Kopf. Vor allem Männer machen sich Sorgen, die aus Sicht von Experten oft völlig unbegründet sind.

Zärtlichkeiten und kleine Gesten

„Schwanger sein ist keine Krankheit“, sagt die Münchner Paar- und Sexualtherapeutin Gabriele Aigner. Behutsamer Sex sei vollkommen in Ordnung. „Beide sprechen miteinander, was sich gut anfühlt, und worauf sie Lust haben.“

Erschwerend hinzu kommt aber, dass viele Frauen in den ersten Wochen oft besonders lustlos sind. Das hat mit der Übelkeit und Müdigkeit der Anfangsmonate zu tun.

Ist diese Phase erst einmal vorüber, kann Sex für die werdenden Mütter ein besonders intensives Erlebnis sein: Ihr Beckenbereich werde nämlich besser durchblutet und sei damit empfindsamer, sagt Lea Beckmann vom Deutschen Hebammenverband. „Manche Frauen fühlen sich schwanger sehr schön“, ergänzt sie.

Andere Schwangere fühlen sich dagegen so gar nicht attraktiv. „Männer sollten dann mit Zärtlichkeiten und kleinen Gesten körperliche Nähe herstellen und ihrer Partnerin zeigen, dass sie sie auch mit Babybauch attraktiv finden.“

Vorsicht bei diesen Anzeichen

Manchmal sprechen medizinische Gründe jedoch gegen körperliche Liebe. „Bei Blutungen empfiehlt es sich, auf Sex zu verzichten“, warnt Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF). Generelle Vorsicht gilt bei Mehrlingsschwangerschaften, Scheideninfektionen und Neigung zu frühzeitigen Wehen.

Auch wenn die Frau in früheren Schwangerschaften Fehlgeburten erlitten hat, sollten Paare es vorsichtig angehen. „Bei diesen Indikationen sollte man ohne Rücksprache mit dem Frauenarzt keinen Sex haben“, rät Albring.

Kommt es dagegen nach dem Geschlechtsverkehr zu Blutungen, muss das nicht schlimm sein. Das können Kontaktblutungen sein, weil der stärker durchblutete Muttermund sehr empfindlich auf Berührungen reagiert. Albring empfiehlt aber, erstmals auftretende Blutungen immer abklären zu lassen. „Der Frauenarzt untersucht das, und kann die Ursache benennen. Das beruhigt beide Partner.“ Nachts oder am Wochenende sollte man sich nicht scheuen, im Zweifel zur Abklärung ins Krankenhaus zu fahren.

Ein Orgasmus kann Wehen auslösen

Wenn das Baby einfach nicht auf die Welt will, ist Sex übrigens ein natürlicher Tipp zur Geburtseinleitung. „Im Sperma steckt das Hormon Prostaglandin, das Wehen auslösen kann. Auch Orgasmen sind potentielle Wehenauslöser“, weiß Beckmann. Mit der Geburt des Kindes wird das Leben der Eltern meist komplett auf den Kopf gestellt. Bisherige Rollen und Gewohnheiten in der Beziehung sind oft hinfällig. Das gilt auch fürs Sexleben. Beide Partner brauchen Zeit, sich in der neuen Rolle als Mutter oder Vater zurechtzufinden. Dazu kommen mitunter Geburtsverletzungen wie ein Dammriss oder ein Kaiserschnitt, die erst verheilen müssen, ehe an Sex zu denken ist.

„Die Mutter ist mit sich und dem Kind beschäftigt, sodass sie weniger unter Sexmangel leidet als der Vater“, erklärt Aigner. „Mütter schütten Bindungshormone nach der Geburt aus und erleben durch das Stillen körperliche Nähe.“ Dazu kommen viele neue Aufgaben – und natürlich der obligatorische Schlafmangel. Männer sollten in der Phase Geduld haben, fürsorglich sein und nicht fordernd auftreten, rät die Therapeutin. „Diese Zeit der Umstellung ist notwendig und geht vorbei.“

Männer sollten über ihre Ängste sprechen

Aber auch wenn beide wieder für Intimität bereit sind: Dass sich die Sexualität mit dem Elternsein verändert, ist normal. „Viele Männer haben Bedenken, dort einzudringen, wo Wochen zuvor ihr Kind herausgekommen ist“, sagt Aigner. Diese Sorgen sollten offen angesprochen werden. Signalisiert die Partnerin, dass sie sich wirklich bereit fühlt, verfliegen die ersten Ängste meist von selbst. „Männer sollten behutsam sein, und Frauen sollten klar sagen, was sich gut anfühlt und was weh tut“, so Aigner.

Frauen klagen in den Wochen nach der Geburt oft über Schmerzen an Damm, Scheide oder Unterbauch und empfinden das Eindringen des Mannes deshalb als unangenehm. Deshalb Aigners Tipp: „Paare können in der Zeit neue Wege suchen, die beiden gut tun“, findet Beckmann und fügt an: „Schließlich geht Befriedigung nicht nur penetrierend.“ Frisch gebackene Eltern sollten sich nicht verrückt machen, wenn mit dem Kind die Sexualität erstmal hintenansteht.

(dpa, jto)

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