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Kölner Wegovy-PatientinEin Jahr Abnehmspritze – ein Erfahrungsbericht

6 min
Die Abnehmspritzen werden wöchentlich von den Patienten selbst injiziert.

Die Abnehmspritzen werden wöchentlich von den Patienten selbst injiziert.

Sogenannte Abnehmspritzen sollen Übergewichtigen dabei helfen, Gewicht zu verlieren. Jana W. hat sich von einem Kölner Arzt das Präparat Wegovy verschreiben lassen. Hier schildert sie ihre Erfahrungen.

Ich nehme jetzt seit einem Jahr die Abnehmspritze Wegovy und habe rund zehn Kilo abgenommen. Im August 2024 zeigte meine Waage 115 Kilo an. Sämtliche Abnehm-Versuche in den vergangenen Jahren waren gescheitert. Manchmal gelang es mir zwar, zwei oder drei Kilo abzuspecken, doch dann ging das Gewicht immer wieder hoch. Schlimmer noch: Im Laufe der Jahre nahm ich immer mehr zu. Obwohl mein Leidensdruck hoch war, habe ich lange damit gewartet, meinen Hausarzt nach der Abnehmspritze zu fragen. Denn als das erste Medikament namens Ozempic auf den Markt kam, gab es aufgrund der großen Nachfrage Engpässe für Diabetes-Kranke, die sie natürlich deutlich dringender brauchten als ich.

Die Abnehmspritzen werden einmal pro Woche gespritzt.

Die Abnehmspritzen werden einmal pro Woche gespritzt.

Erst als ich vor etwas mehr als einem Jahr dann in Zeitungs-Artikeln las, dass es mittlerweile genügend Abnehmspritzen auf dem Markt gibt, so dass Diabetiker keine Engpässe mehr fürchten müssen, fasste ich Mut und fragte meinen Hausarzt, ob er mir die Spritze verschreiben würde. Doch der war offensichtlich nicht dazu bereit, sondern fragte mich: „Haben Sie es schon mal mit Selbst-Disziplin versucht?“ Seine Antwort machte mich in dem Moment absolut sprachlos – auf dem Weg nach Hause musste ich weinen. Vor Wut – und weil ich mich gedemütigt fühlte.

Ich habe schon viele Bücher zum Thema Adipositas gelesen: Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Übergewicht besagen eindeutig, dass der Vorwurf mangelnder Selbstdisziplin weder zutreffend noch hilfreich ist für Betroffene. Mein Hausarzt war also ganz offenkundig nicht auf dem neuesten Stand. Ich suchte einen Arzt in Köln, der als Adipositas-Experte gilt und der mir die Spritze verschrieb – allerdings erst, nachdem er mich gründlich untersucht und nach weiteren gesundheitlichen Problemen gefragt hatte. Mein Body Mass Index von 35 stand dem Rezept schon einmal nicht im Wege: Ab einem BMI von 30 darf die Spritze meines Wissens verschrieben werden, muss dann allerdings selbst bezahlt werden.

Mittlerweile sind viele unterschiedliche Medikamente auf dem Markt.

Mittlerweile sind viele unterschiedliche Medikamente auf dem Markt.

Dazu hatte ich noch einen schmerzenden Fersensporn am linken Fuß sowie Wasser in den Beinen, sobald es heiß wurde. Beides war sehr unangenehm und ziemlich eindeutig auf mein Übergewicht zurückzuführen. Ich habe die Spritze von Anfang an sehr gut vertragen und keine Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Erbrechen gehabt, worüber ich sehr froh bin. Das liegt sicherlich auch daran, dass ich den Wirkstoff anfangs sehr niedrig dosiert habe und bis heute nur schrittweise und nicht bis zum Maximum erhöht habe. Denn mir ist es wichtig, langsam abzunehmen. Zehn Kilo in drei Monaten abzunehmen, ist für mich nicht nachhaltig. Außerdem will ich meinen Lebensstil parallel dazu ändern, damit ich irgendwann vielleicht auch ohne die Spritze auskomme. Ich finde es äußerst angenehm, dass meine Gedanken nicht mehr so viel um Essen kreisen.

Früher habe ich sehr oft darüber nachdenken müssen, was ich jetzt gerne essen würde, aber nicht darf. Und wann ich endlich wieder etwas essen kann. Diese Gedanken sind jetzt weg – was mir ein befreiendes Gefühl gibt: Mein vermeintlich disziplinloses Ich, für das ich mir früher oft selbst Vorwürfe gemacht habe, das war gar nicht ich. Es waren biologische Prozesse in meinem Körper und meinem Gehirn, die in einen Teufelskreis geraten waren und ständig Belohnungen haben wollten. Das ist mir erst durch die Spritze richtig bewusst geworden. Was sich ebenfalls deutlich geändert hat: Früher zog es mich vor allem bei großem Stress auf der Arbeit unweigerlich in Richtung Schokolade.

Diesen Jieper auf Süßes verspüre ich kaum noch. Trotzdem ist mir bewusst, dass ich eigentlich daran arbeiten müsste, nicht mehr so viel Stress zu haben, Yoga zu machen, bewusste Pausen einzulegen, Spaziergänge zwischendurch. Denn sonst wird das alles wieder von vorne losgehen, sobald ich die Spritze absetze. Die Änderung meiner schlechten Gewohnheiten geht mit Spritze aber definitiv einfacher als ohne. Was ich bislang einigermaßen konsequent umgesetzt habe: Wenn ich esse, mache ich das nicht mehr vor dem Computer oder vor dem Fernseher. Das mit dem Sport morgens gelingt mir ebenfalls besser, seitdem ich leichter bin. Aber so oft, wie ich es eigentlich will, schaffe ich es nicht – zumal ich schon das Gefühl habe, müder zu sein, seitdem ich die Spritze nehme.

Ob die Müdigkeit wirklich auf Wegogy zurückzuführen ist (als häufige Nebenwirkung wird es zumindest angegeben), ist natürlich nicht ganz leicht rauszufinden. Müdigkeit kann ja immer auch an anderen Faktoren liegen – jünger wird man schließlich nicht durch die Spritze. Ich will und muss auf jeden Fall daran arbeiten, noch mehr Sport und vor allem Muskeltraining zu betreiben – denn ich will ja Fett verlieren und nicht vor allem Muskeln. Mein Selbstwertgefühl ist mit den verlorenen zehn Kilo deutlich besser geworden. Ich passe wieder in Kleidung, die mir vorher zu eng war. Mein schmerzender Fersensporn ist verschwunden – und auch das Problem mit dem Wasser in den Beinen war in diesem Sommer bei hohen Temperaturen deutlich kleiner.

180 Euro pro Monat

Weitere positive Begleiterscheinungen der Spritze: Ich rauche deutlich weniger – früher habe ich nach einem Glas Wein immer auch mal zur Zigarettenschachtel gegriffen. Zigaretten schmecken mir heute gar nicht mehr. Ich trinke durch die Spritze aber auch weniger Alkohol. Früher kam ich abends manchmal gestresst von der Arbeit nach Hause und habe mich nach einem Glas Weißwein gesehnt. Nicht gerade die gesunde Art, Stress abzubauen, schon klar. Auch dieses Verlangen habe ich mittlerweile deutlich seltener, kann es aber trotzdem noch genießen, wenn ich mal ein Glas Wein trinke.

Die Kosten für die Spritzen trage ich gerne für das, was sie mir aktuell an Nutzen bringt. In den USA sind sie deutlich teurer als in Deutschland. Wenn ich dort leben würde, könnte ich sie mir nicht leisten. 180 Euro im Monat pro Spritze ist nicht wenig, aber ich spare natürlich auch Geld dadurch, dass ich weniger Essen kaufe. Ich habe außerdem herausgefunden, dass die höher dosierten Spritzen bis zu einer gewissen Stufe genau so viel kosten.

Darum habe ich mir angewöhnt, eine höher dosierte Spritze zu kaufen und sie dann über zwei bis drei Monate zu strecken. Mein Arzt hat mir das erlaubt und sogar empfohlen, um Geld zu sparen. So habe ich aktuell Zusatzkosten von nur 70 bis 90 Euro im Monat. Ich weiß aber natürlich, dass dieser Betrag für viele Menschen nicht bezahlbar wäre. Ich bin in einer privilegierten Situation, dass ich mir die Spritze finanziell leisten kann. Ich will Wegovy keinesfalls glorifizieren. Ich habe sicher auch Glück, dass ich das Medikament so gut vertrage. Ich mache mir manchmal Gedanken darüber, ob nicht doch irgendwann herauskommt, dass es bislang unbekannte schwere, langfristige Nebenwirkungen gibt. Ich habe auch Sorge davor, was passiert, wenn ich die Spritze wieder absetze – ob ich dann einfach sofort wieder alles zunehme.

Ich würde gerne insgesamt 25 Kilo abnehmen, einen BMI von unter 30 bekommen – und die Spritze dann Schritt für Schritt absetzen. Bis dahin muss ich möglichst gute Strategien gefunden haben, auch ohne die Spritze klarzukommen. Ich habe schon eine gewisse Angst davor, die Spritze mein Leben lang nehmen zu müssen. Sie phasenweise wieder einzusetzen, wäre für mich okay, aber bitte nicht dauerhaft. Immerhin werde ich beim Absetzen der Spritze eine bessere Ausgangslage haben, mein Gewicht zu halten. Für meine Gesundheit und mein Wohlbefinden ist das niedrigere Gewicht derzeit aber definitiv ein Erfolg.

Aufgezeichnet von Sarah Brasack