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Neurologin erklärtWie verläuft die Reha eines Koma-Patienten?

Lesezeit 3 Minuten

Ein Rollstuhl in einer Reha-Klinik (Symbolbild).

Was steht einem Schädel-Hirn-Trauma-Patienten, der aus dem Koma aufwacht, noch bevor? Wie sieht seine Rehabilitation in der Regel aus? Eine Ärztin gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Dr. Andrea von Helden ist Chefärztin am Vivantes Klinikum Spandau in Berlin. Die Neurologin kümmert sich insbesondere um die frühe Phase der Rehabilitation von Schädel-Hirn-Trauma-Patienten. Sie war außerdem fünf Jahre in der Neurochirurgie tätig und hat an der Berliner Charité zum Thema „Schädel-Hirn-Trauma“ geforscht.

Wie verläuft die Aufwach-Phase eines Schädel-Hirn-Trauma-Patienten, der im künstlichen Koma liegt, in der Regel?

Leider ist es nicht so – wie es oft in Filmen dargestellt wird – dass der Patient die Augen öffnet und alles wieder gut ist.

Es handelt es sich um einen langen Prozess, der aus mehreren Phasen besteht. Zudem können diese Phasen von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ablaufen. Dabei greifen das Aufwachen und das Aufwecken ineinander. Nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma ist das Gehirn geschwollen. Der Patient befindet sich ohnehin im Koma. Die Ärzte vertiefen dieses Koma künstlich, um das Gehirn zu schützen. Sie senken den Gehirnstoffwechsel und verhindern so, dass weitere Gehirnzellen beschädigt werden.

Wenn die  Hirnschwellung abgeklungen ist, ist die hyperakute lebensbedrohliche Phase vorbei und man kann nach und nach versuchen, das künstliche Koma zu beenden und die Narkose-Medikamente zu reduzieren. Bis es dazu kommt, kann es aber einige Wochen dauern. 

Woran erkennt man, dass ein Mensch aufwacht?

Mit dem Begriff „Aufwachen“ ist gemeint, dass der Patient wieder Kontakt zu seiner Umwelt aufnimmt. Dies ist ein wichtiger Meilenstein.  Er öffnet nicht nur die Augen, sondern er fokussiert Mitmenschen oder er dreht den Kopf, wenn jemand den Raum betritt.  Erst wenn der Patient wieder mit den Augen „fixiert“, wie dieses Phänomen genannt wird oder Aufforderungen befolgt, spricht man vom „Aufwachen“. Wenn er dieses Stadium nicht erreicht, bleibt er im sogenannten Wachkoma.

Welche weiteren Hürden muss der Patient nehmen?

Er muss lernen, wieder selbst zu atmen, zu schlucken und sich zu bewegen. Das ist ein beschwerlicher Prozess, der  mithilfe eines großen Teams angegangen wird.

Neben den Neurologen und Neurochirurgen kümmern sich Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden,  Neuropsychologen und speziell ausgebildete Pflegekräfte um den Patienten. Physiotherapeuten beginnen etwa, so früh es geht, damit, die Gelenke des Patienten zu bewegen, damit diese nicht steif werden. Der Patient wird sensorischen und motorischen Reizen ausgesetzt, damit er wieder Wärme und Kälte spürt oder fühlt, wo sich seine Arme und Beine befinden. Wenn solche Reize im Gehirn ankommen, können Gehirnzellen, die noch funktionsfähig sind, verloren gegangene Funktionen erlernen und teilweise übernehmen.

Diese Phase der Rehabilitation kann durchaus mehrere Monate, manchmal auch Jahre, dauern. Innerhalb der ersten sechs bis acht Wochen ist der Lerneffekt oft groß, danach geht es meist etwas langsamer. Und der Zustand von Schädel-Hirn-Trauma-Patienten wird ein Leben lang ein bisschen besser. Das Gute ist, dass das Gehirn ein Leben lang  lernen kann. Entscheidend ist auch, dass man vertraute Personen um sich hat, die sich über jede Verbesserung freuen und einen anfeuern.

Kann ein Schädel-Hirn-Trauma-Patient die Sprache zurückerlangen?

Das hängt davon ab, ob das Sprachzentrum betroffen ist, das sich bei Rechtshändern normalerweise in der linken Gehirnhälfte und bei Linkshändern in der rechten Gehirnhälfte befindet. Wenn das Sprachzentrum vollkommen beschädigt ist, verbessert sich bei vielen Patienten dafür die nonverbale Kommunikation enorm, indem sie sich über die Gestik und die Mimik verständigen.

Kann man nach einem Schädel-Hirn-Trauma wieder vollständig genesen?

Dass der Mensch genau derselbe ist wie vorher, ist eher unwahrscheinlich. Aber insbesondere junge Menschen, die noch schneller lernen, oder auch Sportler, die ihr Leben lang trainiert und immer wieder neu dazu gelernt haben, haben sehr gute Chancen für eine Rehabilitation.