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OperationenWie man der Narkose-Angst begegnet

Lesezeit 4 Minuten

Das Gefühl, den Ärzten ausgeliefert zu sein, macht vielen Patienten Angst.

Bei kleinen Eingriffen, zum Beispiel einer Operation am Finger, reicht meist eine örtliche Betäubung. So könne man gut den Nerven blockieren, der das betroffene Gebiet versorgt, erläutert Prof. Claudia Spies vom Centrum für Anästhesiologie, OP-Management und Intensivmedizin an der Charité in Berlin. Eine solche Betäubung macht üblicherweise der Operateur selbst und nicht ein Narkosearzt.

Wirkung tritt innerhalb weniger Minuten ein

Anders sieht es aus, wenn ein größerer Körperbereich betroffen ist, zum Beispiel ein Arm, ein Bein oder der Unterbauch. Dann kommt ein Anästhesist zum Einsatz. Er suche zum Beispiel durch Ultraschall die Nerven auf, die das Körperteil versorgen, und betäube diese, sagt Spies. Der Fachmann nennt das regionale Anästhesie. Bis die Medikamente wirken, dauert es bis zu 45 Minuten.

Wird weit oben am Körper operiert, ist die Lunge oder der ganze Körper betroffen, führe kein Weg an einer Vollnarkose vorbei, erklärt Spies. Der Anästhesist spritzt die Medikamente entweder in die Vene ein oder sie werden der Atemluft beigemischt. Die Wirkung der Vollnarkose tritt innerhalb weniger Minuten ein: Der Patient empfindet keine Schmerzen mehr und verliert das Bewusstsein. Die Muskulatur ist völlig entspannt.

Ängsten bereits im Vorfeld begegnen

Zwar haben Narkosen für viele Patienten dank verbesserter medizinischer Möglichkeiten viel von ihrem einstigen Schrecken verloren. Dennoch gibt es Dinge, die Sorgen machen können. „Für viele Patienten ist das Gefühl, hilflos ausgeliefert zu sein, beängstigend“, erläutert Spies. „Darüber hinaus kommen immer wieder Fragen wie 'Kann es passieren, dass ich nicht mehr aufwache?' oder 'Kann die Narkose Folgeschäden nach sich ziehen?'“

Diesen Ängsten sollten Patienten bereits im Vorfeld begegnen. „Wissen gibt Sicherheit. Wesentlich ist dabei ein ausführliches Vorbereitungsgespräch mit dem Anästhesisten“, empfiehlt Heidrun Holstein von der Unabhängigen Patientenberatung in Karlsruhe. In diesem Gespräch müssen alle Sorgen thematisiert und Fragen besprochen werden wie: Wer ist bei der Operation anwesend? Wer betreut mich? Wie verläuft der Aufwachvorgang?

Verhaltensregeln vor der Narkose

Je mehr der Anästhesist in diesem Gespräch von seinem Patienten erfährt, umso besser kann er auf diesen eingehen. Das gilt in emotionaler Hinsicht, aber auch in fachlich-medizinischer, vor allem in Bezug auf die individuelle Dosierung der Medikamente. Sie ist der Schlüssel zu einer sicheren Betäubung und hängt von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Gewicht und Fitness ab. „Der Arzt ist hier sehr auf die wahrheitsgemäßen, exakten Angaben des Patienten angewiesen“, erläutert Holstein. „Er sollte über Vorerkrankungen, über regelmäßig eingenommene Medikamente, aber auch über frühere Narkoseerfahrungen Bescheid wissen.“ Im Vorgespräch erfährt der Patient auch, wie er sich körperlich auf die Narkose vorbereiten kann. Dazu gehören beispielsweise Verhaltensregeln, die das Essen, Trinken und Rauchen in den Stunden vor der OP betreffen.

Am Tag des Eingriffs kann die Anwesenheit eines vertrauten Menschen beruhigend wirken. „Bei Regionalanästhesien wie bei Kaiserschnitten ist dies durchaus möglich und auch üblich“, erläutert Goetz Geldner, Präsident des Berufsverbandes der Anästhesisten (BDA) in Nürnberg. Bei Vollnarkosen hingegen dürfen Angehörige nicht dabei sein. „Ihre körperliche Anwesenheit kann jedoch nach der Aufwachphase, zwei bis vier Stunden nach dem Eingriff und danach, sehr hilfreich sein. Sie können ruhig auf den Patienten eingehen und ihm Kraft geben“, ergänzt Spies.

Bewusstseinsstörung früh erkennen

Dass Angehörige und Freunde mitwirken, ist besonders bei Patienten wichtig, die zu der Risikogruppe von Menschen mit einer sogenannten postoperativen kognitiven Dysfunktion, also einer Bewusstseinsstörung nach der Operation, gehören. „Dieses Risiko ist bei älteren Patienten mit Herz- oder Gefäßoperationen oder auch lange dauernden Eingriffen besonders hoch“, erklärt Geldner. „Solche Beeinträchtigungen treten bei etwa jedem vierten Risikopatienten auf, und zwar am häufigsten am dritten bis siebten Tag nach der Operation.“

Angehörige können einen wertvollen Beitrag leisten, die Bewusstseinsstörung so früh wie möglich zu erkennen. „Sie kann dann durch Medikamente wieder ins Gleichgewicht gebracht werden“, sagt Spies. „Begleitend ist jedoch wichtig, dem Patienten die Orientierung zu erleichtern.“ Gespräche mit vertrauten Menschen, Musik, eine Uhr, aber auch das gewohnte, häusliche Umfeld können dabei helfen. Nach vier Wochen, so die Einschätzung des Verbandspräsidenten, klagen mehr als 90 Prozent der Patienten nicht mehr über die Folgebeschwerden. (dpa)