OrganspendeSechs Fakten zum Stammzellen-Transport

Eine Organtransportbox der Deutschen Stiftung Organtransplantation
Copyright: dpa Lizenz
Der Fall ist einzigartig in der deutschen Medizingeschichte: Diebe stehlen in einem ICE in Siegburg einen Koffer. Darin: eine Stammzellspende, die ein leukämiekranker Patient in Straßburg zum Überleben braucht. Die Bundespolizei ermittelt, einen Tag später wird der schwarze Behälter vom Reinigungspersonal eines IC in Emden gefunden – und schnell in eine Straßburger Klinik verbracht. „Dort prüfen jetzt Mediziner, ob das Transplantat noch zu verwenden ist“, erklärt Guido Ening, Pressesprecher der Deutschen Knochenmarkspender-Datei (DKMS), die an der Spende beteiligt war. Ein Vorgang, der Fragen aufwirft.
Wofür werden die Stammzellen gebraucht?
Gespendete Stammzellen oder Knochenmark sind für viele Patienten mit Leukämie (Blutkrebs) die letzte Chance, um zu überleben. Denn Stammzellen produzieren im Körper das Blut – und diese Produktion wird von ihren erkrankten Stammzellen behindert. Weltweit kümmern sich Spenderdateien darum, für Patienten geeignete Transplantate zu bekommen, allein in Deutschland gibt es 28 dieser Dateien. Allerdings müssen die Blutmerkmale von Spender und Empfänger in vielen Merkmalen übereinstimmen, sonst würden die fremden Zellen abgestoßen. Oft ist die Suche nach einem Spender deshalb „wie die nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Guido Ening von der weltgrößten Spenderdatei DKMS.
Wo werden Stammzellen/Knochenmark für eine Spende normalerweise entnommen?
Es gibt Entnahmezentren in ganz Deutschland. Die sind meist an den Unikliniken angesiedelt und arbeiten mit speziellen Spenderdateien zusammen. Die DKMS etwa lässt Stammzellen und Knochenmark in Köln von Cellex in der Mediapark-Klinik entnehmen.
Warum befinden sich Spender und Patient nicht in derselben Klinik?
„Der Datenschutz verlangt, dass die beiden nicht in derselben Klinik liegen“, erklärt Andrea Djifroudi von der Stefan-Morsch-Stiftung, nach der DKMS die größte Spenderdatei in Deutschland. Auch nach der Transplantation bleiben Patient und Spender anonym. In Deutschland ist ein Treffen auf Wunsch erst nach zwei Jahren möglich, in Staaten wie Finnland oder der Schweiz ist dürfen auch dann keine Daten ausgetauscht werden.
Wie werden Stammzellen dann vom Spender zum Empfänger transportiert?
Oft werden Stammzellspenden über Ländergrenzen und Kontinente hinweg zum Empfänger gebracht. Egal, wohin es geht: Der Transport darf höchstens 72 Stunden dauern. Länger ist das Transplantat nicht nutzbar. „Es gibt ein vorgeschriebenes Verfahren, das den Transport regelt“, erklärt Andrea Djifroudi. So muss das hochsensible Gut in einer Kühlbox bei 3 bis 6 Grad Celsius gelagert werden – oft sehen die Transportboxen wie Alukoffer aus. Die Kuriere müssen zudem speziell ausgebildet sein. Und es ist vorgeschrieben, dass sie ständig Körperkontakt zu der Transportbox haben müssen.
Was passiert, wenn ein Kurier einen Unfall hat und eine Spende nicht rechtzeitig ankommt?
„Das ist für den Patienten lebensbedrohlich“, sagt Andrea Djifroudi. Schon Tage vor der Stammzelltransplantation wird der Patient auf die Operation vorbereitet, sein erkranktes Knochenmark durch Bestrahlung reduziert. „In dieser Zeit wird das Immunsystem des Patienten stark geschwächt, manchmal sogar auf Null gefahren“, erklärt Guido Ening. In den Stunden vor der Transplantation hat der Patient kein funktionierendes Immunsystem mehr. Kommen in dieser Situation keine rettenden Stammzellen, besteht eine reale Todesgefahr.
Was tun die Spenderdateien, um solche Situationen zu vermeiden?
„Zum einen erklären wir unseren Spendern, wie wichtig es ist, dass sie in den Tagen vor der Spende nicht krank werden und damit ausfallen“, sagt Andrea Djifroudi. Die meisten verstünden sofort, worum es geht – und verzichteten in der kritischen Phase auf Dinge wie Motorradfahren. „Es ist ganz selten, dass ein Spender ausfällt“, sagt die Sprecherin der Morsch-Stiftung. „Wenn möglich, versuchen wir natürlich, Ersatz-Spender bereitzuhalten“, ergänzt DKMS-Sprecher Ening. Manchmal ist das tatsächlich möglich – so auch im Fall der gestohlenen Stammzellen. „Wir haben ihn schon kontaktiert“, sagt Ening. „Der Mann würde sofort alles stehen und liegen lassen, wenn das Präparat nicht mehr nutzbar ist.“ Für den Patienten in Straßburg ist es die letzte Hoffnung.
Wer Stammzellspender werden möchte, kann sich etwa hier schnell und einfach typisieren lassen: