Viele sterben auf der WartelisteWer in Deutschland eine Organspende braucht, lebt im falschen Land

Lesezeit 3 Minuten
Eine Person hält einen Organspendeausweis in der Hand

Vorbereitet für den Ernstfall:Der Organspendeausweis verschafft Ärzten und Angehörigen Klarheit.

73 Prozent der Deutschen wären bereit, Organe zu spenden. Dokumentiert haben es nur 15 Prozent. Ein Bündnis will das System nun verändern

Fast 8500 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan – die meisten warten auf eine Niere. Dem standen im vorletzten Jahr aber nur 869 Organspender gegenüber. Viele sterben auf der Warteliste. Pro Million Einwohner gibt es hier 10,3 Organspender pro Jahr. In Spanien etwa sind es 46!

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“.

mehr

Dabei wären nach einer Umfrage 73 Prozent der Deutschen bereit, Organe zu spenden. Aber nur 15 Prozent dokumentieren das irgendwie, etwa mit einem Organspendeausweis im Portemonnaie. Ein Trauerspiel. Könnte, müsste die Regierung nicht viel mehr tun, um die willigen Spender anzusprechen?

Organspende: Bündnis will das System verbessern

Nun gibt es eine interessante Initiative: Das Bündnis ProTransplant will eine Verfassungsbeschwerde einreichen und die Bundesregierung zwingen, mehr zu tun. Es geht dabei nicht um die sogenannte Widerspruchslösung: Bei der gelten alle Menschen automatisch als mögliche Organspender, wenn sie dem nicht ausdrücklich widersprechen. Das würde das Problem natürlich lösen – die Gleichgültigen würden zu potenziellen Spendern.

Bei der Klage geht es darum, dass Strukturen des Systems verbessert werden, vor allem in den Krankenhäusern: Etwas, das die Regierung leisten könnte, wenn sie wollte.

„Im falschen Land geboren“

Beschwerdeführer sind zwei Betroffene, deren Schicksal das Dilemma der langen Wartezeiten drastisch spiegelt: Ulrike F. wartet seit sechs Jahren auf eine Spenderniere, ihre zweite. Auf ihre erste hatte sie neun Jahre warten müssen. Sie wolle, sagt sie, einfach ein normales Leben führen können. Und das wäre nach einer unproblematischen Operation auch möglich – wenn es denn eine Spenderniere gäbe. Leider sei sie, wie sie sagt, „im falschen Land geboren“.

Der zweite Beschwerdeführer, Andreas G., lebt seit über fünf Jahren mit einem Kunstherz in der Brust. Akkus und Controller muss er ständig mit sich herumtragen. Ein Kabel führt durch den Bauch zum Herzen. Die Öffnung in der Bauchdecke ist ein ständiges Risiko, weil Bakterien oder Viren dort eindringen könnten. G. wartet auf ein Herz. Ob er noch lebt, wenn der Anruf kommt, ist zumindest fraglich.

Die Beschwerde beruft sich, wie die Ärztezeitung schreibt, auf das Grundrecht auf Leben und Gesundheit, geschrieben im Grundgesetz. Sollten sie gewinnen, dürften die Verfahren zumindest ein bisschen besser werden. Noch effektiver wäre natürlich die oben beschriebene Widerspruchslösung, die im Deutschen Bundestag im Herbst dieses Jahres diskutiert werden wird. Eine Regelung, die es übrigens in einigen europäischen Ländern gibt.

Organspendeausweis: ganz einfach und jederzeit korrigierbar

Bis eine dieser Initiativen entschieden wird, gibt es allerdings eine ganz einfache und jederzeit korrigierbare Option: den Organspendeausweis (oder auch ein Online-Register, aber das ist kompliziert). Auf Papier können Sie Ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Organspende handschriftlich bekunden. Und den Ausweis mit sich führen.

Im Ernstfall müssen ihre Angehörigen in der schrecklichen Situation diese Entscheidung nicht fällen (denn das haben Sie selbst schon getan). Und Sie können den Ausweis jederzeit vernichten. Ich habe meinen übrigens immer dabei.

Nachtmodus
KStA abonnieren