Kölner Schlafmediziner„Heftiges Schnarchen gilt immer noch als Kavaliersdelikt“

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Mann liegt im Bett und schnarcht mit offenem Mund.

Wenn Ohrstöpsel gegen das Schnarchen des Partners nicht mehr helfen, sollte man diesen zum Arzt schicken.

Der Schlafmediziner Michael Feld im Interview über harmlose bis krankhafte Schlafstörungen, Schnarchen und Therapiemöglichkeiten.

Statistisch betrachtet schlafen wir immer schlechter. Woran liegt das?

Das hat sehr viele Ursachen, körperliche wie psychische. Seitdem sich die Krisen häufen, hat die Anzahl und Heftigkeit von Ein- und Durchschlafstörungen definitiv zugenommen. 

Ab wann sind Schlafstörungen krankhaft?

Schlafstörungen kann jeder mal haben, wenn er etwa eine belastende Lebensphase hat oder Tod, Trennung, Trauer oder Stress verwinden muss. Alles, was nach 4 bis 6 Wochen nicht weggeht und was immer schlimmer wird, ist behandlungsbedürftig.

Welche Schlafstörungen sind am häufigsten?

Es gibt zwei große Gruppen. Das eine sind die Insomnien, also Ein- und Durchschlafstörungen. Die zweite große Gruppe sind die körperlichen Schlafstörungen. Heftiges Schnarchen gilt ja immer noch als Kavaliersdelikt. Wenn sie nur ab und zu mal schnarchen, wenn sie zu viel getrunken haben oder sie erkältet sind, stimmt das auch. Aber sobald eine bestimmte Lautstärke, Dauer und Heftigkeit überschritten wird, sollte man zum Arzt. Übrigens schnarchen wir schon deshalb immer mehr, weil wir immer älter werden. Und dann gibt es neurologische Erkrankungen, die sich durch Schlafstörungen als erstes bemerkbar machen. Normalerweise sind unsere Muskeln im Schlaf erschlafft. Wenn sich jemand nachts plötzlich heftig bewegt, kann das ein Vorbote für bestimmte Krankheiten sein.

Es gibt 80 bis hundert verschiedene Schlafstörungen. Klingt nach viel.

Davon sind die meisten selten. Der Alltag des Schlafmediziners sind die Ein- oder Durchschlafstörungen und die Atmungsstörungen. Danach kommen unruhige Beine, das sogenannte Restless-Leg-Symptom, aber auch Menschen, die wegen Schmerzen nicht schlafen können. Die Ursachen kriegt man heute in der Regel gut raus. Ein Problem ist, dass viele Menschen mit Ein- oder Durschlafstörungen sofort auf die Psychoschiene gesetzt werden, statt sie im Schlaflabor auf körperliche Ursachen hin zu untersuchen. Leider wartet man oft lange auf einen Platz.

Welche Störungen lassen sich gut behandeln?

Bei den körperlichen sind wir meistens besser dran. Nächtliche Atemaussetzer können wir gut behandeln. Es gibt die Atemmasken, die Leben retten, wir haben Schnarcher-Schienen. Bei unruhigen Beinen gibt es einen ganzen Bauchladen voller Medikamente. Die Behandlung ist hier aber schwieriger und anspruchsvoller.

Wer kommt besonders oft in Ihre Praxis?

Weniger ältere Menschen, obwohl die Schlafstörungen im Alter häufiger sind. Allerdings ist der Druck da nicht so groß, weil die nicht mehr arbeiten müssen. Menschen in der Sandwich-Phase ihres Lebens zwischen 30 und 65, die wie die Wurstscheibe zwischen zwei Brothälften stecken und nicht rauskommen, haben dagegen einen hohen Leidensdruck: Sie müssen arbeiten, ein Haus abbezahlen, sich um Kinder oder pflegebedürftige Eltern kümmern. Die macht es kirre, wenn sie nicht mehr schlafen können. Schlaf verträgt keinen Druck.

Ab den Wechseljahren ziehen die Mädels langsam nach mit dem Schnarchen
Michael Feld

Wir werden immer dicker. Wie wirkt sich das aus?

Wenn nachts eh nicht mehr so viel Platz im Rachen ist und man noch ein paar Extra-Kilos draufhat, kann eine Schlaf-Apnoe entstehen. Das bedeutet, dass mindestens zehn Sekunden keine Luft mehr durchkommt. Obwohl die Atmung eigentlich funktioniert, klebt die Zunge im Rachen. Zu viel Essen und zu viel Alkohol sind oft Gründe, aber der Hauptgrund ist unser Lebensalter. Mit zunehmendem Alter werden das Rachengewebe und die Muskulatur schlaffer. 30 bis 40 Prozent der Menschen, die unter Schlafapnoe leiden, sind schlank. Man sollte den Betroffenen keine Schuldgefühle machen.

Manche Schnarcher lassen sich operieren, allerdings nicht selten erfolglos. Woran liegt das?

Ich will jetzt den HNO-Ärzten nicht zu nahetreten, manche haben vielleicht gewisse Zwänge zu operieren, die nicht medizinisch begründet sind. In manchen Fällen kann eine Operation sinnvoll sein, wenn jemand anatomische Auffälligkeiten hat, ein Zäpfchen, das fast bis zur Kniekehle reicht oder ein fliehendes Kinn. Aber ein dicker Zungenmuskel lässt sich nun mal nicht operieren. Seriöse Kollegen machen da vorher Profimessungen und setzen dann auch oft eine Maske oder eine Schiene auf die Nase.

Warum schnarchen Männer öfter als Frauen?

Frauen sind durch die weiblichen Geschlechtshormone bis zu den Wechseljahren besser geschützt, weil die Spannung im Rachen eine andere ist. Ab den Wechseljahren ziehen die Mädels langsam nach. Auch der Alkoholkonsum nimmt bei Frauen zu, was zu mehr Schnarcherinnen führt.

Schämen sich schnarchende Frauen mehr, zu Ihnen in die Praxis zu kommen?

Definitiv.

Frauen schlafen besser mit einem Hund im Bett besser als mit dem Partner – will eine Studie in den USA belegt haben.

Die kenne ich nicht, aber da kann was dran sein. Wenn wir Paare auf der Straße befragen, wollen beide am liebsten beieinander schlafen. Wenn wir im Schlaflabor messen, stellen wir fest, dass Frauen schlechter schlafen, wenn der Partner neben ihnen liegt. Das kann am Schnarchen liegen, aber auch an innerer Abwehr.

Sind Ohrstöpsel eine gute Lösung, wenn der Partner oder die Partnerin schnarcht?

Das ist für den Anfang ab und zu sicher in Ordnung. Wenn das Geräusch die Ohrstöpsel übertönt, würde ich aber eher empfehlen, den Partner zum Arzt zu schicken.

Es gibt Ohrstöpsel aus unterschiedlichen Materialien. Welche empfehlen Sie?

Die, mit denen man am besten schlafen kann.

Viele Menschen schnarchen nur, wenn sie auf dem Rücken liegen. Wenn man sie anstupst, drehen Sie sich um und hören auf. Gibt es eine bessere Lösung?

Tatsächlich gibt es Therapieversuche, wo man einen Tennisball hinten in den Pyjama einnäht, damit die Menschen auf der Seite schlafen. Es gibt mittlerweile auch Rückenverhinderungs-Westen mit Schaumstoffteilen drin oder elektronischen Vibrationen. Die funktionieren gut.

Angeblich soll Didgeridoo spielen gegen Schnarchen helfen. Im Ernst?

Viele Menschen fragen zu Recht, ob man dieses lebende Gewebe im Rachen nicht trainieren kann wie andere Dinge im Körper auch. Daran hat man sich wissenschaftlich schon abgearbeitet. Man hat es mit Singen versucht und alle möglichen Musikinstrumente durchprobiert wie Saxofon oder Trompete. Das einzige Instrument, das etwas gebracht, ist das Didgeridoo, das die australischen Aborigines spielen. Da entsteht eine ganze besondere Tonfrequenz und Vibration, die heilsam ist.

Einen Schnarcher, der alleine schläft, hört niemand mehr
Michael Feld

Kann es eine Lösung zu sein, getrennte Schlafzimmer zu haben, wenn der Partner schnarcht?

Wenn die getrennten Schlafzimmer allein den Grund haben, dass der andere schnarcht, würde ich eher einen Arzt empfehlen. Einen Schnarcher, der alleine schläft, hört niemand mehr. Und am Ende haben wir Patienten, die als dement reingebracht werden, obwohl sie nicht dement sind, sondern arme Kerle, die seit zehn Jahren verbannt auf dem Speicher liegen und nachts keine Luft mehr kriegen. Bis die Behandlung erfolgreich beendet ist, kann man natürlich getrennt schlafen.

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