Sehstörung und TaubheitsgefühleHarmlos oder Anzeichen für einen Schlaganfall?

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  • Eine Sehstörung oder Taubheitsgefühle in Armen und Beinen können harmlose Ursachen haben.
  • Sie können aber auch Anzeichen für einen Schlaganfall sein.
  • Es gilt: Im Zweifel ist es ein Notfall, wie Neurologe Dr. Magnus Heier erklärt.

Sehr oft stellt sich die Frage: Ist das ein Notfall? Oder warten wir ab? Ein typisches Beispiel ist die so genannte visuelle Aura bei Migräne. Es wirkt überaus dramatisch und bedrohlich: Plötzlich können die Patienten nicht mehr richtig sehen. Mehr noch, sie beschreiben flirrende, flackernde Erscheinungen. Am Ende ist das halbe Gesichtsfeld weg, das heißt, sie sind auf der rechten oder auf der linken Seite blind.  Was so dramatisch klingt, ist meist „nur“ die Aura einer Migräne. Das Typische dabei: Der Sehausfall ist einseitig, rechts oder links, aber er betrifft nicht das rechte oder linke Auge. Vielmehr sind beide Augen betroffen, in beiden Augen fällt jeweils der rechte oder der linke Teil des Gesichtsfeldes aus.

Wandernde Entladungsstörung

Was bedrohlich klingt, hat einfache Gründe: Die Aura entsteht nicht im Auge, sondern tief im Gehirn, im so genannten visuellen Cortex. Dort sind die Informationen aus beiden Augen zusammengeführt. Die Veränderung, eine Entladungsstörung, wandert über die Gehirnoberfläche, verändert die Wahrnehmung – und geht vorbei. Bei den meisten Menschen folgt danach eine Migräneattacke – aber bei einigen geht die Aura folgenlos zu Ende, ohne dass etwas Bedrohliches passiert wäre.

Aber das weiß man beim ersten Mal eben nicht. Wenn die Sehkraft plötzlich nachlässt, dann kann das auch ganz andere Gründe haben. Ein Schlaganfall ist einer der unwahrscheinlicheren. Eine Netzhautablösung könnte es schon eher sein. Auf jeden Fall ist, im Zweifel, ein so markanter Ausfall ein Notfall, bei dem man nicht einfach abwarten kann!

Gefahren werden unterschätzt

Ein zweites, häufig missverstandenes Phänomen aus der Neurologie ist eine plötzliche Taubheit oder Bewegungsstörung. Beine oder Arme, oder auch nur Zehen oder Finger fühlen sich plötzlich taub oder pelzig an. Es geht nicht darum, dass das Bein „eingeschlafen“ ist – das kennt jeder aus eigener Erfahrung. Es geht darum, dass die Haut plötzlich taub ist. Oder dass die Kraft im Arm oder Bein plötzlich nachgelassen hat. Oder beides. Die Betonung liegt auf „plötzlich“.  Auch das kann unterschiedlichste Ursachen haben – vom Schlaganfall bis zur Wurzelkompression an der Wirbelsäule. Das Problem ist: Wenn es nicht wehtut (und etwa ein Schlaganfall tut eben nicht weh), dann warten viele, sehr viele Patienten erst einmal ab. „Das wird schon wieder“ ist ein beruhigender Gedanke, aber oft stimmt es eben nicht.

Nicht selten warten Patienten sogar dann ab, wenn sie eine halbseitige Lähmung haben, wenn das Gesicht asymmetrisch ist, weil ein halber Mundwinkel herunterhängt. Sogar dann, wenn das Sprechen plötzlich gestört ist oder das Verstehen von Sprache. Beim Schlaganfall ist es Teil des Krankheitsbildes, das die Betroffenen die Gefahr der Situation völlig unterschätzen. Dann sind die Angehörigen gefragt, oder die Arbeitskollegen – oder zufällig anwesende Menschen.

Wenn etwas bedrohlich aussieht, dann ist es das leider oft eben auch. Wenn man unsicher ist, sollte man also eher zu viel tun, als zu wenig. Im Zweifel ist es ein Notfall!

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