Abo

Todesursache von YoutuberWie gefährlich sind epileptische Anfälle?

4 min
Epileptische Anfälle kommen oft unvermittelt. Was kann man tun, um sie zu verhindern, und wie reagiert man richtig als Beobachter?

Epileptische Anfälle kommen oft unvermittelt. Was kann man tun, um sie zu verhindern, und wie reagiert man richtig als Beobachter?

Jan Zimmermann war ein bekannter Youtuber. Der 27-Jährige ist gestorben, an einem epileptischen Anfall. Wie groß ist das Risiko dafür? 

Am Montagnachmittag wurde der Tod des YouTubers Jan Zimmermann bekannt. Viele Fans des „Gewitter im Kopf“-Stars reagierten schockiert, später äußerten sich seine Angehörigen in einem emotionalen Instagram-Post. „Leider wurde uns als Angehörigen die Möglichkeit genommen, uns während der Trauer zu äußern“, schreiben sie unter einem Schwarz-Weiß-Porträt von Zimmermann. Zudem teilten sie die Todesursache mit: Zimmermann sei am 18. November unerwartet an einem epileptischen Anfall verstorben.

Ein Tod durch einen epileptischen Anfall wirkt erschreckend – zumal Epilepsie zu den häufigsten chronisch-neurologischen Erkrankungen zählt. Laut Deutscher Hirnstiftung leben in Deutschland schätzungsweise rund 640.000 Betroffene.

„Sehr viele Menschen sind betroffen, aber sie können in der Regel mit Medikamenten ein normales Leben führen“, sagt Uwe Meier, der Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Neurologen. Aber man müsse Risiken und mögliche Komplikationen kennen.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Bei einem epileptischen Anfall geraten das Gehirn oder einzelne Areale in eine extreme Überaktivität, weil zahlreiche Nervenzellen gleichzeitig feuern. Dadurch kann es zu heftigen Muskelverkrampfungen, Bewusstlosigkeit und ausgeprägten Orientierungsschwierigkeiten kommen. Der Anblick solcher unkontrollierten Zuckungen könne beunruhigen, sagt Neurologe Meier. „Der äußere Eindruck ist aber oft sehr viel dramatischer als das, was es im Körper macht.“ Meistens verlaufen Anfälle ohne bleibende Schäden und klingen nach ein bis zwei Minuten wieder ab.

Wann sind epileptische Anfälle gefährlich?

Sie kommen oft aus heiterem Himmel: Die Folge können Verletzungen sein, wenn Betroffene beispielsweise auf einer Treppe stürzen oder sich an einem Tisch anschlagen. Und in bestimmten Situationen, beim Klettern, Autofahren und Schwimmen zum Beispiel, kann eine Ohnmacht sehr gefährlich sein.

Es gibt auch plötzliche, unerwartete Todesfälle bei Epilepsiepatienten, in der Medizin SUDEP genannt (englisch: sudden unexpected death in epilepsy). „Das ist eine seltene, aber gefürchtete Komplikation, wo man nicht genau weiß, was da passiert“, sagt Uwe Meier. Es könne mit Atemstörungen einhergehen oder mit Herzrhythmusstörungen, die plötzlich zum Tod führen.

„Pro Jahr kommt es bei einem von 4.500 Kindern mit Epilepsie zu einem solchen Todesfall“, schreibt das Epilepsiezentrum der Uniklinik Freiburg auf seiner Website. Bei erwachsenen Epilepsiepatienten liege das Risiko bei „1-10/1000“. In den meisten Fällen versterben Patienten demnach im Schlaf.

Ob es sich beim Tod von Jan Zimmermann um einen Fall von SUDEP handelt, ist nicht bekannt.

Wie kann man epileptischen Anfällen vorbeugen und gibt es Warnsysteme?

Das Allerwichtigste sei eine gute medikamentöse Einstellung und eine zuverlässige Einnahme der Medikamente, betont Neurologe Meier. „Das schützt vor den Anfällen - und keine Anfälle bedeutet auch: keine Komplikationen.“ 

Die Lebensweise hat ebenfalls Einfluss: Stress, Schlafdefizit und Alkohol können das Risiko für Anfälle erhöhen, so Meier. Das sollte man vermeiden.

Laut der Deutschen Epilepsievereinigung gibt es Systeme zur Erkennung epileptischer Anfälle – etwa Wearables, die am Körper getragen werden und Veränderungen der Herzfrequenz und andere Parameter erfassen, oder Bett- und Bewegungssensoren. Damit ließen sich nicht alle Anfallstypen zuverlässig erfassen und Anfälle auch noch nicht vorhersagen.

Sogenannte Tonisch-klonische Anfälle könnten die Systeme allerdings zuverlässig erkennen und damit zum Beispiel das Risiko eines plötzlichen Epilepsietodes, also eines SUDEP, nachhaltig reduzieren könnten, heißt es in einem Informationspapier der Vereinigung.

Uwe Meier hält die Systeme in bestimmten Situationen für hilfreich, gibt aber auch zu bedenken: „Es muss dann auch jemand da sein, der reagieren kann.“ Im Normalfall seien Anfälle ein seltenes Ereignis, wenn man die entsprechenden Medikamente einnimmt. „Aber es gibt Patienten, die schwer einzustellen sind und gerade da können solche Systeme eine wertvolle Hilfe sein.“

Wie sollte man reagieren, wenn man einen epileptischen Anfall beobachtet?

Man sollte unbedingt handeln: Zunächst gilt es, die Umgebung zu sichern – also Möbel oder andere Hindernisse beiseitezuschieben – und die betroffene Person vor weiteren Verletzungen zu schützen, empfiehlt die Epilepsievereinigung. Stoppt der Anfall nach fünf Minuten nicht, muss ein Notarzt gerufen und, falls vorhanden, ein Notfallmedikament gegeben werden. „Es könnte sich dann um einen Status epilepticus handeln, der medikamentös unterbrochen werden muss.“

Wichtig ist auch, was man vermeiden sollte: Betroffene nicht festhalten – viele lehnen das ab, und durch heftige Zuckungen können Helfende selbst verletzt werden. Ebenso darf nichts zwischen die Zähne geschoben werden, da Erstickungsgefahr besteht. Sinnvoll kann dagegen sein, eine weiche Jacke unter den Kopf zu legen.

Ist das Risiko bei Menschen mit Tourette-Syndrom für Epilepsie erhöht?

Es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten. Eine Studie auf Basis von Daten aus Taiwan, die 2016 im Fachjournal „Research in Developmental Disabilities“ veröffentlicht wurde, kam etwa zu dem Ergebnis, dass das Risiko bei Kindern mit Tourette-Syndrom deutlich höher war als bei anderen Kindern. 

Bei Youtuber Jan Zimmermann war Epilepsie diagnostiziert worden. Er hatte in seinen Videos auch davon berichtet. (dpa)