In Sachen LiebeMeine alten Eltern sind so lieblos miteinander – Was kann man tun?

Die Eltern sind lieblos zueinander – wie kommen sie sich wieder näher?
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- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désiree Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
- Diesmal erklärt Psychologin Elisabeth Raffauf, ob erwachsene Kinder die Beziehung ihrer Eltern retten können, wenn die sich auseinandergelebt haben.
Meine Eltern, Ende 70 und Anfang 80, werden in ihrer Beziehung immer unglücklicher und verhalten sich zunehmend liebloser im Umgang miteinander. Wenn ich sie besuche, ist die Stimmung meistens richtig schlecht. Doch sie sind schon Jahrzehnte zusammen, und auch eine Trennung stelle ich mir für beide nicht gut vor. Was können sie tun, damit sie einen besseren Umgang miteinander finden? (Thorsten, 46)
Was Sie schildern, kennen einige „Kinder“ in Ihrem Alter. Und meistens nicht erst seit gestern. Oft haben die Kinder das schon genauso erlebt, als sie klein waren, und sie haben darunter gelitten. Jetzt, wenn die Eltern älter werden, spüren sie, dass es sich zuspitzt.

Elisabeth Raffauf ist Psychologin in Köln.
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Dann ist es so, dass erwachsene Kinder, ähnlich wie Sie, gerne helfen und die Beziehung der Eltern zusammenhalten möchten. Sie probieren alles Mögliche: Sie sprechen immer wieder mit den Eltern oder mit einem der beiden. Sie ermuntern sie vielleicht, mit einem Gläschen Wein zur Versöhnung anzustoßen. Sie verschenken ein Wellness-Wochenende – und vieles andere mehr. Was sie damit auch möchten: sich selbst beruhigen. Wenn es den Eltern gut geht und sie sich verstehen, müssen die Kinder sich nicht so sehr um sie kümmern, sondern können ihre Pläne verfolgen. Als erwachsene Kinder können sie ihr Leben leben. Wenn das dann nicht so ist, wenn sich die Eltern also immer weiter streiten, versuchen sie zu vermitteln, oder sie bleiben weg.
Das Engagement stößt an Grenzen
Immer wieder spüren die erwachsenen Kinder, dass sie mit ihrem Engagement an Grenzen kommen und nicht viel erreichen. Auch das ist ein altes Gefühl, das sie bereits seit Kindertagen kennen. Die Eltern sind so in ihren Streit verstrickt und so lieblos miteinander, dass sie ihre Kinder dabei vergessen. Für die Kinder bedeutete das: Ihre eigenen Gefühle, ihre Nöte, ihre Ängste, dass die Eltern sich trennen, haben keinen Platz. Sie werden nicht gesehen. Manche Kinder suchen dann das Weite und gucken, wo sie die Beachtung finden, die sie brauchen. Andere probieren, die Streitigkeiten der Eltern zu schlichten. Das gelingt dann vielleicht mal für ein paar Tage, aber nicht grundsätzlich. Bald geht es wieder von vorne los.
Die Erkenntnis für Sie heute: Sie können nichts tun. Ihre Eltern haben sich dazu entschieden, so zu leben, wie sie das tun. Seit Jahrzehnten. Eine Paartherapie könnte helfen, auch in hohem Alter noch. Aber: Die beiden müssen es wollen.
Gleichzeitig ist es ja so, dass es Sie sehr beschäftigt und besorgt. Deshalb ist die Frage wichtig: Was können sie für sich selbst tun? Sie können mit Ihren Eltern von sich sprechen. Sie können ihnen sagen, wie es Ihnen damit geht, dass die beiden sich so streiten. Sie können ihnen auch erzählen, wie Sie das Verhältnis Ihrer Eltern als Kind erlebt haben. Sie können sagen, dass Sie sich etwas anderes wünschen und dass es an ihnen, den Eltern, liegt, etwas zu verändern. Damit geben Sie Ihren Gefühlen einen Platz. Mehr wird allerdings häufig nicht daraus.
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Sie müssen sich davon verabschieden, etwas tun zu können, was die Eltern versöhnt. Der Abschied besteht darin, dass Sie zu der Zeit, als Sie vielleicht mehr Aufmerksamkeit gebraucht hätten, keine Eltern hatten, die sich besser verstanden und die sich mit Ihren Themen statt mit eigenen Konflikten beschäftigten. Das ist bitter. Gleichzeitig kann es Sie auch entlasten, wenn Sie davon ablassen können, eine unlösbare Aufgabe zu lösen. Das liegt nicht in Ihrer Macht. Und es ist auch nicht Ihre Verantwortung.