Steigende Corona-Zahlen und WaldbrändeKann ich meinen Urlaub kostenlos stornieren?

In der Türkei werden Menschen während eines Waldbrandes evakuiert.
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Köln – Vor Jahren war der Sommerurlaub bei vielen Deutschen Routine. Das hat sich spätestens mit der Corona-Pandemie erledigt. Das Reisen ist ungewiss geworden, Buchungen erfolgen spontaner, Absagen und Stornierungen auch. Gerade jetzt, wo nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern die Corona-Zahlen wieder steigen, würden einige ihre Reise lieber nicht antreten. Hinzu kommen in diesem Sommer die, natürlich in allererster Linie für die Menschen vor Ort, verheerenden Naturkatastrophen mit den Waldbränden in Griechenland und der Türkei. Ganze Viertel müssen dort evakuiert werden. Doch ganz gleich aus welchen Gründen Urlauber ihre Reise nicht antreten wollen oder können: Welche Möglichkeiten haben sie, diese abzusagen? Und wie haben sie die größten Chancen, ihr Geld zurückzubekommen?
Pauschalreisende
Einen Vorteil haben Pauschalreisende. Sie sind reiserechtlich am besten abgesichert, und zwar durch die entsprechende EU-Richtlinie und in Deutschland den Paragraphen 651 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dieser regelt, dass eine Pauschalreise bei „unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umständen“, die die Durchführung der Reise „erheblich beeinträchtigen“, kostenlos storniert werden kann. Dazu zählen Ereignisse, die weder Urlauber noch der Veranstalter beeinflussen können. Also auch Naturkatastrophen wie Waldbrände. Diese Klausel begrenzt sich allerdings auch auf den Ort, an dem es wirklich brennt und nicht auf ganz Griechenland oder die ganze Türkei. Entscheidend ist die Lage am konkreten Urlaubsort. Eine Einschränkung des eigenen Sicherheitsempfindens ist kein Grund, kostenlos von der Buchung einer Pauschalreise zurückzutreten. Dies gilt übrigens nicht nur für Waldbrände, sondern auch für andere Szenarien und selbstverständlich die Corona-Pandemie.
Bei einer Pandemie ist die Lage nicht so eindeutig wie bei Waldbränden. Vor der Corona-Pandemie bedeutete eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes quasi immer einen außergewöhnlichen Umstand und damit ein kostenloses Recht darauf, die Reise zu stornieren. Dieser Automatismus greift nun nicht mehr unbedingt, was auch damit zu tun hat, dass eine Zeit lang jedes Corona-Risikogebiet mit einer Reisewarnung belegt wurde. So kommt es mittlerweile unter anderem auch darauf an, ob die Reisewarnung bei der Buchung der Reise schon bestand. Ist dies so, sind einige Gerichte und auch das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ) der Meinung, dass sich nicht unbedingt ein kostenloses Reiserücktrittsrecht ergeben muss. Schließlich war den Reisenden das Risiko bereits zum Zeitpunkt der Buchung bewusst.
Verbände, Juristen und die Gerichtsbarkeit sind sich nicht ganz einig, ob eine kurzfristige Änderung der Corona-Gefahreneinschätzung durch das Auswärtige Amt das Recht auf eine kostenlose Stornierung rechtfertigt. Reiserechtler Paul Degott beruft sich auf viele Faktoren, mit denen Reisende zum Zeitpunkt der Buchung noch nicht haben rechnen müssen, wenn er gegenüber dem RND zum konkreten Beispiel Spanien sagt: „Pauschalurlauber haben eher gute Chancen, kostenlos von ihrer Reise zurücktreten zu können.“ Auch das EVZ findet, Reisende könnten „kurz bevorstehende Pauschalreisen in Länder, für die eine Reisewarnung ausgesprochen wird“ kostenlos stornieren, wenn sie sich auf außergewöhnliche Umstände berufen. Der Zeitraum, den kurz bevorstehend bezeichnet, umfasst knapp vier Wochen. Aus der Reisewirtschaft kommen allerdings andere Einschätzungen. Der Deutsche Reiseverband sieht durch die Einstufung eines Urlaubsorts in ein Hochinzidenzgebiet mit Verweis auf ein bislang fehlendes höchstrichterliches Urteil kein automatisches Recht auf eine kostenlose Stornierung. Grundsätzlich werde sich jedoch bemüht, „individuelle und kundengerechte Lösungen“ zu finden, betont der DRV.
Bereits vor Ort
Wenn Reisende bereits vor Ort sind oder waren und ihren Urlaub aufgrund der unklaren Lage vor Ort abgebrochen haben oder dies planen, werden ihnen die nicht genutzten Leistungen erstattet – allerdings auch nur, wenn diese wirklich nicht nutzbar waren. War die Abreise nötig, beispielsweise aufgrund einer Evakuierung des Hotels, und Teil der gebuchten Reise, muss der Veranstalter diese umorganisieren und auch zahlen. Verzögert sich der Weg nach Hause, kommt der Veranstalter für maximal drei zusätzliche Übernachtungen auf. Zahlen muss er auch bei Urlaubern, die vor Ort bleiben, bestimmte Leistungen aber aufgrund der aktuellen Lage nicht wahrnehmen können. Reisende können dann im Nachhinein eine Teilrückzahlung des Reisepreises fordern, müssen dies aber eventuell vor einem Gericht erstreiten.
Natürlich kann eine Pauschalreise auch aufgrund der Corona-Pandemie von unterwegs aus gekündigt werden. Allerdings müssen dazu auch hier die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht mehr nutzbar sein, beispielsweise die Unterkunft durch Maßnahmen der Behörden vor Ort geschlossen werden. In einem solchen Fall muss bei einer Pauschalreise der Veranstalter die Rückreise organisieren und bezahlen. Dann empfiehlt es sich auf jeden Fall, sich zunächst mit dem Veranstalter in Verbindung zu setzen.
Reise steht noch bevor
Weil niemand weiß, wie sich die aktuelle Lage in den kommenden Wochen entwickelt, zieht das Argument der erheblichen Beeinträchtigung durch unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände für Reisen, die erst in ein paar Wochen stattfinden werden, nicht. Hier müssen Reisende, die ihren Urlaub jetzt schon absagen wollen, den normalen Weg der Stornierung gehen, wie es auch ohne Naturkatastrophen und die Corona-Pandemie der Fall wäre. Hierbei können natürlich Gebühren anfallen, wie hoch diese ausfallen, steht im jeweiligen Vertragswerk. Allerdings gestatten Reiseveranstalter aktuell aufgrund der Corona-Pandemie oft kurzfristige Umbuchungen.
Bei der Corona-Pandemie ist die Entwicklung in den kommenden Wochen natürlich ebenfalls nicht abzusehen. Weder in Deutschland noch im Ausland. Deshalb lässt sich eine Stornierung eines Urlaubs aufgrund der Corona-Pandemie bereits einige Wochen vor Reiseantritt nicht empfehlen. Denn zum Zeitpunkt der Stornierung muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar sein, dass sich die Reise nicht wie geplant durchführen lässt. Den Beweis dafür müssen die Reisenden erbringen, die von ihrem Vertrag zurücktreten müssen. Daher empfiehlt es sich, bei Reisen, die nicht unmittelbar bevorstehen, die Lage abzuwarten.
Individualreisende
Reisende, die den Weg in den Urlaub und die Unterkunft separat gebucht haben, stehen vor einer etwas komplizierteren Aufgabe. Sie können sich nicht auf das Pauschalreiserecht berufen, müssen zum einen bei jeder getätigten Zahlung einzeln versuchen, ihr Geld zurückzubekommen. Zum anderen ist ihre Rechtslage nicht so angenehm wie bei Pauschalreisenden. Klar ist aber auch hier: Wird die Leistung nicht erbracht, gibt es Ersatz oder das Geld zurück. Zum Beispiel dann, wenn Flüge aufgrund von eskalierenden Brandereignissen gestrichen werden. Allerdings gibt es keine besonderen Entschädigungen darüber hinaus. Bei Verspätungen infolge von Asche und Qualm kann sich die Fluggesellschaft auf außergewöhnliche und nicht durch sie beeinflussbare Umstände berufen. Schlecht stehen die Chancen auch dann, wenn eine Übernachtung im Hotel aufgrund eines ausgefallenen Flugs nicht angetreten werden kann. Wurde beides jeweils einzeln gebucht, kommt die Fluggesellschaft nur für den ausgefallenen Flug auf. Das Hotel muss, falls die Übernachtung dort wahrnehmbar gewesen wäre, bezahlt werden. Denn für den ausgefallenen Flug kann der Vermieter nicht haftbar gemacht werden.
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Anders sieht es aus, wenn die Unterkunft nicht bezogen werden kann, weil sie beispielsweise in einem Sperrgebiet liegt. Dann ist entscheidend, ob der Vertrag auf der Basis deutschen Rechts unterschrieben wurde. Ist dies der Fall, bekommen Reisende ihr Geld zurück, wenn sie ihre Unterkunft nicht nutzen können. Wurde der Vertrag direkt mit einem ausländischen Vermieter geschlossen, gilt das Recht des jeweiligen Landes.
Ganz schlechte Karten haben Individualreisende, die ihren Urlaub aufgrund der steigenden Corona-Zahlen nicht antreten möchten. Solange die gebuchten Flüge stattfinden und die herausgesuchte Unterkunft nicht geschlossen sind, haben sie kein Recht auf eine kostenlose Stornierung. Die einzige Chance, zumindest einen Teil des Geldes zurückzubekommen oder die Reise umbuchen zu können, liegt in den Konditionen, die im Buchungsvertrag festgehalten wurden.
Reiserücktrittsversicherung
Bei den Waldbränden hilft eine Reiserücktrittsversicherung nicht viel weiter. Sie springt bei unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen, wie sie im BGB verankert sind und zu denen diese Brände zählen, in der Regel nicht ein. Sie ist eher für die Absicherung individueller Risiken gedacht – beispielsweise, wenn man kurz vor dem Urlaub erkrankt.
Für die steigenden Corona-Zahlen sieht dies etwas anders aus – hier kommt es darauf an, wie die Reiserücktrittsversicherung gestaltet ist. In den anderthalb Jahren der Pandemie haben Veranstalter und Versicherer sich natürlich auch Gedanken gemacht, wie sie sich und Kunden bei plötzlich steigenden Inzidenzen und zu Risikogebieten erklärten Urlaubszielen absichern können. Viele Veranstalter bieten mittlerweile extra auf die Corona-Pandemie zugeschnittene Versicherungen an oder haben eigene Klauseln bereits fest in ihren Verträgen verankert. Welche Rechte Reisenden dann zusteht, ist individuell sehr unterschiedlich und kann im Vertragswerk in der entsprechenden Klausel nachgeschlagen werden.