„Earth Overshoot Day“ 2022Ab dem 4. Mai lebt Deutschland auf Pump

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Die Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II im Rheinischen Revier.

Köln – Gerade einmal vier Monate und ein paar Tage des Jahres 2022 sind vergangen, aber Deutschland hat bereits heute sämtliche natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die innerhalb eines Jahres nachwachsen können. Heißt: Für den Rest des Jahres leben wir auf Pump. Der Tag ist auch bekannt als „Earth Overshoot Day“ – oder zu Deutsch wahlweise als „Welterschöpfungstag“ oder „Erdüberlastungstag“.

Unterschieden wird zwischen dem globalen und dem jeweils nationalen „Überlastungstag“. Auf welchen Tag der weltweite Stichtag in diesem Jahr fällt, ist noch nicht bekannt. 2021 fiel der internationale „Earth Overshoot Day“ auf den 29. Juli. Klar ist aber: Deutschland ist mal wieder früher dran. Gründe für den frühen Termin sind unter anderem der weiterhin viel zu hohe Energieverbrauch, der hohe CO₂-Ausstoß im Verkehr und in der Massentierhaltung sowie die Verunreinigung von Böden, Luft und Grundwasser.

Leben und konsumieren auf Kosten künftiger Generationen

Der „Erdüberlastungstag“ ist ein Gradmesser für den weltweit steigenden Ressourcenverbrauch. Ins Leben gerufen wurde er von der Denkfabrik „Global Footprint Network“. Ihr Ziel ist es, anhand des symbolischen Tages deutlich zu machen, wie groß unser Raubbau an der Natur tatsächlich ist. Dazu wird die Fähigkeit unseres Planeten, Rohstoffe jeder Art zu produzieren oder wieder herzustellen, mit dem ökologischen Fußabdruck der Menschheit verrechnet.

Die Bilanz: Seit den frühen 1970er-Jahren ist unser jährlicher Verbrauch an natürlichen Ressourcen größer als die Regenerationsfähigkeit der Natur. So fiel der Tag 1970 noch in den Dezember, 2019 lag er bereits im Juli. Aufgrund der Corona-Pandemie verschob sich der Erdüberlastungstag im Jahr 2020 zum ersten Mal überhaupt etwas nach hinten, anstatt stetig weiter nach vorne zu rücken. Wegen der Lockdowns, des gesunkenen Konsums und einer geringeren Mobilität war das ökologische Budget „erst“ im August aufgebraucht. Wie sich nur ein Jahr später zeigte, war der Effekt allerdings nur kurzfristig.

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Ähnlich sah es in Deutschland aus: Während wir hierzulande im Vor-Pandemiejahr 2019 schon am 3. Mai unser Öko-Budget aufgebracht hatten, fiel der Stichtag 2021 auf den 5. Mai. Exklusive Zahlen wurden für Deutschland im Jahr 2020 nicht veröffentlicht.

Deutschland würde drei Erden brauchen

Natürlich lässt sich der Tag, an dem eine Nation ihr ökologisches Budget aufgebraucht hat, nicht mit absoluter Sicherheit berechnen. Es ist vielmehr eine Schätzung. Dennoch zeigt jedes Modell, das für die Berechnungen herangezogen wird, einen konsistenten Trend: Die Menschheit lebt über ihren Verhältnissen – auf Kosten künftiger Generationen.

Das lässt sich auch als Schuldenlast visualisieren: Wir verbrauchen mehr, als die Natur sich leisten kann. Wir überziehen unser ökologisches Konto also konstant, können die Schulden aber nicht begleichen. Denn um unser heutiges Budget zu decken, bräuchte die Menschheit etwa 1,7 Erden. Würden alle Länder der Welt so leben und konsumieren, wie wir Deutschen, würden wir sogar drei Erden benötigen.

Unter den G20, der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, verbrauchen nur Kanada, die Vereinigten Arabischen Emirate, die USA, Australien, Korea und Russland mehr. 

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