Verwirrung um Glimmer-KosmetikFragen und Antworten zum Glitzer-Verbot – das erstmal nicht kommt

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Ein Mann lässt sich mit Glitzer schminken: Ein Pinsel trägt türkise Partikel auf die Schläfe auf.

Keine Sorge: Köln bleibt bunt und glitzernd.

Ab Dienstag sollte ein EU-weites Glitzer-Verbot gelten, das sorgte für Aufruhr – und Verwirrung. Wie Sie weiterhin an Glitzer kommen.

Seit Dienstag ist der Verkauf von einigen Kosmetikprodukten mit Glitzer verboten – und das kurz vor dem 11.11. Die Aufregung in sozialen Netzwerken ist groß, ebenso die Verwirrung von Händlern, wie denn nun die Rechtslage aussieht. Wir beantworten die wichtigsten Fragen. Eine gute Nachricht vorweg: Es gibt weiterhin Glitzer-Schminke zu kaufen, auch in Köln.

Wieso ist Glitzer so umstritten?

Häufig bestehen die kleinen bunten Partikel, die zu Karneval oder Festivals als Schminke immer beliebter werden, aus Mikroplastik. Wer schon einmal nach einer bunten Fete versucht hat, seine Wohnung wieder Glitzer-frei zu fegen, ahnt, wie leicht sich die Partikel in der Umwelt verbreiten. Zum Beispiel über die Dusche in das Abwassersystem und weiter ins Grundwasser. Und dort zersetzt sich Mikroplastik nicht.

Was ist Mikroplastik?

Als Mikroplastik werden synthetische Polymerpartikel bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Gelangen sie in die Umwelt, lösen sie sich nicht auf, sind also schwer oder gar nicht abbaubar. Die EU schätzt, dass jedes Jahr 42.000 Tonnen von ihnen über die Luft, das Wasser und die Böden unser Ökosystem verunreinigen. Sie können über Nahrungsmittel auch in den menschlichen Körper gelangen und potenziell schädlich sein. Ein Großteil des Mikroplastiks in der Umwelt stammt von synthetischer Kleidung und dem Abrieb von Autoreifen. Den Produkten, die die EU jetzt verbietet, wurde hingegen bewusst Mikroplastik zugesetzt. Und es gibt bereits Alternativen.

Was steckt hinter dem Glitzer-Verbot?

Eine neue Verordnung trat am Dienstag, 17. Oktober, in Kraft, die zunächst den Verkauf von Mikroperlen in Kosmetik verbietet. Sie ist Teil mehrerer Regeln der EU-Kommission, die nach und nach Mikroplastik in verschiedenen Bereichen untersagen. Als Erstes sind nun Peelingpartikel aus Plastik, „Microbeads“, an der Reihe. Für Glitzer gilt eine Ausnahmegenehmigung von vier bis sechs Jahren. Neben der Kosmetik sind weitere Bereiche betroffen, so folgt in acht Jahren zum Beispiel ein Verbot für Granulat auf Kunstrasenplätzen. Während Besitzer der Sportanlagen Zeit für eine Umstellung haben, blieben Kosmetikherstellern nur 20 Tage von Verkündung bis Umsetzung der Verordnung.

Aufregung im Netz: Ab wann ist Glitzer aus Mikroplastik verboten?

Über die quasi sofortige Umsetzung von Teilen der Verordnung herrschte bis in den Dienstag hinein Verwirrung. Kosmetikhersteller lasen im eigentlichen Gesetz, dass für Glitzer eine Ausnahmeregel von vier bis sechs Jahren bestehe. In der Pressemitteilung der EU-Kommission im September hieß es jedoch, auch Glitzer falle unter die sofortige Verbannung.

Die Folge: Eine Welle von Glitzer-Panik erfasste das Netz. In sozialen Medien wurde schon das Ende des Glitzers ausgerufen und in Drogeriemärkten war zu beobachten, wie Kundinnen sich mit einem Vorrat an Glitzer-Schminke eindeckten. Millionen teilten #glitzerverbot auf Instagram. Falschmeldungen kursierten zunehmend und führten zu ungerechtfertigter Kritik am Verbot. DSDS-Teilnehmer Luca Valentino sagte der „Bild-Zeitung“ gar: „Mein Leben ist sehr bunt. Jetzt nimmt uns die EU den letzten Funken Glamour.“

Hinzukam, dass jene Mitteilung aus dem September gar kein Datum nannte, sondern von einem Inkrafttreten „in zwanzig Tagen“ schrieb – das sorgte auch bei Händlern und Herstellern für Verwirrung. Auf Anfrage dieser Zeitung antwortete die Pressestelle des deutschen Verbindungsbüros der EU-Kommission vergangene Woche, dass nicht etwa der in sozialen Medien schon als letzter Tag des Glitzers erkorene Sonntag, sondern Dienstag, 17. Oktober, der Stichtag für das Verbot von Glitzer sei. Aber es kam erneut anders.

Wie reagieren Glitzer-Hersteller auf die Verordnung?

„Da wir aktuell noch auf detaillierte Aussagen aus der Politik warten und die Gesetzeslage nicht eindeutig ist, können wir leider keine konkreten Aussagen zu der Thematik machen“, hieß es beim Frechener Kostümhandel Deiters noch Montagabend. Axel von Schalscha-Ehrenfeld, Qualitätsmanager beim Schminkhersteller Eulenspiegel, sagt, er sowie die gesamte Branche sei 20 Tage lang davon ausgegangen, ab Dienstag keinen herkömmlichen Glitzer mehr verkaufen zu dürfen: „Das hat alle eiskalt erwischt.“ Glitzer von Eulenspiegel wird in den Kölner Kostümläden viel zu Karneval verkauft und sogar von einigen Tanzgruppen genutzt.

Erst Dienstagmorgen klarifizierte die EU-Kommission dann in einem Schreiben, so berichtet von Schalscha-Ehrenfeld, dass Glitzer, der in einer Lösung gebunden ist, etwa kosmetischem Klebstoff, eine Übergangszeit bis zum 16. Oktober 2027 oder 2029, je nach detaillierter Beschaffenheit, gewährt werde. Der Glitzer-Fachmann konnte aufatmen. An der Umstellung des gesamten Sortiments auf ökologisch abbaubaren Glitzer zum schnellstmöglichen Zeitpunkt hält das Unternehmen trotzdem fest. Vor eineinhalb Jahren führte Eulenspiegel seinen ersten Öko-Glitzer ein. „Das Gesetz ist nicht schlecht – nur die Umsetzung ein bisschen holprig, um es vorsichtig zu formulieren“, sagt von Schalscha-Ehrenfeld.

Wird es leere Regale in Drogeriemärkten und Kostümläden geben?

Die Drogeriekette Rossmann schreibt auf Anfrage, seit 2013 sowieso keine Peelingkörper aus festem Mikroplastik mehr zu verwenden. Alexander Strehlau, Verantwortlicher für das Sortiment von dm im Ressort Marketing und Beschaffung, sagt dieser Zeitung, das Verbot betreffe nur „sehr wenige Artikel“ im Sortiment. „Bei den Microbeads handelt es sich um die Plastik-Partikel, die früher in Peeling- oder Reinigungsprodukten enthalten waren, in den Rezepturen heute aber keine Rolle mehr spielen“, so Strehlau. „Unsere dm-Marken sind komplett frei von Kunststoff-Mikropartikeln und gehen bereits heute weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus.“

Ist überhaupt eine Art von Glitzer ab Dienstag verboten?

Kein kosmetischer, aber loser Bastel- und Dekoglitzer darf tatsächlich ab sofort nicht mehr verkauft werden. Mit einer kleinen Ausnahme: Im Gesetz ist vermerkt, dass Produkte, die bereits in den Verkehr gebracht wurden, trotzdem abverkauft werden dürfen. „Um unnötige Produktrückrufe zu vermeiden und Abfall zu reduzieren“, müssen diese also nicht umgehend entsorgt werden.

Welches Glitzer darf ich langfristig zum Schminken verwenden?

Wie Eulenspiegel stellen bereits einige Firmen biologisch abbaubare Alternativen zum Glitzer aus Mikroplastik her. Sie bestehen zum Beispiel aus Polymeren, die sich in der Umwelt mit der Zeit zersetzen können. Diese werden Biokunststoffe genannt, zum Beispiel PLA aus Zuckerrohr oder Maisstärke. Eulenspiegel verwendet eine Zellulose-Basis, die sich nach 28 Tagen im Wasser auflösen soll.

Ist Öko-Glitzer biologisch abbaubar?

Ob Mikroplastik-freier Glitzer sich in der Natur wirklich schadlos auflöst, ist jedoch umstritten. Der NABU bemängelt die Studienlage zum Abbau der Glitzer-Alternativen und kritisiert die niederschwelligen Kriterien, Produkte biologisch abbaubar zu nennen. Sie können ebenso schädliche Folgen für das Ökosystem und lange Zersetzungszeiten haben.

Auch schimmerndes Make-up ohne jegliches Plastik steht in der Kritik, weil es mitunter das Mineral Mica enthält. Es wird auch Glimmer genannt, ist an der Color-Index-Nummer CI77019 zu erkennen und wird häufig in illegalen Minen mit Kinderarbeit in Indien abgebaut. Ökotest kritisierte Anfang des Jahres, dass Lieferketten für Mica häufig nicht nachvollziehbar seien.

Die Kritik an Glitzer ist vielschichtig, die Angst vor einem generellen Verbot jedoch unbegründet. Auch für den diesjährigen Sessionsstart gibt es in Köln ausreichend Glitzer zu kaufen – auf Trägerpartikeln aus diversen Materialien. Kein Grund zur Panik also: Köln bleibt bunt.

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