„Die dreisteste Werbelüge“Foodwatch sucht den „Goldenen Windbeutel“ – das sind die nominierten Produkte

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Negativ-Preis „Goldener Windbeutel“: Diese Produkte hat die Verbraucherorganisation Foodwatch nominiert.

Negativ-Preis „Goldener Windbeutel“: Diese Produkte hat die Verbraucherorganisation Foodwatch nominiert.

Die Organisation untersucht Produkte im Lebensmittel-Sektor und verleiht den Negativ-Preis. Verbraucherinnen und Verbraucher können abstimmen.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat die Nominierten für den „Goldenen Windbeutel“ 2023 vorgestellt. Den Negativ-Preis verleiht der Berliner Verein seit 2009 für die „dreisteste Werbelüge des Jahres“, also die größten Unterschiede zwischen Versprochenem in der Werbung und dem tatsächlichen Produkt aus dem Lebensmittelsektor. Verbraucherinnen und Verbraucher können nun abstimmen, welches Food-Produkt den Negativ-Award erhalten soll.

„Zutatentricksereien, versteckte Preiserhöhungen und Gesundheitsschwindel: Die Lebensmittelindustrie zockt Verbraucher:innen mit dreisten Werbemaschen ab. Gerade in Zeiten, in denen die Menschen beim Einkauf ohnehin schon kräftig zur Kasse gebeten werden, sind überteuerte Werbelügen besonders unverschämt“, wird Rauna Bindewald von Foodwatch in der Ankündigung zum Negativ-Award zitiert.

In die diesjährige Auswahl haben es Chips, Frischkäse sowie eine Trinkmahlzeit „geschafft“. Das sind die fünf Kandidaten-Produkte für den Goldenen Windbeutel 2023 und die Begründungen von Foodwatch.

„Dreiste Werbelüge“: Verbraucherschützer Foodwatch verleihen Negatv-Preis an 

Kandidat 1: Philadelphia mit Ziegenkäse und Rosmarin von Mondelez

Begründung von Foodwatch: Name und Verpackungsgestaltung erwecken den Eindruck, es handelt sich um ein Ziegenkäseprodukt. Erst versteckt im Kleingedruckten erfährt man: Der Ziegenfrischkäse-Anteil liegt gerade einmal bei 3 Prozent! Dafür enthalten: Aroma.

Kandidat 2: Pom-Bär Ofen Minis von Intersnack Deutschland

Begründung von Foodwatch: Die Pom-Bär Ofen Minis in den Geschmacksrichtungen „Paprika“ und „Sour Cream Style“ richten sich an Kinder und werben mit „50 Prozent weniger Fett“ - doch dafür enthalten die Chips in Bärenform etwa sechs Mal so viel Zucker wie die Original Pom-Bären und dürften nach den Empfehlungen der WHO gar nicht erst an Kinder beworben werden.

Kandidat 3: Trinkmahlzeit von Yfood

Begründung von Foodwatch: Auf der Verpackung des Drinks prangt der Slogan „This is Food“. Eine 500ml-Flasche soll eine Mahlzeit ersetzen und wird als gesund, ausgewogen und vollwertig beworben. Tatsächlich handelt es sich schlicht um Milch mit Wasser und ein paar zugesetzten Vitaminen, Mineralien und Süßstoff - überteuert verkauft für 3,99 Euro. Künftig wird Yfood mit dem Nutri-Score E bewertet.

Kandidat Nr. 4: Tuc Bake Rolls von Mondelez

Begründung von Foodwatch: Mondelez verkauft die Bake Rolls, die zuvor unter der Marke 7Days im Supermarkt-Regal lagen, neuerdings unter der Marke Tuc. Es handelt sich quasi um das gleiche Produkt - nur wird es jetzt deutlich teurer verkauft: Kosteten 250 Gramm im Einzelhandel zuvor 1,39 Euro, so müssen für 150 Gramm jetzt 1,99 Euro hingelegt werden. Eine versteckte Preiserhöhung von 139 Prozent.

Kandidat Nr. 5: Porridge von 3 Bears

Begründung von Foodwatch: Das Start-Up 3 Bears bewirbt sein „Porridge“ mit einigem Brimborium: Der „Kernige Klassiker“ sei ein „Solo-Star“ - eine „geheime Mischung aus Vollkornhaferflocken. Garantiert ohne zugesetzten Zucker oder künstliche Zusätze.“ Der Blick auf die Zutatenliste zeigt: Es handelt sich schlicht und einfach um 100 % Haferflocken. Dafür müssen die Verbraucher:innen tief in die Tasche greifen: Für 400 Gramm Haferflocken werden 3,99 Euro fällig. Zum Vergleich: Eigenmarken-Haferflocken von Kaufland oder Rewe bekommt man schon für 79 Cent (500 Gramm). Selbst Bio-Haferflocken von Alnatura kosten nur 1,19 Euro (500 Gramm).

„Goldener Windbeutel“: Food-Unternehmen reagieren auf Nominierung für Negativ-Preis

Die Verbraucherschützer von Foodwatch haben auch die Unternehmen hinter den nominierten Produkten für den Negativpreis konfrontiert. Foodwatch teilte mit, dass die Firmen Mondelez, Intersnack Deutschland und YFood Stellung bezogen haben, das Unternehmen 3Bears äußerte sich ebenfalls nachträglich.

3-Bears, die Firma, die für ihr Porridge nominiert wurde, teilte nach der Negativ-Nominierung mit: „Die Kandidatur hat uns ehrlicherweise doch sehr überrascht und stimmt uns traurig. Als kleines deutsches Familienunternehmen versuchen wir nun schon seit 7 Jahren jeden Tag aufs Neue das Richtige zu tun. Für alle Verbraucher:Innen da draußen.“ Außerdem hieß es von 3-Bears: „Gerade weil wir die Arbeit von foodwatch schätzen und es uns enorm fern liegt, Verbraucher:Innen zu täuschen, sind wir über die Nominierung so schockiert. Foodwatch hat in den letzten Jahren sehr schlechte Lebensmittel und wichtige Dinge in der Lebensmittelindustrie aufgedeckt.“

Mondolez appellierte demnach an die Verbraucherinnen und Verbraucher, sie sollten die Zutatenliste des Frischkäses untersuchen. Foodwatch kritisiert dabei, dass auch hier der vermeintlich enthaltene Ziegenkäse nicht angegeben sei, dies sei nur klein am Verpackungsrande notiert. Zu den Tuc Bake Rolls teilte Mondelez laut Foodwatch mit: „Die Gestaltung der Endverbraucherpreise liegt alleine beim Lebensmitteleinzelhandel beziehungsweise beim Onlinehändler.“ Intersnack begründete den höheren Zuckergehalt der Pom-Bär Ofen Minis mit dem abweichenden Herstellungsprozess, heißt es bei Foodwatch.

Frühere Negativ-Auszeichnungen gingen unter anderem an den Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) sowie das „Smart Water“ von Coca Cola (2018). 2021 erhielt der Kölner Lebensmittelkonzern Rewe den Negativ-Preis für Klimaneutral-Werbung auf seinem Hähnchenfleisch, die laut Foodwatch eine Verbrauchertäuschung war.

Die Abstimmung zum Goldenen Windbeutel läuft bis Ende Juni, bestätigte eine Foodwatch-Sprecherin auf Anfrage. Ein konkretes Datum konnten die Verbraucherschützer noch nicht nennen. (mab)

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