StilkolumneBitte liebe Männer, schafft euch endlich eine Tasche an!

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Smartphone in der Jeans Getty Images

Ein Smartphone gehört nicht in die Hosentasche, liebe Männer!

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Woche fragt sich Eva Reik, warum Männer es sich so kompliziert machen und keine Handtasche nutzen.

Köln – Männer könnten es so leicht haben. Stattdessen graben sie tief und tragen schwer. An Münzen, Scheinen, Schlüsseln, Zigaretten – an allem eben, was sie in vier Hosentaschen unterbringen können. Selbst wenn sie an der Frontseite nicht danach kramen, hängt bei den meisten wenigstens eine der hinteren Gesäßtaschen mit gefülltem Portemonnaie Richtung Kniekehle durch. Dabei liegt die Erleichterung so nahe: mit einer „Messenger Bag“, wie die moderne Ausgabe der ebenso lang wie intensiv belächelten Herrenhandtasche heute heißt.

Mit den lebensnotwendigen Utensilien befüllen, umhängen, losgehen. Im Nu wären die Männer ihrer Last an unguten Stellen ledig. Vorne wie hinten. Aber Männer tun sich nach wie vor schwer mit dem geschulterten oder diagonal getragenen Beutel.

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Modeexpertin Eva Reik

2019 war das Jahr, in dem die Kehrtwende in Sachen Herrenaccessoire eingeläutet werden sollte: Auf den internationalen Laufstegen wurden damals Messenger Bags gezeigt, und seither sind sie höchst angesagt – allerdings nur bei der Jugend. Jungs ab – sagen wir mal – zwölfeinhalb tragen sie mit Begeisterung. Für ihr Handy als ständiger Begleiter ist es der perfekte Platz, weil sich die Formate der Jackentaschen bisher leider nicht der immer größer werdenden Telefone angepasst haben. Diese Generation – und auch die etwas ältere – ist dankbare Abnehmerin der praktischen Täschchen, befüllt mit den Habseligkeiten, die für ein paar Stunden lebensentscheidend sind.

Ältere Männer verweigern die Messenger Bags

Auf jedem Weg nach draußen schultern Jungs ihre Messenger Bags so selbstverständlich, wie sie Schuhe anziehen, bevor sie durch die Tür gehen. Entweder tragen sie dabei große Designerlogos spazieren oder auch nur die Namen ihrer Lieblingssportausstatter. Je nach Zugehörigkeit und Habitus eben.

Die reifere Jugend hingegen, die eigentlich vollkommen selbstbewusst auch so einen Beutel tragen könnte, Männer ab etwa 45 also, tut sich dafür umso schwerer mit den Umhängetaschen. Vollkommen egal, ob aus Nylon oder mit Krokoprägung, an industriell anmutenden Gurten befestigt oder von ziselierten Schnallen zusammengehalten – Männer, die in den 1970er und 1980er Jahren sozialisiert wurden, stopfen weiter ihre Hosentaschen voll, bis Schlüssel und Feuerzeuge wirken wie schlimme Geschwüre am Oberschenkel.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Dabei haben diese Männer doch in der Regel viel mehr zu tragen als Sechstklässler. Aber sie sind nun mal in Sachen Herrentasche frühkindlich geschädigt: Ihre Väter trugen nur höchst selten lässige lederne Schultertaschen. Stattdessen ließen die meisten jene uncoolen rechteckigen Modelle samt Schlaufe am Handgelenk baumeln, die Haltung und Status demonstrieren sollten. Transportiert wurden darin vollständiges Pfeifenequipment und Autoschlüssel. Für Münzgeld, Stadtplan, Schnuller, Brillenetui, Pixie-Bücher waren die Gattinnen zuständig.

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Während für Frauen die Handtasche so alltagstauglich wie kultig ist und manche dafür Monatsgehälter hinlegen, ohne mit der Wimper zu zucken, befüllen Männer weiter die Taschen ihrer Slim-Fit-Hosen und riskieren Wirbelsäulenschäden, wenn die schwere Börse hinten durchhängt. Warum so schwerfällig? Wenn doch demnächst auch noch die rechteckige Schachtel mit Covid-19-Schnelltest zur Grundausstattung gehört, die stets am Mann sein muss.

Mal ehrlich: Die Herrenhandtasche, das jahrzehntelang bespöttelte Accessoire, ist die ideale Begleitung. Bleibt nur noch abzuwarten, wann sie sich durchsetzt. Es wäre die erste Mode, die kein Revival erlebt.

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