Die StilkolumneEine Kollegin fühlt sich mit „man“ nicht angesprochen, hat sie recht?

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Männer und Frauen Symbol Getty Images

Sind mit dem Wörtchen „man“ alle Menschen gemeint, oder nur Männer?

Köln – Eine Kollegin, die ich sehr schätze, sagt Dinge wie „So etwas tut mensch nicht“. Sie ist der Meinung, dass das Wörtchen „man“ mit dem Wort „Mann“ verwandt ist und fühlt sich deshalb davon nicht angesprochen. Ich bin allerdings der Meinung, dass das Wort „man“ vom lateinischen „manus“ für „Hand“ abstammt. Habe ich recht, oder tue ich meiner Kollegin unrecht, wenn ich es verwende?

Die Frage, ob wir das unbestimmte Pronomen „man“ verwenden sollten, wenn uns ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch wichtig ist, wird schon lange diskutiert. Eine einheitliche Position hat sich dabei bisher nicht herausgebildet. Zunächst: Es ist tatsächlich so, dass die Wörter „Mann“ und „man“ denselben Ursprung haben: das althochdeutsche „man“, das sowohl „Mensch“ als auch „erwachsener Mensch männlichen Geschlechts“ bedeuten konnte. Diese Doppeldeutigkeit findet sich bis heute in vielen indoeuropäischen Sprachen (z. B. bei „homme“ im Französischen oder „man“ im Englischen). Sie ist natürlich kein Zufall – der Mann wurde in den europäischen Gesellschaften damals und wird bisweilen auch heute noch selbstverständlich als Normalfall vorausgesetzt, wenn wir über Menschen reden.

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Anatol Stefanowitsch ist Sprachwissenschaftler

Dass wir im Deutschen zwischen dem männlichen „Mann“ und dem nicht auf ein Geschlecht festgelegten „Mensch“ unterscheiden, ist ein sprachgeschichtlicher Zufall. Das Wort „Mensch“ leitet sich vom Adjektiv „mennisc“ ab, das ursprünglich ebenso doppeldeutig war wie das dazugehörige Substantiv „man“, also sowohl „männlich“ als auch „menschlich“ heißen konnte. Erst im Laufe der Jahrhunderte nahm es dann seine heutige geschlechtsneutrale Bedeutung an.

Die Herleitung des Pronomens „man“ vom lateinischen „manus“ ist also eine Legende – ebenso übrigens, wie die in feministischen Kreisen anzutreffende Herleitung aus dem angeblichen sanskritischen Wort „man“, das sowohl „Mond“ als auch „Weisheit“ bedeute und sich auf die Mondgöttin bezogen habe.

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Wie sollten wir nun mit dieser sehr patriarchalen Herkunft des Pronomens „man“ umgehen? Wir könnten sie zum Anlass nehmen, die geschlechtsneutrale Verwendung des Wortes abzulehnen. Schon in den 1980er Jahren entstand aus der feministischen Sprachwissenschaft heraus die Idee, dem sprachgeschichtlich männlichen „man“ ein weibliches Indefinitpronomen „frau“ zur Seite zu stellen. Es hat sich zwar nicht flächendeckend durchgesetzt. Aber immerhin findet frau es heute im Duden.

„Wie geht’s?“

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In jüngerer Zeit ist das geschlechtsneutrale Indefinitpronomen „mensch“ hinzugekommen, das Ihre Kollegin verwendet. Im Duden sucht mensch das Wort noch vergeblich, aber das kann sich ja ändern. Wenn solche Neuschöpfungen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergingen, würde das zunächst die Ausdruckskraft der Sprache steigern: Wir könnten uns je nach Sachlage auf unbestimmte Gruppen männlichen, weiblichen oder nicht festgelegten Geschlechts beziehen.

Allerdings stellt sich die Frage, ob die Sprachgeschichte hier tatsächlich entscheidend ist. Bei Personenbezeichnungen wie „Sänger“, „Leser“ oder „Arzt“ wissen wir aus der psychologischen Forschung, dass sie männlich interpretiert werden, auch wenn sie manchmal geschlechtsneutral gemeint sind. Für das Pronomen „man“ gibt es solche Studien nicht. Es besteht also kein Grund, anzunehmen, dass wir bei einem Satz wie „So etwas tut man nicht“ tatsächlich vorrangig oder gar ausschließlich an Männer denken. Ich würde deshalb sagen, dass Sie das Wort ruhig weiterverwenden können. Allerdings bin ich ein Mann, man(n) sollte meine Meinung hier also mit einer gewissen Vorsicht genießen.

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