StilkolumneHandy auf dem Restaurant-Tisch – absolutes No-Go oder inzwischen okay?

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Das Handy ist Teil unseres Lebens geworden. Es geht einfach nicht mehr ohne: Auch nicht im Restaurant?

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Woche: Sterne-Gastronom Vincent Moissonnier erklärt, warum ein Verzicht auf das Handy im Restaurant ein Gewinn für alle ist.

Köln – Manchmal lege ich das Handy im Restaurant auf den Tisch, z.B. damit ich den Anruf des Babysitters nicht verpasse. Natürlich auf lautlos gestellt. Ist das trotzdem ein No-Go?

Das Handy ist Teil unseres Lebens geworden. Es geht einfach nicht mehr ohne. Das meine ich fast wörtlich: Manche Leute wirken so, als wären sie geradezu damit verwachsen. Auch bei uns im Restaurant ist da so: Der erste Griff vieler Gäste, nachdem sie ihre Garderobe abgelegt, sich gesetzt und einmal tief Luft geholt haben, geht – zum Handy. Früher hatten wir unsere kleinen, nur 60x60 Zentimeter großen Bistro-Tische zum Eindecken und zum Servieren des Essens für uns. Heute konkurrieren wir mit mindestens einem Handy – pro Person. Die Beistelltischchen, die bei uns eigentlich für Wein- und Wasserflaschen gedacht waren, sind längst zu einer weiteren Ablagemöglichkeit für das Handy umfunktioniert.

Es hat keinen Sinn, das zu beklagen. Zehn Jahre lang haben wir konsequent dagegen gehalten. Wir haben unseren Gästen bedeutet, dass die Benutzung von Handys im Lokal unerwünscht ist. Aber wir haben aufgegeben: Gegen die Übermacht des Handys kommen wir nicht an – und das nicht nur, weil die Gäste seit Corona die Speise- und Getränkekarten per QR-Code scannen können.

Stummschaltung ist im Sinne aller Gäste

Aber wir legen nach wie vor Wert auf die Stummschaltung oder den Vibrationsalarm. Das ist das Mindeste, was wir während des Aufenthalts im Restaurant erwarten. Und ich glaube, das ist im Sinne aller Gäste, weil es die Atmosphäre doch massiv verändert, wenn es dauernd irgendwo klingelt. Sie sagen in Ihrer Frage ja selbst, dass Sie Ihr Handy „natürlich auf lautlos“ stellen. Ich bin sicher, das entspricht dem Gefühl für Diskretion und Rücksichtnahme bei den allermeisten.

Ich sprach von der Übermacht des Handys. Ganz machtlos sind wir aber auch nicht: Wenn wir die Vorspeise oder den Hauptgang servieren, die bei uns auf mehreren kleinen Tellern angerichtet sind, dann beanspruchen wir natürlich genau den Platz auf dem Tisch, den wir für jede einzelne Komponente vorgesehen haben. Wenn aber dort nun gerade das Handy liegt: Pech gehabt! Oder anders gesagt: Die Gäste beeilen sich dann, ihr Handy wegzunehmen. Wirkungsvoll kann auch der dezente Hinweis sein, dass wir für Wasserschäden am Handy bei einem etwaigen Umkippen von Gläsern oder Flaschen nicht haften. Gäste mit Sinn für Humor verstehen die Botschaft.

Handy auf dem Tisch ist ein No-Go

Selbstverständlich ist der Kontakt zum Babysitter wichtig. Und auch sonst gibt es bestimmt viele Notwendigkeiten, die einen Verzicht aufs Handy – und sei es nur für zwei, drei Stunden – unmöglich machen. Aber man kann das Handy darauf programmieren, welche Anrufe oder Benachrichtigungen es meldet. Und man kann es problemlos in die Hosentasche stecken oder neben sich auf die Sitzbank legen. Insofern würde ich also tatsächlich sagen: Handy auf dem Tisch ist ein No-Go!

Das könnte Sie auch interessieren:

Dabei geht es mir letzten Endes nicht darum, irgendwelche Benimmregeln durchzusetzen oder die Leute zu erziehen oder. Ich glaube ganz einfach, der zeitweilige Verzicht ist für alle ein Gewinn. Andere Gäste im Lokal erwähnte ich schon. Aber auch dem Gespräch am Tisch tut es gut, wenn die Beteiligten einander mit ungeteilter Aufmerksamkeit zugewandt sind. Ich bin ja kein Psychologe und auch kein Paartherapeut. Aber wenn ich manchmal beobachte, wie sehr das Handy die Gäste mit Beschlag belegt, braucht es etwas, das uns vor der Versklavung durch das Handy schützen kann.

KStA abonnieren