Mails, Telefon, SmalltalkSo meistern Sie ständige Störungen im Job

Das Telefon klingelt und neue E-Mails kommen an: Ständige Unterbrechungen machen vielen Arbeitnehmern das Leben schwer.
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Das Telefon klingelt, die Kollegin quatscht, und eine dringende E-Mail muss beantwortet werden. Dabei gelang es doch gerade, eine wichtige Arbeitsaufgabe mit einer guten Idee zu lösen. Durch solche oder andere Ablenkungen bei der Arbeit kann ein guter Gedanke einfach verloren gehen. Das wusste bereits der geniale Physiker Albert Einstein, in dessen Haus es kein Telefon gab. Wer ihn erreichen wollte, musste beim Nachbarn anrufen und die Nachricht übermitteln lassen.
Für viele Arbeitnehmer gehören psychische Belastungen im Job durch Unterbrechungen zum Alltag, sagt Markus Schulte von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua). Er beruft sich dabei auf den Stressreport. Danach muss fast jeder zweite Angestellte (44 Prozent) seine Arbeit oft unterbrechen. Viele (60 Prozent) sind außerdem unter Druck, weil sie mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Für die Studie wurden die Angaben von fast 18.000 Arbeitnehmern ausgewertet.
Fehler passieren, Ziele werden nicht erreicht
Zu den typischen Arbeitsunterbrechungen gehören E-Mails, Telefonate, Gespräche mit Kollegen sowie streikende Technik - etwa ein nicht funktionierender Computer, erklärt Anja Baethge. Sie ist Psychologin und Autorin mehrerer Studien zum Thema Arbeitsunterbrechungen. Wenn die Konzentration erst einmal dahin ist, hat das meist Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Die Folge sei häufig, dass Fehler passieren oder Arbeitnehmer ihre Tagesziele nicht erreichen.
Hinzu kommt, dass die hohe psychische Belastung durch Unterbrechungen auf Dauer der Gesundheit schaden kann. „Das führt dazu, dass man in der Freizeit schlechter abschalten und sich erholen kann“, warnt Thomas Rigotti, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Mainz. Wer häufig und anhaltend psychischen Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, riskiere möglicherweise sogar Burn-out, eine Depression oder Herzerkrankungen.
Nicht nur bei Telefongesprächen, sondern auch im direkten Gespräch sollte jeder so leise wie möglich und nicht über die Köpfe anderer hinweg reden. Stehen Sie notfalls auf und gehen Sie kurz zum Kollegen hin. Auch sollte man beim Denken nicht laut vor sich hin sprechen, das lenkt andere ab.
Helfen können auch klare Absprachen im Team über Arbeitsphasen, in denen gestört werden darf. Dazu zählt wenn möglich ebenfalls eine Regelung über feste Telefon- und Gesprächszeiten, etwa mit Kunden.
Das Handy und alle akustischen Benachrichtigungen am Computer schaltet man besser auf lautlos. Lärmende Geräte wie Drucker etc. sollten möglichst aus dem Arbeitsbereich entfernt werden. Musik bitte nur per Kopfhörer hören!
Selbst wenn man gemeinsam am Schreibtisch vor einem Bildschirm sitzt, muss man dem anderen nicht unangenehm nahe kommen. Zudem sollte man Kollegen bei ihrer Arbeit nur bei dringenden Anliegen unterbrechen. Auch ständige Wanderungen zwischen den Arbeitsplätzen stören.
Eine Phonebox sowie ein Denk- bzw. Kommunikationsbereich im Großraumbüro sorgen für mehr Ruhe. Ausgedehnte (Privat-)Gespräche kann man auch im Pausenraum führen, private Telefonate erledigt man ebenfalls besser draußen.
Dem einen ist es im offenen Büro zu kalt und zugig, dem anderen zu warm und stickig. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa wird in Großraumbüros häufig über die Raumtemperatur gestritten. Gut ein Viertel der Befragten gab an, dass es um das Raumklima immer wieder Diskussionen gibt. Tipp: Lieber kurz und kräftig lüften statt die Fenster dauerhaft gekippt zu lassen, Kompromisse eingehen und Rücksicht auf erkältete Kollegen nehmen.
Doch nicht nur Unterbrechungen von außen belasten Berufstätige. Viele Angestellte machen Multitasking und versuchen, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, erläutert Rigotti. Doch diese selbst gewählte Arbeitsstrategie ist keine gute Idee. Das menschliche Gehirn schafft es nicht, mehrere Aufgaben parallel zu erledigen. Stattdessen springt es dauernd sehr schnell zwischen den verschiedenen Problemen hin und her. Das strengt auf Dauer sehr an - Arbeitnehmer reagieren zunehmend gestresst und gereizt.
Viele Betroffene wissen nicht, wie sie auftretenden Belastungen aktiv begegnen können und leiden teilweise sehr unter der Situation. Dennoch gibt es eine Reihe von Maßnahmen, um das Stresslevel am Arbeitsplatz zu reduzieren. Zunächst sollten Berufstätige sich darüber klar werden, welche Störungen am Arbeitsplatz sie am meisten stressen. Dann sollten sie sich Strategien überlegen, um in künftigen Situationen gewappnet zu sein.
„Es empfiehlt sich, die Bearbeitung der Unterbrechungen soweit hinauszuzögern, bis die unterbrochene Aufgabe möglichst beendet ist“, rät Baethge. Wenn dies nicht gelingt, ist es sinnvoll, einen Notizzettel zu schreiben, auf dem der letzte Gedanke oder Arbeitsschritt notiert wird, um das Gedächtnis zu entlasten. Multitasking, also das gleichzeitige Bearbeiten der Unterbrechung und der unterbrochenen Aufgabe, vermeiden Arbeitnehmer laut Baethge am besten ganz.
Störungsfreie Arbeitszeiten genau festlegen
Wichtig ist außerdem, Prioritäten zu setzen. Wer trotz Störung entscheiden kann, was zunächst wichtiger ist, behält besser die Kontrolle. Wie Arbeitnehmer im Team mit Unterbrechungen umgehen möchten, sollten sie am besten regelmäßig mit den Kollegen besprechen. Gut sei etwa, Zeiten festzulegen, in denen sie grundsätzlich nur im Notfall gestört werden dürfen, rät Baethge.
Besonders wichtig sind regelmäßige Pausen, um Belastungen durch häufige Unterbrechungen besser auszuhalten. Ideal sind kurze Pausen, die über den gesamten Arbeitstag verteilt sind, empfiehlt Baethge. Bewährte Entspannungstechniken wie Autogenes Training helfen beim Stressabbau. Informationsmaterial und Schulungen bieten die meisten Krankenkassen an. Auch der Betriebsarzt kann hier Hilfestellung geben.
Der Pausenanspruch ist häufig in der Betriebsvereinbarung festgelegt, sagt Nathalie Oberthür, Arbeitsrechtlerin in Köln. Fehlen Angaben, gelten die gesetzlichen Mindestansprüche. Die sehen vor, dass Arbeitnehmer bei mehr als sechs Arbeitsstunden pro Tag mindestens 30 Minuten Pause machen müssen. Bei mehr als neun Stunden am Tag stehen ihnen 45 Minuten zu.
Wann die Pausen genommen werden dürfen, legt der Chef fest, so Anwältin Oberthür. Die Pausen können außerdem auf 15-Minuten-Abschnitte aufgeteilt werden.
Laut Gesetz müssen Arbeitnehmer „nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit“ eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben. In bestimmten Branchen, etwa in Krankenhäusern oder Gaststätten, darf diese Ruhephase auf zehn Stunden verkürzt werden. Allerdings muss es dafür einen zeitlichen Ausgleich geben.
Das Arbeitszeitgesetz schützt nur Arbeitnehmer: Wer als Selbständiger sein eigenes Unternehmen führt oder als (echter) freier Mitarbeiter tätig ist, wird nicht von den Regeln des Arbeitszeitgesetzes erfasst. Er darf deshalb arbeiten, wann und solange er möchte.
Wer als Schüler länger als viereinhalb Stunden arbeitet, darf mindestens eine halbe Stunde Pause machen. Bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden stehen Schülern mindestens eine Stunde Pause zu.
Nach einem Arbeitstag mit zahlreichen Unterbrechungen ist es schließlich wichtig, sich am Feierabend gut zu erholen. So sind Beschäftigte den Belastungen am kommenden Tag eher gewachsen. Wer regelmäßig Sport treibt, sich seinen Hobbys widmet und ausreichend schläft, erhöht seine seelische Widerstandsfähigkeit und damit auch Leistungsvermögen und Zufriedenheit am Arbeitsplatz. So gewappnet, kann jeder aktiv etwas dafür tun, auch stressige Situationen am Arbeitsplatz ohne Gesundheitsgefährdung zu überstehen. Wie Einstein ohne Telefon zu arbeiten, wird leider in den wenigsten Fällen möglich sein. (dpa)
Chatten oder auf Facebook posten - am Computer lenken wir uns besonders gerne ab. Tipps und Tools, mit denen Sie sich besser konzentrieren können, stellen die Bildergalerien vor: