Mars, Miracoli und mehrWarum der Zoff zwischen Edeka und einem Lebensmittelgiganten eskaliert ist

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Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen.

Seit rund acht Monaten fehlen alle Mars-Produkte in Edeka-Regalen.

Seit Monaten zofft sich Edeka mit Mars um die Preise. Wie könnte der Streit ausgehen? Und wer sitzt hier am längeren Hebel?

Dass es bei Preisverhandlungen zwischen Händlern und ihren Lieferanten zu Reibereien kommt, ist kein neues Phänomen. Einen Zoff, wie den zwischen Edeka und Mars, haben allerdings selbst Branchenkenner selten erlebt. Seit inzwischen acht Monaten fehlen die Produkte des US‑Lebensmittelherstellers in den Regalen der Handelskette – wann die Schokoriegel und andere Produkte dort wieder verfügbar sein werden, ist ungewiss.

Grund für den Zoff ist eine geplante Preiserhöhung des Mars-Konzerns. Der verweist auf die Inflation: Durch teurere Rohstoffe wie Fett, Zucker, Kakao oder Fleisch sieht sich das Unternehmen nach eigenen Angaben gezwungen, die Preise zu erhöhen. Edeka will das offenbar nicht glauben: Die Handelskette wirft dem Lebensmittel­hersteller „ungerechtfertigte und überzogene Preiserhöhungen“ vor. „Die können wir im Sinne unserer Kundinnen und Kunden so nicht akzeptieren“, heißt es vom Unternehmen.

Die Konsequenz: Schon Anfang August vergangenen Jahres hatte Mars die Belieferung der gesamten Edeka-Gruppe, wozu auch Netto und Marktkauf gehören, gestoppt, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Offiziell bekannt geworden war der Lieferstopp erst im Oktober. Neben dem gleichnamigen Schokoriegel fehlen in den Regalen seither auch Mars-Produkte wie die Miracoli-Nudeln, die Riegel Snickers oder Twix, Kaugummi von Wrigley oder Airwaves sowie Tierfutter von Whiskas und Frolic.

Edeka und Co.: Jahresgespräche legen Preise fest

Grundsätzlich, so erklärt Thomas Roeb, Professor für Marketing und Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, werden die Preise für Produkte zwischen Händlern und ihren Lieferanten in einem jährlichen Gespräch ausgehandelt. Dabei gehe es nicht nur um den Preis eines bestimmten Markenartikels, sondern auch um viele weitere Faktoren.

„Zum Beispiel gibt der Markenartikel­hersteller dem Händler Geld dafür, dass dieser ihm mehr oder einen besseren Platz im Regal einräumt“, so Roeb gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Auch die Beteiligung an Werbekosten wird verhandelt – etwa wenn ein Produkt in einem Händlerprospekt abgedruckt oder eine Promotion-Aktion im Geschäft durchgeführt wird. Gegenstand der Verhandlungen sei auch, wie schnell der Händler zahlen muss – generell sei sein Interesse, dies möglichst spät zu tun, sagt Roeb.

Die Verhandlungen beziehen sich in der Regel nicht nur auf ein Produkt, sondern auf das gesamte Produkt­portfolio eines Lebensmittelherstellers. Darunter fallen auch unbekanntere Produkte, die der Hersteller an den Mann oder die Frau bringen möchte – an denen der Händler aber nicht zwangsläufig ein Interesse hat. Und: Die Konditionsverhandlungen können schon mal mehrere Monate dauern – insbesondere wenn es sich um Hersteller von Markenprodukten handelt.

Diese Verhandlungen liefen äußerst unterschiedlich ab, erklärt Roeb. Fordert ein kleinerer Hersteller etwa wegen der Inflation höhere Preise ein, dann könne es gut sein, dass der Händler nachgibt – etwa um das Unternehmen vor der Pleite zu bewahren. Bei Großkonzernen wie Nestlé oder Mars allerdings, hätten die Händler in der Regel „wenig Mitleid“, sagt Roeb.

Edekas Streit mit Mars eskaliert

Und manchmal, wie im aktuellen Fall, kommt es zur Eskalation. Die Fronten zwischen Edeka und Mars sind offenbar derart verhärtet, dass Edeka die rund 450 Produkte des Konzerns für das ganze Jahr aus der Planung genommen hat – das berichtet die „Lebensmittelzeitung“. Dabei gehe es um einen Verkaufswert von 300 Millionen Euro. Die Lücken in den Regalen würden dann anderweitig gefüllt – etwa durch alternative Marken oder günstigere Eigenmarken.

In den sozialen Netzwerken inszeniert die Handelskette den Streit derweil öffentlichkeitswirksam – und erklärt sich zum Anwalt der Kundinnen und Kunden. Der Discounter Netto nennt die Preiserhöhung von Mars „Mondpreise“. Edeka schreibt auf Facebook: „Dass Ihr uns nicht mehr beliefert, ist okay, denn für abgehobene Preise haben wir keinen Platz im Regal!“ Gleichzeitig wirbt die Kette für seine Eigenmarken: „Tschüss Miracoli. Hallo Delverde.“, heißt es da etwa.

Auch bei anderen Händlern, etwa Rewe oder Aldi Süd, war es wegen der Preisforderungen zuletzt zu Liefer­stopps gekommen – allerdings wurden die Parteien zügig miteinander einig. Edeka ist bislang mit ihren Märkten die einzige Handelskette, in deren Regalen die Mars-Produkte flächendeckend fehlen.

Edeka gegen Mars: Alles liegt in der Hand der Kunden

Wo führt das noch hin? Und wie könnte dieser Streit enden? Es sei alles eine Frage, wer am längeren Hebel sitze, erklärt Experte Thomas Roeb. „Ich glaube, dass der Streit mit Mars für Edeka eine Art Experiment ist.“ Die Supermarktkette teste vermutlich, wie die Kundinnen und Kunden reagieren, wenn ein Markenartikel aus dem Regal verschwindet. „Gerade von bekannten Schokoriegeln gibt es seit Jahrzehnten Eigenmarken­kopien, die den Markenartikeln zum Verwechseln ähnlich sind.“

Eine große Frage sei daher auch, ob die Kundinnen und Kunden mitspielen. Also: Ob sie zwingend einen Mars-Riegel kaufen wollen – oder ob für sie auch der Eigenmarkenartikel reicht. Roeb allerdings hat eine Vermutung: „Wenn sich der Streit schon über Monate hinzieht, dann scheint es Edeka nicht sonderlich wehgetan zu haben, dass Mars-Artikel im Regal fehlen.“ Denkbar wäre also, dass der Schokoriegelkonzern am Ende den Kürzeren zieht.

Beispiele aus der Vergangenheit haben gezeigt: Meistens läuft ein Handelszoff früher oder später auf eine Einigung hinaus. Große Marken sind von den Händlern ebenso abhängig wie die Händler von den Marken. Fehlt etwa ein beliebtes Produkt in den Regalen, für das es keine echte Alternative gibt, so schadet dies auch der Supermarktkette.

Einigung mit Pepsi und Granini

Ein Beispiel dafür ist Coca-Cola. Edeka war zuletzt juristisch gegen den Brausekonzern vorgegangen, weil dieser die Belieferung der Kette eingestellt hatte. Edeka selbst hatte zuvor Forderungen nach höheren Preisen zurückgewiesen. Das Landgericht Hamburg kippte schließlich die einstweilige Verfügung – Coca-Cola ging als Gewinner hervor. Wie der Branchenkenner Christoph Treiber dem „Handelsblatt“ sagt, zähle Coca-Cola zu den Spitzenmarken, die für Händler unersetzbar seien.

Zuletzt hatte sich Edeka mit dem Brausehersteller Pepsico gezofft, der unter anderem die Pepsi-Cola und den Energydrink Rockstar herstellt und 30 Cent mehr für seine Produkte verlangte. Im Mai vergangenen Jahres kehrten die Produkte aber in die Regale zurück – offenbar nach einer Einigung beider Parteien.

Auch einen Streit mit dem Safthersteller Eckes-Granini legte Edeka bei. Mehr als ein Jahr lang waren Fruchtsäfte der Marken Hohes C und Granini nicht in den Regalen von Edeka und seiner Tochter Netto zu finden. Im Sommer des vergangenen Jahres teilte der Safthersteller schließlich mit, man habe eine Lösung gefunden – zu den Details der Verträge äußerte man sich nicht.

Mars hat noch Hoffnung

Der Preiskampf in der Branche ist derweil kein Edeka-Phänomen: Bei Rewe fehlten im vergangenen Jahr Jacobs Kaffee, Kellogg’s Cornflakes, Frolic und Whiskas in den Regalen, bei Kaufland verschwand Schokolade von Ritter Sport. Und Pepsi wurde zeitweise bei Aldi Nord aus dem Sortiment genommen. Auch hier konnte in den meisten Fällen offenbar eine Einigung zwischen Händler und Hersteller erzielt werden.

Im Streit zwischen Mars und Edeka zeigt sich zumindest der Schokoladenhersteller noch optimistisch. „Unser Fokus bleibt, gemeinsam eine Lösung zu finden, sodass unsere beliebten Produkte bald wieder in den Edeka-Regalen zu finden sind“, so Carsten Simon, Deutschlandchef von Mars Wrigley, dem „Handelsblatt“.

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