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Wohnen in KölnWohnung verzweifelt gesucht

Lesezeit 6 Minuten

Viele Kölner suchen auch mit Hilfe von Zetteln im Stadtgebiet. Die Konkurrenz ist groß, nicht immer geht es fair zu: Oft werden Zettel abgerissen.

Köln – Zettelkrieg in Ehrenfeld: An den Masten der Straßenlaternen hängen die Wunschzettel der Wohnungssuchenden, bis ein Konkurrent sie entfernt. „Wir sind gewarnt worden“, sagt Kristin Kaiser. „Tatsächlich werden die Zettel immer wieder abgerissen.“

70 bis 90 Quadratmeter für 1000 Euro inklusive Nebenkosten in Ehrenfeld sucht das „nette Paar in Festanstellung“, wie sich Kaiser und ihr Freund Elias Eilbauer auf dem Zettel nennen. So was hätten viele gerne – und so etwas ist in In-Vierteln wie Ehrenfeld eigentlich ohne Beziehungen zu Hausbesitzern, die nicht auf maximale Rendite aus sind, kaum noch zu haben.

Da helfen auch 400 Euro Vermittlungsprämie und „fachgerechte Renovierungsarbeiten“ nicht, die die beiden anbieten. Das Paar aus Neuehrenfeld würde gerne in dem Viertel bleiben.

Auch Hilke Lamers und Carsten Schlebusch wären gern in Neuehrenfeld geblieben. Das Paar mit zwei Söhnen hat nach einer Wohnung mit zwei Kinder- und einem Arbeitszimmer gesucht. „Aber so etwas gibt es nicht auf dem Markt“, sagt der 38-Jährige.

Nach Monaten der Wohnungssuche sei ihm klar, dass sich „Dinge, die man sich wünscht, in Köln nicht verwirklichen lassen“. Lamers und Schlebusch haben ihre Ansprüche gesenkt. Im September werden sie in ein Haus in Bilderstöckchen ziehen: 123 Quadratmeter Reihenhaus mit kleinem Garten in einem Ort, bei dem vor zwanzig Jahren kaum einer dachte, dass man hier Geld mit Immobilien verdienen könnte.

Hier wohnten Angehörige des belgischen Militärs. Als sie gingen, lockte man Interessierte mit Förderungen und Subventionen. 2005 war es schon möglich, die maroden Häuser für 160 000 Euro zu versteigern, wie ein künftiger Nachbar von Schlebusch erzählt.

Über 90 000 Euro Renovierungskosten kamen dazu, um rund 120 Quadratmeter bewohnen zu können – macht insgesamt rund 250 000 Euro. Von so einem Preis können Schlebusch und Lamers heute träumen.

300 000 Euro müssen sie bezahlen – ohne Bodenbeläge, Tapeten, Küche oder Maklergebühren. Es wäre noch teurer gegangen: Der Bauträger konnte für Häuser, die nur ein paar Quadratmeter größer sein werden, fast 400 000 Euro nehmen.

Unglaubliche Belastungen

Trotz günstiger Kreditzinsen bedeuten solche Summen für fast jede Familie unglaubliche Belastungen. Bei 50000 Euro Eigenkapital müsste eine Familie 30 Jahre lang 1600 Euro pro Monat abzahlen, um ein 400 000-Euro-Eigenheim zu bezahlen. Wer an attraktiveren Orten baut, zahlt mehr. Die jungen Familien zahlen dann auch für jahrelange Versäumnisse der Kölner Wohnungsbaupolitik – und für die Attraktivität Kölns.

Weil viele suchen und es sowohl im preiswerten wie auch im mittleren Segment nur wenige Angebote gibt, muss man sehr viel Geld fürs Wohnen ausgeben.

Für manchen scheint kein Platz mehr in der Stadt – so für Kai Ina und Lutz Löschmann. Mit zwei Kindern wurde auch ihre Suche immer schwerer. Sie verdienen gut, „aber nicht genug, um bei den explodierenden Wohnungspreisen mitzuhalten“.

Das Paar weiß über den Kölner Wohnungsmarkt nach über dreijähriger Suche ziemlich gut Bescheid: Sie kennen die jungen Familien, die sich zu Baugruppen zusammengeschlossen haben, um auf dem Clouth-Gelände oder dem Sülzer Kinderheim-Gelände zu bauen, sie kennen die Grundstückspreise in den Stadtteilen. Jetzt überlegen sie, ein kleines Reihenhaus aus den 1960er Jahren mit Garten in Refrath zu kaufen.

80 Quadratmeter Wohnfläche plus Kellerräume und ausgebautes Dach, dazu ein hübscher Garten kosten unter 250 000 Euro. Das sei weniger als eine 110-Quadratmeter-Wohnung in Nippes, so Löschmann. „Man muss Kompromisse machen.“ Refrath sei ein hübscher Ort im Grünen, mit der Bahn sei man in 20 Minuten am Neumarkt.

Mindestens 4000 zusätzliche Wohnungen bräuchte die Stadt pro Jahr, heißt es in der Stadtverwaltung. Diese Zahl wurde im Jahr 2000 einmal fast erreicht. In den darauffolgenden zwölf Jahren waren es nur zweimal über 3000 Wohnungen. 2011 wurden nur noch 2669 Wohnungen fertiggestellt. 814 davon waren Ein- oder Zweifamilienhäuser, knapp 1550 in Mehrfamilienhäusern. Der Rest waren Wohneinheiten in Wohnheimen.

Die Zahlen für 2012 liegen noch nicht vor, doch ein Blick auf die Bilanz der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG lässt vermuten, dass es nicht viel besser geworden ist. Nur 354 Wohnungen hat die GAG neu gebaut. 110 davon waren im geförderten Wohnungsbau. Die Bilanz wird noch magerer, wenn man in die Rechnung einbezieht, dass jedes Jahr auch Wohnungen durch Abriss, Sanierungen oder Umwandlungen wegfallen. 335 Wohnungen hat die GAG 2012 abgerissen, um an Ort und Stelle neu zu bauen – macht ein mageres Plus von 19 zusätzliche Wohnungen, die die städtischen Wohnungsbaugesellschaft als Beitrag gegen die Wohnungsnot in Köln zur Verfügung stellen konnte.

Den Schwarzen Peter geben Investoren und Wohnungsbaugesellschaft an Stadt und Politik: Es würden zu wenig Grundstücke bereitgestellt, es fehle an großen neuen Baugebieten. Dort, wo gebaut wird, wird groß gebaut. Mittlerweile liegt die Durchschnittsgröße bei Neubauwohnungen bei fast 109 Quadratmetern. Im Jahr 2000 waren es noch knapp 84 Quadratmeter. Weil vor allem große Wohnungen und Häuser gebaut werden, wird die Lage für Studenten und andere Alleinstehende mit geringerem Einkommen noch schwieriger als für diejenigen mit etwas mehr finanziellem Spielraum.

Jürgen Becher, Geschäftsführer des Kölner Mietervereins, spricht von einem „enormen Engpass“. Die Stadt müsse neue Wohnflächen in Citynähe erschließen und den Ratsbeschluss, für sämtliche Neubauflächen ein Drittel geförderte Wohnungen anzubieten, mit Leben füllen. „Knapp die Hälfte der Kölner hat Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein“, sagt Becher. „Dem muss die Stadt Rechnung tragen.“

Mangel bei den Sozialwohnungen

Auch Nina und Bülent Basakoglu bemühen sich um einen Wohnberechtigungsschein. Nina Basakoglu ist im siebten Monat schwanger, ihre Wohnung in Nippes hat die Familie, die schon einen fünfjährigen Sohn hat, zum 31. März gekündigt – ohne eine neue zu haben.

„Über uns werden Sanierungsarbeiten durchgeführt, da können wir mit zwei Kindern nicht gut leben“, sagt die junge Frau. Der Vermieter hat der Familie in Aussicht gestellt, ein wenig länger bleiben zu können. 1100 Euro für vier warme Zimmer wollen die Basakoglus ausgeben. Wenn sie in den nächsten Wochen nichts finden, werden sie das Budget „notgedrungen etwas erhöhen“ – das kann längst nicht jeder.

Mit einem Wohnberechtigungsschein könnten sie in eine Wohnung einziehen, deren Bau gefördert wurde – die Wohnungen sind deshalb an niedrige Mieten gebunden. Von diesen Sozialwohnungen gibt es rund 41 000 in Köln.

Das reicht nicht annähernd, um die Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften zu versorgen. Hier rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit doppelt. Die Stadt muss nämlich die Unterbringungskosten mitbezahlen – eine teure Belastung, wenn die Menschen in normalen Wohnungen wohnen.

Der Mangel bei den Sozialwohnungen erhöht den Druck auf den gesamten Wohnungsmarkt. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. In Köln wie auch in der näheren Umgebung habe man „starke Preissteigerungen“ festgestellt, sagt Guido Stracke, Chef der Immobilientochter der Kreissparkasse. Natürlich gebe es quartiersabhängige Unterschiede, aber die Tendenz werde sich fortsetzen. Darüber freuen sich Eigentümer, die Wohnungen vermieten.

Andere Menschen werden negative Folgen spüren – manchmal auch diejenigen, die gar nicht umziehen wollen und mit dem glücklich sind, was sie haben. Wenn Mieten und Kaufpreise steigen und dabei immer mehr Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt werden, drohen Mieterhöhungen für viele und eine unter Umständen deutliche Veränderung des Umfelds. Ohne Neubauten wird sich an der angespannten Lage nichts ändern.