ChefwechselChemische Kampfzone

Der Sitz des Spezialchemiekonzerns Lanxess in Köln.
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Der 20. Februar 2014 kann kein schöner Tag gewesen sein im Leben des Axel Claus Heitmann. Nur einen knappen Monat zuvor war der Manager noch Vorstandschef der Lanxess AG – an diesem Donnerstag im Februar sieht er, der früher gefeierte Firmenlenker, sich nun von seinem Ex-Arbeitgeber massiv bedrängt.
„Zur Bewahrung des guten Rufs unterschrieben”
Nach Darstellung von Heitmanns Anwälten macht Dr. Jochen Schroer, Leiter der Rechtsabteilung von Lanxess, seinem Ex-Chef ein Angebot, zu dem dieser kaum Nein sagen kann: Entweder Heitmann gebe ein Fehlverhalten im Zusammenhang mit Umbauarbeiten an seinem Haus zu und verzichte auf seine kurz zuvor vereinbarte Abfindung von rund 8,5 Millionen Euro. Oder das Präsidium des Aufsichtsrats werde noch an diesem Abend Heitmanns fristlose Kündigung beschließen, inklusive der dann erforderlichen Information an die Finanzmärkte.
Zur Bewahrung seines guten Rufs habe Heitmann schließlich unterschrieben. Die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, seien jedoch grundfalsch. In zwei Stellungnahmen kommen die Anwälte Axel Bauer sowie die Kanzlei Feigen Graf zu dem Urteil, Heitmann habe sich in keiner Weise juristisch etwas zuschulden kommen lassen.
Strittige Summe: 428.505,61 Euro
Gemessen an der Abfindung geht es um einen kleinen Betrag. Exakt 428 505,61 Euro beträgt nach der Stellungnahme der Kanzlei Feigen Graf, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, die Summe, die zwischen Lanxess und Heitmann strittig ist. Sie entstand durch einen Umzug: Der Konzernchef habe den Kindern zuliebe den Familienwohnsitz 2011 von Mülheim an der Ruhr nach Hamburg verlegt, heißt es dort. So wie das Haus in Mülheim wurde auch das Hamburger Domizil sicherheitstechnisch für den Top-Manager aufgerüstet – so weit sind sich die Parteien einig.
Doch Lanxess wirft Heitmann vor, eigenmächtig gehandelt und vor allem keine Zustimmung des Aufsichtsrats eingeholt zu haben. Zudem habe der Manager nicht nur Kosten für Sicherheitsausstattung, sondern auch allgemeine Kosten für neue Fenster und Türen vom Konzern begleichen lassen. Heitmanns Anwälte verweisen auf die ausführende Firma. Diese habe die Kosten klar aufgeschlüsselt - nur der Sicherheitsanteil sei dem Konzern in Rechnung gestellt worden. Lanxess hält dagegen: Die Kosten seien viel höher ausgefallen als bei der Umrüstung des Hauses in Mülheim.
Fest steht: Noch am selben Tag, als Heitmann und seinen Anwälten nach ihren Angaben das unmissverständliche Angebot durch Konzernjurist Schroer gemacht wird, kommt der Aufsichtsrat zu einer außerordentlichen Sondersitzung zusammen. Einziges Thema nach Konzernangaben: „eine Änderung der Ausscheidensvereinbarung mit Herrn Heitmann“. Nachdem der Ex-Chef unterschrieben hat, schließen die Aufseher die Akte Heitmann.
Aber nicht so ganz: Vor rund einer Woche bemerkt man in Heitmanns Umfeld, dass Journalisten des „Manager Magazin“ den Fall recherchieren. In ihrer aktuellen Ausgabe beschreiben sie den Fall. Dabei stützen sie sich unter anderem auf ein Papier der Kanzlei Hengeler Mueller, das angeblich das Fehlverhalten Heitmanns belegen soll. Brisant. Das Gutachten haben nach Angaben von Heitmanns Anwälten weder sie noch Heitmann je erhalten oder einsehen dürfen.
Lanxess kommentiert nicht
Von Lanxess heißt es nur, es handele sich „vermutlich um ein Arbeitspapier von Hengeler Mueller, das wir nicht kommentieren“. Wie das zentrale Dokument der Ankläger Heitmanns in die Öffentlichkeit gelangen konnte – kein Kommentar. Auch zu den Vorwürfen, der Manager sei unter Druck gesetzt worden – kein Kommentar.
Das mühsam bewahrte Schweigen ist damit jedoch dahin. Heitmann hat auf die Abfindung verzichtet, dennoch wurde die Sache öffentlich. Für Heitmanns Anwälte ist die Sache klar: Mit dem Bruch der Vertraulichkeit sehen sie ihre Möglichkeit gekommen, den millionenschweren Verzicht zu korrigieren. Axel Bauer kündigt in einer Stellungnahme an seinen Mandanten an: „Zur Frage, ob Sie die Vereinbarung in Frage stellen können, insbesondere nachdem offensichtlich ein Mitglied des Aufsichtsrats seine Verschwiegenheitsverpflichtung verletzt hat, werde ich gesondert Stellung nehmen.“
Anders gesagt: Heitmann könnte bald per Klage versuchen, die Ereignisse des 20. Februar zu korrigieren. Seinen Ex-Konzern lässt das kalt: „Wir gehen davon aus, dass Herr Heitmann anwaltlich gut beraten ist. Einer möglichen Klage sehen wir gelassen entgegen.“
Der Spezialchemiekonzern Lanxess befindet sich seit längerem in unruhigem Fahrwasser. Dabei ging es bisher jedoch weniger um interne Querelen, sondern um die starke Abhängigkeit vor allem von der Automobilindustrie. Axel Heitmann hatte den Konzern, eine Ausgründung der Bayer AG, stark auf Synthese-Kautschuk konzentriert. Dadurch wurde das Unternehmen vor allem von der lahmenden Kfz-Branche mit in die roten Zahlen gezogen.
Auch im neuen Geschäftsjahr rechnet der Konzern nicht mit einer schnellen Besserung. Die Marktsituation für das Kernprodukt synthetischen Kautschuk bleibe „herausfordernd“, teilte Lanxess am Donnerstag mit. Für das erste Quartal sei ein Betriebsergebnis (Ebitda) in Höhe von rund 200 Millionen Euro zu erwarten nach 174 Millionen Euro im Vorjahresquartal. Für das Gesamtjahr rechnet Lanxess nur mit einem leicht verbesserten Betriebsergebnis. Die Dividende soll auf 50 Cent halbiert werden.
Der Chefwechsel zu Heitmanns Nachfolger steht unmittelbar bevor. Vom 1. April an wird der einzige Kölner Dax-Konzern von seinem ehemaligen Finanzchef Matthias Zachert geführt. Er leitet bisher noch die Finanzen beim Pharma- und Chemiekonzern Merck. Ende Februar hatte der Konzern bereits Eckdaten veröffentlicht, die jetzt bestätigt wurden. Danach haben hohe Abschreibungen im Kautschukgeschäft die Kölner 2013 mit 159 Millionen Euro in die Verlustzone gedrückt. Ein Jahr zuvor hatte der Konzern noch einen Gewinn von 508 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Investitionen sollen im laufenden Jahr stabil bleiben. Ab 2015 wird dann insgesamt deutlich weniger als bisher investiert. (jöw, dpa)