Galopp"Man kann nicht alles kaufen"

Novellist (l.) gewinnt im September mit Jockey Eduardo Pedroza den Großen Preis von Baden.
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Herr Dr. Berglar, Sie züchten schon seit 1990 Galopp-Pferde. Novellist, der am Sonntag einer der Favoriten beim Prix de l’Arc in Paris ist, muss Ihnen wie ein Geschenk des Himmels erscheinen ...Christoph Berglar: Es hat sich entwickelt. Seine Urgroßmutter Narola war das erste Rennpferd, das ich hatte. Sie ist Jahrgang 1989 und lebt noch, sie steht im Bergischen Land bei einem Bauern auf der Weide und genießt den Tag. Sie hatte 13 Fohlen, eines davon war die Großmutter von Novellist.
Wann haben sie gemerkt, dass Novellist ein besonderes Pferd ist?Berglar: Wir hatten immer eine sehr gute Meinung von ihm, weil er vor allem charakterlich ein tolles Pferd ist. Er ist nicht sehr groß, aber sehr stark, ein bulliger Typ, trotzdem elegant. Und er ist überdurchschnittlich intelligent. Das merkt man an seinem Verhalten. Er wusste auf der Rennbahn von Anfang an, worum es ging.
Dr. Christoph Berglar (63), verheiratet, sechs Kinder, ist ein Kölner Unternehmer, Züchter von Galopp-Pferden und Besitzer eines Gestüts in Kentucky; der Hengst Novellist wird in Dinslaken von Andreas Wöhler trainiert. (ksta)
Er versteht, dass er vor den anderen ins Ziel kommen muss?Berglar: Ja, ja, er will das. All seine Siege waren – mit einer Ausnahme – leicht und locker. Nur beim Preis der Unternehmer in Baden Baden Anfang des Jahres war es knapp, aber das war vom Trainer auch so gewollt. Er hat ihn bewusst weniger machen lassen, um die Form später ansteigen zu lassen. Sie können nicht permanent Höchstform bringen.
Das Derby 2012 hat Novellist noch gegen Pastorius verloren – was ist danach geschehen?Berglar: Er war damals nicht fit, es war ein Wunder, dass er überhaupt Zweiter wurde. Novellist hatte eine Verschleimung, die zunächst wie eine Erkältung behandelt wurde. Wie sich später herausstellte, war es aber eine Allergie. Sein Futter wurde umgestellt, und er bekam homöopathische Mittel, das half. Seit es ihm wieder gut geht, hat er all seine Rennen gewonnen. Er ist eine Kämpfernatur, ein dominantes Pferd.
Der Prix de l’Arc de Triomphe (Sonntag, 16.15 Uhr; das ZDF zeigt ab 17.10 Uhr in der Sportreportage eine Zusammenfassung) ist das renommierteste Galopprennen der Welt. Die mit 4,5 Millionen dotierte Veranstaltung im Bois de Boulogne gewannen bisher zwei deutsche Pferde: Star Appeal 1975 und Danedream 2011. (ksta)
Mit Allüren?Berglar: Alle außergewöhnlichen Lebewesen haben ihre Eigenheiten, sie sind nicht mit dem normalen Maß zu messen. Novellist merkt natürlich, dass er eine Sonderrolle spielt. Es kann nicht jeder zu ihm in die Box gehen, es kann passieren, dass er sich den packt. Er ist sehr unter Spannung, nicht aggressiv, nur sehr dominant.
In Paris wird Novellist nicht von seinem Stalljockey Eduardo Pedroza geritten, sondern von dem Star Johnny Murtagh. Ist die Umstellung problematisch?Berglar: Er kennt Murtagh aus Ascot, wo sie zusammen gewonnen haben. Murtagh ist ein Weltklasse-Jockey. Einen wie ihn braucht man, wenn man, im übertragenen Sinn, den Mount Everest besteigen will. Murtagh hat nicht nur den Prix de l’Arc schon gewonnen, sondern alle großen Rennen in Frankreich. Da geht es zur Sache, da braucht man jemanden mit Erfahrung.
Novellist braucht ein schnelles Rennen, um zu gewinnen...Berglar: Je schneller, desto besser. In schnellen Rennen kann Novellist seine Stärke ausspielen. In einem langsamen Rennen ist er zu eifrig, er lässt dann unterwegs zu viel Energie, denn er muss gehalten und gebremst werden, das kostet natürlich Kraft.
Sind Sie sehr aufgeregt vor dem großen Rennen in Paris?Berglar: Die Aufregung wird kommen. Für mich schließt sich ein Kreis, es hat – wie gesagt – alles vor 23 Jahren angefangen mit Narola. So etwas gibt es sehr selten, dass man eine Pferde-Zuchtlinie mit der Urgroßmutter begründet und dann drei Generationen später eine goldene Ernte einfährt.
Wie viel Geld wurde Ihnen nach dem Sieg in Ascot für Novellist geboten?Berglar: Sehr viel Geld, man hätte schwach werden können. Ich wollte aber nicht das Signal geben, dass alles zu kaufen ist. Ich halte das für eine generell ungesunde Entwicklung in der Gesellschaft, diese Kommerzialisierung von allem. Außerdem hatte sich der Kreis noch nicht geschlossen, das wird am Sonntagnachmittag nach dem Rennen in Paris so weit sein. Novellist hat einen Wert als Deckhengst, und da wird er uns finanziell ab nächstem Jahr sicher auch Freude machen. Dieses Geld wird in die Zucht reinvestiert.
Novellist ist der zweite, große deutsche Star der jüngeren Zeit nach der Stute Danedream. Haben Sie das Gefühl, dass diese Pferde den Galoppsport voran gebracht haben?Berglar: Ja, man kann es an zwei Dingen festmachen: Es ist deutlich vermehrtes Interesse der Medien da. Und bei der Auktion in Baden-Baden im September, bei der die vermeintlich besten deutschen Jährlinge angeboten werden, bestand ein viel größeres internationales Interesse als in der Vergangenheit. Bei Danedream dachte man noch, es könnte ein Ausreißer nach oben sein. Aber als dann Novellist gleich danach kam, sagte man: Wir müssen es uns mal genauer anschauen, was die Deutschen da machen. Die Baden Badener Auktionsgesellschaft war sehr zufrieden, Novellist hat ihnen mehrere Millionen in die Kassen gespült. Er hat den deutschen Züchtern enorm geholfen, die Einkäufer haben plötzlich auf alte, deutsche Mutterlinien geachtet – die Danedream übrigens nicht hat, ihre Mutterlinie ist irisch.
Das Gespräch führte Christiane Mitatselis