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„GirlCrew”Wie junge Frauen Tinder für ihre Zwecke nutzen

Lesezeit 3 Minuten

Die Dating-App Tinder lässt sich für verschiedenste Zwecke einsezten.

Berlin – Tina war neu in Berlin und kannte niemanden. Aber die 28-Jährige wünschte sich Anschluss und begann deshalb zu tindern. Die ehemalige Hamburgerin wollte in erster Linie nette Leute in der Hauptstadt kennen lernen, Berlin entdecken und Anlaufstellen finden.

Tinder hat in Deutschland mittlerweile mehr als zwei Millionen Nutzer. Hier kann man schnell und unkompliziert Kontakte knüpfen. Viele erhoffen sich von der Dating-App aber auch, die große Liebe kennenzulernen. Oder, weniger romantisch, einfach nur Sex. Und weil Liebe und Sex schnell Aufmerksamkeit erzeugen, ist Tinder auch als Werbeplattform attraktiv.

Das kann originell sein, wie im Falle des Kinofilms „Ex Machina“, bei dem die Macher ein Tinder-Profil analog zur Protagonistin erstellt haben. Oder völlig plump, wie bei Schein-Nymphomaninnen, die mit schnellen und unverbindlichem Sex locken, vorausgesetzt der Mann registriert sich zuvor auf irgendwelchen dubiosen Plattformen. In beiden Fällen werden aber Fake-Profile für einen ausschließlich kommerziellen Zweck genutzt.

Erfolg mit Fake-Profil

Bei Tinas Tinder-Versuchen waren die netten Berliner Männer in der Unterzahl. Die meisten, mit denen Tina chattete, wollten über kurz oder lang nur mit ihr ins Bett.

Tina hat mittlerweile trotzdem Kontakte in Berlin geknüpft. Durch Tinder. Durch ein Fake-Profil. Eines Tages verbarg sich hinter einem scheinbar netten Typen eine junge Frau, die sie auf die „GirlCrew Berlin” aufmerksam machte, eine private Facebook-Gruppe in Berlin, in die ausschließlich Frauen eingeladen werden.

Die meisten von ihnen sind zwischen 25 und 35 Jahren alt. „In den Gruppen herrscht eine Art kontrolliertes Chaos”, sagt Elva Carri. Sie hat die Gruppe gegründet. „Wer etwas unternehmen möchte, aber weder die Stadt noch Leute kennt, findet dort Mitstreiterinnen.” Egal, ob Kino, Ausstellungen, Konzerte, Tanzen oder einfach nur ein Kaffee: Die Frauen posten gruppenintern ihre Abendpläne, und in der Regel findet sich dann schnell eine Begleitung. „Gemeinsam macht es einfach mehr Spaß”, so Carri.

Zwar ist Berlin die erste deutsche Stadt mit einer „GirlCrew”, aber mit rund 260 Mitgliedern im internationalen Vergleich recht klein. In Sydney und Toronto vernetzten sich so schon mehr als 500 junge Frauen, in London sind es über 1100. Dublin hat mit 3600 die meisten Nutzer, dort finden täglich über die „GirlCrew“ verabredete Treffen und sogar gemeinsame Reisen statt.

Idee aus Irland

Elva Carri lebt in der irischen Hauptstadt, sie ist die Initiatorin. Die 31-Jährige und ihre Schwester wollten im vergangenen Frühling unbedingt tanzen gehen, waren aber nur zu zweit. Also änderte Carri, die damals schon Tinder nutze, ihr Profil in ein männliches – und keine 24 Stunden wollten sich schon mehr als 100 junge Menschen anschließen. „Das war verrückt”, sagt Carri. „Wir haben dann eine große Facebook-Gruppe für Dublin gemacht und auch in anderen Städten welche gegründet.”

Die „GirlCrews“ sind keine homosexuellen Verbindungen. „Die meisten Mitglieder sind hetero”, erklärt die Gründerin, „aber wer mit einer großen Mädels-Truppe unterwegs ist, lernt sowieso andere Männer und Frauen kennen. Und es ist sicherer.”

Wie Tinder über diesen Einsatz von Fake-Profilen denkt, ist nicht bekannt. Das Unternehmen war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „Ich finde da nichts Schlimmes dran”, sagt Carri. Um neue Mitglieder zu finden, nutzen die „GirlCrews“ die gängigen sozialen Netzwerke, über Tinder sei das nun mal sehr einfach. „Aber wir sind real und wollen nichts verkaufen.”

Sie hat schon Wünsche für die Zukunft: „Wenn eine junge Frau in eine Stadt umzieht, guckt ob es dort eine GirlCrew gibt und darüber Anschluss findet - das wäre mein Traum.”