„Hart aber fair“„Bild“-Journalist nennt Prominenten „nützlichen Idioten Erdogans“

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haf Flüchtlinge 090320

Die Runde bei „Hart aber fair“

Griechische Soldaten schießen auf Geflüchtete, elende Menschen fliehen im türkischen Grenzgebiet vor europäischem Tränengas. Angesichts dieser Bilder fragte Frank Plasberg seine Gäste: "Fluchtziel Europa: Was haben wir aus 2015 eigentlich gelernt?"

Wer durfte mitreden?

Katrin Göring-Eckardt

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen beklagte "Chaos und Gewalt" an der türkisch-griechischen Grenze. Die EU-Außengrenze für Geflüchtete zu öffnen, kam für sie deswegen aber nicht in Frage: "Wir wollen die Grenzen nicht öffnen, aber wir brauchen Ordnung an der Grenze" - als Voraussetzung für Rechtsstaatlichkeit und geordnete Asylverfahren. Überhaupt übte sie sich im politischen Spiel des Einerseits-Andererseits. Einerseits betonte sie, wir hätten 2015 bei der ersten Flüchtlingskrise "Menschlichkeit gezeigt". Andererseits wollte sie nicht in diese Zeit zurück, sondern nur so weit helfen, wie es die EU im Flüchtlingsabkommen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan ausgehandelt hat.

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Ralf Schuler (v.l.n.r.), Katrin Göring-Eckardt und Florian Schroeder 

Serap Güler

Die Staatssekretärin für Integration in NRW schien sich anfangs selbst ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Sie sagte, die deutsche Integrationskraft sei nicht unendlich, was freilich auch noch niemand behauptet hat. Die Bilder von der griechische Grenze fand sie "schwer auszuhalten", ihre Lösung für die Krise hatte etwas geradezu Dialektisches: "Wenn wir diese Bilder vermeiden wollen, muss die Grenze geschlossen bleiben." Auch sonst beherrschte die CDU-Politikerin die hohe Kunst in Gegensätzen zu denken, etwa indem sie zunächst beklagte, die EU habe Griechenland alleine gelassen, um dann hinzuzufügen, die vorherige griechische Regierung habe kein Interesse gehabt, den Geflüchtete auf griechischem Boden zu helfen.

Innenpolitisch verfolgte sie dasselbe Muster: Die Menschen in Deutschland könnten stolz auf das bei der Integration der Geflüchteten Geleistete sein. Aber es liege auch noch viel Arbeit vor uns, gerade was die Gleichberechtigung der Frauen angehe. Ein deutscher Alleingang in der aktuellen Flüchtlingskrise, so Güler, würde anderen EU-Staaten womöglich gerade recht kommen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Florian Schroeder

Der Kabarettist teilte am kräftigsten und besonders gerne zur politisch rechten Seite aus. Er geißelte die Hysterie der Politik und dass sich jetzt alle "in die Büsche schleichen" würden, er zeigte sich "schockiert über die Gleichgültigkeit" angesichts des vielen Leides und fragte sich scheinbar ernsthaft, was aus der Willkommenskultur geworden sei. "Wir sind doch immer noch Europa und der Aufklärung verpflichtet." Was derzeit an der EU-Außengrenze geschehe, sei hingegen "beinahe schon barbarisch".

Die CDU wird Schroeder wohl nicht wählen: Merkel ducke sich weg, sagte er und an die Adresse ihres möglichen Nachfolgers Friedrich Merz gerichtet: "Man kann die AfD nicht halbieren, indem man sie kopiert." Ansonsten fetzte sich Schroeder mit "Bild"-Redakteur Ralf Schuler, dem er wie Merz platten Populismus unterstellte: "Wenn wir den bösen Araber rausschmeißen, haben wir auch keine Rechtsextremen mehr."

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Ralf Schuler

Der Leiter der Parlamentsredaktion der "Bild"-Zeitung sah aus, als fühle er sich nicht ganz wohl in seiner Haut - in der Runde fehlten ihm eindeutig die Verbündeten. Als Anwalt des klassischen kleinen Mannes auf der Straße konstatierte er ein durch die Flüchtlingskrise von 2015 geschürtes "tiefes Misstrauen" gegen der Politik; das Vertrauen der Menschen sei aufgebraucht. Er fand seine Rolle darin, die anderen gegen sich aufzubringen, ohne es zu genießen. Sein Mantra war "Grenzen schließen", ganz nebenbei schmiedete er eine grün-rot-rote Koalition. Am Ende wurde Schuler dann beinahe konsensfähig: Er beklagte, dass die EU nichts gegen die Fluchtursachen unternommen habe, und sagte, der Migrationsdruck sei durch Aufnehmen nicht zu handhaben. Vor Ort helfe Geld zehnfach besser als in Deutschland.

Liza Pflaum

Die Mitinitiatorin der Bewegung "Seebrücke" kam als Augenzeugin von der Ersatzbank und schilderte ihre Eindrücke von der Insel Lesbos. Dort seien die Geflüchteten ihres Lebens nicht mehr sicher, weil dort rechte, aus ganz Europa angereiste Banden ihr Unwesen trieben. Sie stellte dem griechischen Staat ein verheerendes Zeugnis aus, schalt aber auch die EU. Es gehe dieser nicht mehr darum, Geflüchtete zu schützen, sondern nur noch darum, sich vor Geflüchteten zu schützen. Dass Griechenland das Recht auf Asyl ausgesetzt habe, nannte sie ein fatales Zeichen. Als Nicht-Politikerin tat sie sich naturgemäß leichter damit, die deutsche Politik in die Pflicht zu nehmen: "Wir können nicht auf eine europäische Lösung warten."

Was machte Plasberg?

Der Moderator bremste Schuler schon beim Einstieg heftig aus und machte dies geradezu zum Running Gag der Sendung. Nach 45 Minuten erteilte er ihm dafür einmal mit großer Geste das Wort. Warum lud man den "Bild"-Redakteur dann ein? Wollte man keinen AfD-Politiker in der Runde haben, aber auf AfD-Positionen trotzdem nicht verzichten? Plasberg musste mehrfach darum bitten, sprachlich abzurüsten, und fragte vielleicht auch deswegen am liebsten Serap Güler. Wir in NRW halten nun mal zusammen.

Wie hoch war der Erregungsfaktor?

Schroeder, Göring-Eckardt und Pflaum rieben sich einige Male am "Bild"-Redakteur Schuler, der konterte eher lahm und nannte Schroeder einen nützlichen Idioten Erdogans. Die Sprachkritiker der Runde hatten am dampfplaudernden Schuler ihre Freude, nur bei Friedrich Merz kochte die Stimmung ähnlich hoch.

Was haben wir gelernt?

In gemischten Runden wird jedes Gespräch über die "Flüchtlingskrise" unweigerlich hitzig und unsachlich. Warum sollte dies bei Plasberg besser sein als in vielen ganz normalen Familien? Ach ja: Vielleicht wegen des Bildungsauftrags der ARD. Außerdem gibt es laut Serap Güler eine politisch korrekte Form, die etablierten Parteien zu bestrafen: Bitte für den Tierschutz stimmen.

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