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Kleine FluchtenStille Erholung am Papsthügel

Lesezeit 4 Minuten

Dem Alltag entfliehen und die Seele baumeln lassen: Unsere Serie "Kleine Fluchten".

In bunten Farben schillernde Bäume, ein weites Feld, das den Blick öffnet, ein idyllischer See, der nach dem Spaziergang zum Ausruhen einlädt. Drachen steigen lassen, ein Picknick machen. Oder dahin radeln, wo Papst Benedikt 2005 die Pilger beim Weltjugendtag segnete – all das bietet das weitläufige Marienfeld zwischen Kerpen und Frechen. Wer schon mal dort war, weiß, dass es zu jeder Zeit schön ist, aber jetzt im Herbst noch ein bisschen schöner.

Was Spaziergänger, Jogger und Radler schätzen, sind die ausgedehnten Wege und das abwechslungsreiche Naturerlebnis. Da gibt es baumgesäumte Pfade, eine Wildblumenwiese oder einen Bereich mit Hochstauden. Die Tier- und Pflanzenwelt ist artenreich, mit vielerlei Vögeln, Amphibien und Libellen, auch bedrohte Schönheiten finden sich darunter. Das Besondere am Marienfeld ist, dass das Areal unter der Maßgabe der „stillen Erholung“ angelegt wurde – wie es der Umweltingenieur der Stadt Kerpen, Wolfgang Höhne, formuliert: „Es geht um Erholung im Einklang mit der Natur.“ Nichts mehr erinnert daran, dass hier früher Braunkohle abgebaut wurde.

Zum Ruhe-Gebot passt, dass am Boisdorfer See nicht gezeltet und gebadet werden darf. Das würde die vielen Vögel stören, die in und am See leben. Enten schnattern, Schwäne ziehen ihre Bahnen. „Der See und das unmittelbare Umfeld sind seit kurzem Naturschutzgebiet“, sagt Höhne. Eine Seite des Sees ist gar nicht zugänglich, dient als Rückzugsort für die Natur. Den Rest kann man in aller Stille genießen. Still ist es auch auf dem Papsthügel – der weithin sichtbaren grasgrünen Erhebung mit dem Gipfelkreuz aus Holz. Von oben schweift der Blick weit ins Land. Hier war im August 2005 Papst Benedikt XVI. zu Gast. Rund eine Million Pilger feierten mit ihm eine Nachtwache und die Abschlussmesse des Weltjugendtages. Daran erinnert immer noch ein alljährlicher Gottesdienst.

Pietà als Namenspatronin

Am Fuße des Hügels informiert eine Tafel über die Namensgebung des Marienfeldes. Er basiert auf einer Mariendarstellung, einer Pietà, die um 1420 entstand. Sie war Anziehungspunkt für Pilger und wurde im 18. Jahrhundert in der Klosterkirche von Bottenbroich aufbewahrt. Heute ist sie in der Kirche in Frechen-Grefrath zu sehen.

Alle Aktivitäten, die etwas „lauter“ ausfallen, finden sich am Rande des Areals – auch die große Spiel- und Picknickwiese, auf der gegrillt werden darf. Rundherum stehen „Bäume des Jahres“, die seit 1989 von einem norddeutschen Kuratorium bestimmt werden. Die Wildbirne, der Walnussbaum oder die Eberesche sind von der Bevölkerung gestiftet worden. Für Freunde von bunten Drachen ist die „Drachenwiese“ der richtige Ort. Gerade im Herbst wird dort der frische Wind ausgenutzt, der an eher grauen Tagen aber auch schon mal unangenehm sein kann. Seit kurzem gibt es die „Storchenwiese“, auf der Kerpener Familien einen Baum für den Nachwuchs pflanzen können.

Überfüllt wirkt das Marienfeld nicht – denn dank mehrerer Parkplätze verteilen sich die Besucher gut. Ausgeschilderte „Erlebnisrouten“ erlauben Wanderungen ganz nach Lust und Laune. Der 13 Kilometer lange Kirchenwanderweg, die über vier Kilometer lange Strecke am Boisdorfer See vorbei und der Quirinus-Weg mit 1,4 Kilometern gehören dazu. Letzterer ist nach der alten Kirche in Mödrath benannt. Für diese und für andere Kirchen und Dörfer finden sich auf dem Marienfeld mehrere Gedenkkreuze und -steine.

Denn wo es grünt und blüht, befand sich früher der Tagebau Frechen: Von 1952 bis 1986 wurde Braunkohle abgebaut. Die Orte Mödrath, Bottenbroich, Grefrath und Habbelrath wurden umgesiedelt, Boisdorf verschwand von der Landkarte. Vor rund zehn Jahren, nachdem die Grube zugeschüttet worden war, begann die kontrollierte Rückeroberung des Geländes durch die Natur.

Das Marienfeld erfüllt aber noch eine wichtige Funktion: Es dient bei Hochwasser als Rückhaltebecken. Ein großer Teil des Areals wird heute landwirtschaftlich genutzt, es sollen aber weitere Ackerflächen in Wiese umgewandelt werden. Natürlich weiterhin ganz im Sinne der stillen Erholung.

Anfahrt: Besucher aus Köln reisen mit dem Auto über die Bundesstraße 264 bis zum Gewerbegebiet Türnich III an (Parkplatz hinter der Tankstelle) oder über die A 4 bis zum Kreuz Kerpen, von dort über die Erfttalstraße (L 122) und die L 162 bis zum Parkplatz am Aussichtspunkt Mödrath, Navi: An Burg Mödrath. Einen dritten Parkplatz gibt es in Kerpen-Götzenkirchen, am Kreisverkehr am Ortsausgang ( Am Hahnenwall).

Bahnreisende können vom Bahnhof Horrem mit den Bussen 955 und 976 zur Haltestelle Götzenkirchen fahren – in der Woche alle halbe Stunde, am Wochenende sehr viel seltener.

An den Parkplätzen befinden sich Informationstafeln sowie ein Leitsystem: Die schwarzen Pfeile führen zum Papsthügel, die blauen zum Boisdorfer See, die roten zur Drachenwiese, die grünen zur Picknickwiese und die gelben zur Storchenwiese.

Verpflegung muss mitgebracht werden. Gaststätten gibt es in den umliegenden Orten. (wo)