Kommentar zu CoronaFreiheit in Sicht – doch das Virus wird uns noch lange begleiten

Menschenansammlungen auf dem Rheinboulevard
Copyright: Martina Goyert
Nie fühlen sich die ersten warmen Tage des Frühlings so gut an, als wenn sie unmittelbar auf eine letzte Phase schneidender Kälte folgen. So gesehen steht uns ein großartiges Wochenende bevor: Gestern Graupel, morgen Grillwetter. Dazu sinkende Infektionszahlen, steigende Impfquoten – wir dürfen schon mal wieder von einem Bier mit Freunden im Freien träumen.
Ein Hochdruckgebiet namens Freiheit nähert sich Deutschland. Beste Aussichten also. Oder jedenfalls: die besten seit Langem. Sie sind ein großes Glück – und zugleich eine Verpflichtung.
Es war ja tatsächlich so, dass uns diese Pandemie und die Warnungen aus der Wissenschaft in den letzten Wochen noch einmal durch ein gewaltiges emotionales Sturmtief geschickt haben. Wieder über 300 Tote täglich, wieder über 5000 Patienten auf den Intensivstationen, und dazu die Aussicht, dass es weit schlimmer kommen könnte. Das einzige Heil schien im härtesten aller Lockdowns zu liegen.
Viele Befürchtungen haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet
Viele Befürchtungen haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet, dem Impffortschritt, Ausgangssperren und dem Ende des Winters sei Dank. Heute prophezeien auch strenge No-Covid-Verfechter baldige Inzidenzwerte von unter 50. Ja, es ist müßig, sich die Irrtümer von einst später vorzuhalten. Und, ja, die Warnungen werden einen Anteil daran gehabt haben, dass sie letztlich nicht eintrafen – indem sie Menschen dazu brachten, sich anders zu verhalten.
Auf der anderen Seite jedoch haben sie auch das Gefühl einer Angsterschöpfung gemehrt, die manchen zuletzt regelrecht zermürbte. Es war in den vergangenen Wochen nicht die schlechteste Strategie, innerlich auf Distanz zu gehen zu allen Aufgeregtheiten. Maske auf und Abstand halten, auch zur Hysterie: Das galt für den Einzelnen wie für die Politik, die vielgescholtene, die am besten beraten war, wenn sie sich auf ihre klassische Rolle verstand: Die der Mittlerin zwischen widerstreitenden Ansprüchen, Interessen und Werten. Wenn sie also versuchte, alles im Blick zu behalten: Die körperliche Gesundheit ebenso wie die psychische und das Recht der Kinder auf Bildung und ein Mindestmaß an Kontakt. Selten genug ist es gelungen.
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Doch wenn dies die Lehre aus den letzten Wochen ist, dieses Lob des Ausgleichs und der Anti-Hysterie, dann heißt das auch etwas für die nächste Zeit: Dass wir vor lauter Sonnenschein- und Hurra-Stimmung nicht vergessen dürfen, wie die Situation eben nach wie vor auch ist. Noch immer kämpfen fast 4700 Menschen auf den Intensivstation in Deutschland um ihr Leben, noch immer sterben jeden Tag zwischen 200 und 300 Männer und Frauen an den Folgen von Covid-19.
Dieses Virus wird uns weiter begleiten, in welcher mutierten Form auch immer. Und es wird uns auch weiter bedrohen, vielleicht sogar dann am stärksten, wenn wir es vorschnell für besiegt halten. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Freiheit weiter ihre Grenzen hat.