Niemand bleibt ohne Verletzung

Katrine (Birgitte Hjort Sørensen) - ein Star der Serie „Borgen“, die derzeit als Wiederholung im WDR zu sehen.
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Kopenhagen, drei Tage vor der dänischen Parlamentswahl. Im Studio des Fernsehsenders TV1 steht Birgitte Nyborg, Vorsitzende der Partei Die Moderaten. Dank ihrer Unterstützung hat die stärkere Arbeiterpartei eine gute Chance, die regierenden Liberalen abzulösen und den Regierungschef zu stellen.
Da spielt die Regie eine Aussage des Chefs der Arbeiterpartei ein, in dem dieser eine zentrale Vereinbarung zur Frage des Asylrechts bricht. Die Konsequenz: Birgitte Nyborg kündigt dem Bündnispartner vor laufenden Kameras die Zusammenarbeit auf. Dieser fulminanter Auftritt ist der Beginn einer Reihe von dramatischen Ereignissen, an deren Ende Birgitte Nyborg sich unversehens als Premierministerin wiederfindet. Ende der ersten Folge.
Das ist die Ausgangssituation von „Borgen – gefährliche Seilschaften“. Im Original ist „Borgen“ der umgangssprachliche Begriff von Christiansborg, dem Sitz des Parlaments. Eine Vielzahl der Szenen spielt hier, zahlreiche weitere bei TV1, dem Fernsehsender. Und schnell wird klar: Das eine existiert nicht ohne das andere.
Personen mit Ecken und Kanten
Die Verstrickungen von Politik, Medien und Lobbyisten, politische, persönliche, sexuelle, sind der Motor der Serie, und die Figuren mit ihren Ecken und Kanten verleihen ihr Wahrhaftigkeit und Seele.
Im Zentrum steht Birgitte Nyborg, Premierministerin, Ehefrau und Mutter. Die Rollen zu vereinbaren wird zunehmend schwerer: Die Ehe wird scheitern. Nach ihrer Abwahl und einer Auszeit in der freien Wirtschaft gründet sie ihre eigene Partei und muss feststellen, dass nicht jeder ihrer Weggefährten gleichermaßen vertrauenswürdig ist. Noch dazu setzen ihr Teile der Presse zu, vor allem ein Boulevardblatt. Es wurde gegründet vom ehemaligen Vorsitzenden der Arbeiterpartei, genau dem, der zu Beginn die Asylrecht-Absprache brach. Am Ende stand er mit leeren Händen da und will es nun seinen Kontrahenten heimzahlen. Auch beim Fernsehen sind nicht alle Entscheidungen von der hehren Suche nach Wahrheit geprägt.
In der dritten Staffel muss der Leiter der Politikredaktion sich gegen einen jungen, dynamischen neuen Senderchef behaupten. Alles soll hipper, bunter, lauter, lustiger werden. Ist das noch seriöses Fernsehen?
Diese Frage stellt sich immer wieder auch Katrine Fønsmark, mit Unterbrechungen bei TV1 beschäftigt. Sie wird später zur wichtigsten Verbündeten von Birgitte Nyborg. Nebenbei ist sie die große Liebe von Kasper Juul, Medienberater von Birgitte Nyborg in ihrer Zeit als Premierministerin. Die Abgründe, die sich im Laufe der Geschichte in Kasper Juuls Leben, seiner Kindheit zumal, auftun, rauben ob ihrer Ungeheuerlichkeit den Atem und sind mit das Verstörendste, was in Fernsehserien bislang zu sehen war.
Dramen, Schicksalsschläge, Trennungen
All die persönlichen Dramen, Schicksalsschläge, Annäherungen und Trennungen begleiten das große Thema: das Netzwerk. Die Strategien gezielter Indiskretionen, geheimer Absprachen, vorgetäuschter Zustimmung, Geschacher um Posten, regieren in der Politik genauso wie in den Medien. Und es geht um die Art und Weise, wie all dies die handelnden Personen verändert und welchen Preis sie dafür zahlen. „Wir sind nicht mehr dieselben Menschen, die wir waren, als wir hier anfingen“, sagt in einer Szene der Vorsitzende der Milieupartei verbittert zu Birgitte Nyborg.
Da hat die Milieupartei gerade mit einem Paukenschlag die Koalition mit den Moderaten verlassen, ihr Vorsitzender will sich aus der Politik zurückziehen – nach einer Negativgeschichte über seine Person in der Presse, die Nyborg lanciert hat. Gerade sie, die doch einmal einen neuen, ehrlichen, fairen Politikstil hatte etablieren wollen.
Niemand wird am Ende ohne Verletzungen sein. Was bleibt, ist die Ahnung, dass es so oder ähnlich tatsächlich auch im wahren Leben zugeht. Vielleicht nur nicht ganz so spannend.
Im Sommer halten sich die Sender mit Erstausstrahlungen meist zurück. Und die Sonne nimmt sich auch immer mal wieder ein paar Tage Auszeit. Eine gute Gelegenheit, endlich einmal diese fantastische Serie zu schauen, von der alle sprechen. Damit Ihnen die Entscheidung leichter fällt, stellen wir Ihnen in den folgenden Wochen Serienhighlights aus den vergangenen fünf Jahren vor.
„Borgen – Gefährliche Seilschaften“ wurde erstmals auf Arte im Februar 2012 ausgestrahlt. Das Erste und Einsfestival zeigten Wiederholungen, zurzeit ist „Borgen“ im WDR zu sehen. Alle drei Staffeln sind auf DVD erschienen.