Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

PraktikumEin Klassiker mit Zukunft

Lesezeit 5 Minuten

Wer will und offen ist, hat gute Chancen. Das wissen nur zu wenige.“ Dr. Markus Eickhoff, bei der Handwerkskammer Köln für die Bildungspolitik zuständig, wünscht sich, dass viel mehr Schulabgänger die große Bandbreite handwerklicher Berufe kennenlernen, bevor sie sich für ihren persönlichen Werdegang entscheiden. Ein Praktikum kann dabei wichtige Orientierungshilfe geben und zum Türöffner werden.

Viele Möglichkeiten

Der Klassiker unter den Praktika ist und bleibt das Schülerpraktikum, das an allen Schulformen durchgeführt wird. Es dauert in der Regel drei Wochen. Junge Leute, die schon während der Schulzeit darüber hinaus ein freiwilliges Praktikum absolvieren, haben bei den Betrieben schon mal einen Bonuspunkt, weiß Stefanie Kühn von der Industrie- und Handelskammer Köln. Denn wer aus freiwilligem Antrieb kommt, der zeigt damit schon mal, dass er motiviert ist – zumal solche Praktika nur in den Schulferien möglich sind. Bei den Studentenpraktika sollte die Motivation ohnehin außer Frage stehen, sind sie doch oft Teil der Studienordnung und bereiten auf die praktische Seite des angestrebten Berufsabschlusses vor.

Durch den Seiteneingang

Im Kommen ist die so genannte Einstiegsqualifizierung (EQ). Sie kann zum echten Türöffner für Schulabgänger werden, die aufgrund ihrer Noten zunächst keine großen Chancen auf eine Ausbildung haben, wie Kühn erläutert. Auch bei der EQ handelt es sich um ein Praktikum, das zwischen sechs Monaten und einem Jahr dauern kann. Die jungen Menschen und die Betriebe schließen dazu Verträge miteinander ab. Im Anschluss an die EQ erhalten die Absolventen ein qualifiziertes Zeugnis des Betriebes und von der IHK ein Zertifikat.

Gute Visitenkarte

In rund 60 Prozent der Fälle hat sich die Tür tatsächlich geöffnet. Im vergangenen Jahr haben 316 junge Leute im Kammerbezirk eine Einstiegsqualifikation abgeschlossen. 180 konnten unmittelbar im Anschluss eine Ausbildung beginnen. In solchen Fällen kann die EQ-Zeit zumindest teilweise auf die Lehrzeit angerechnet werden. Verlorene Zeit ist sie aber in keinem Fall, findet Stefanie Kühn. Denn jedes Praktikum bietet die Chance, „Betriebe und die Arbeitswelt kennenzulernen“. Die Bundesagentur für Arbeit fördert die EQs – schließlich würden die jungen Leute sonst in anderen Warteschleifen oder sogar perspektivlos „auf der Straße“ landen. Dagegen kann auch das Speeddating der IHK helfen. Das findet jedes Jahr statt und hat in diesem Juni rund 2.000 junge Leute auf der Suche nach ihrer persönlichen beruflichen Zukunft angelockt. Über 70 Unternehmen haben Vertreter entsandt, die in zehnminütigen Gesprächen mit den Interessenten einen Eindruck ihres Betriebes vermitteln und einen ersten Eindruck von den Bewerbern bekommen konnten. Auch daraus seien viele Praktika hervorgegangen, sagt Stefanie Kühn. Doch auch bei den anderen Schulabschlüssen sieht Eickhoff viel Potenzial, das den Handwerksbetrieben verloren geht. „Das klassische Azubi- Kientel geht immer weniger in die duale Ausbildung, sondern strebt den weiteren Schulbesuch an“, beklagt Eickhoff. Das Sterben der Hauptschule sei für die Kammerbetriebe vor diesem Hintergrund dramatisch. Für viele Lehren sei dieser Abschluss eine tolle Voraussetzung. Und „viele Hauptschulen haben ihre Schüler sehr gut auf die Ausbildung vorbereitet“. Diese jungen Menschen gebe es natürlich auch in Zukunft noch, man müsse sie aber etwa in den Sekundarschulen identifizieren. Für das Handwerk bleibt das Praktikum der Klassiker. Fast immer ist es der Ausbildung vorgeschaltet, um zu sehen, ob man in den meist kleinen Betrieben auch menschlich zueinanderpasst. Denn die Teamfähigkeit spielt im Handwerk eine große Rolle.

Hoher Stellenwert

Statt ein Praktikum als verlorene Zeit anzusehen, sollten junge Menschen lieber über einige Fragen Klarheit gewinnen“, sagt die Psychologin Svenja Lüthge. „Warum mache ich das Praktikum überhaupt?“, ist nach Lüthge so eine Frage. Mögliche Antworten sind: „Weil ich dadurch Kontakte knüpfe und wichtige Informationen sammle.“ Oder: „Weil ich diese Station als gute Referenz angeben kann“. Wegen persönlicher Unsicherheit bricht ein Viertel aller Auszubildenden die Lehre ab oder wechselt den Betrieb. Durch ein Praktikum können Jugendliche herausfinden, was sie wollen. Eine anderer Weg ist die berufliche Eignungsdiagnostik. Sie hilft, falsche berufliche Entscheidungen zu vermeiden. „Nur wenn die Arbeit zu den Qualifikationen und Stärken des Mitarbeiters passt, wird er erfolgreich seine Aufgaben bewältigen“, sagt Daniela Gerlach von Piening Personal. Die Masse der neuen Lehrverträge wird seit Jahren in den immer gleichen Lehrberufen abgeschlossen. Dabei dominieren kaufmännische Ausbildungen im Einzelhandel. Das gilt auch für junge Frauen. Viele Unternehmen wollen Mädchen und junge Frauen dagegen eher für frauenuntypische Berufe begeistern und beteiligen sich deshalb jährlich am sogenannten Girls‘ Day. „Diese Initiative ist eine gute Gelegenheit, Berufsbilder kennenzulernen, die Mädchen sonst nicht im Fokus haben“, sagt Ulrich Biene von der Brauerei Veltins. Im günstigsten Fall ergibt sich aus diesem praxisnahen Tag ein mehrwöchiges Praktikum.

Pflegebranche

Allein in den Pflegeberufen waren zwischen 2002 und 2010 rund 30 Prozent mehr Berufseinsteiger festzustellen. Dennoch wächst der Personalmangel in diesem Bereich rapide. Circa 500.000 unbesetzte Stellen prognostiziert der Pflegereport der Bertelsmann Stiftung für 2030. Dementsprechend gut sind die Jobaussichten für diejenigen, die in der Gesundheitsbranche Fuß fassen wollen. Wer eine entsprechende Praktikumsstelle sucht, wendet sich per Mail an das Deutsche Pflegeportal.

Mit der App zum Job

Das Lehrstellenradar der Handwerkskammer Köln bietet einen einfachen Zugang zu freien Lehrstellen und Praktikumsplätzen in aktuellen Handwerksberufen. Mit wenigen Klicks kann man bundesweit nach passenden Ausbildungsbetrieben suchen. Übersichtliche Listen oder Kartendarstellungen vereinfachen die Navigation. Komfortabel ist auch der persönliche Suchsassistent, der automatisch mit jedem Profil angelegt wird und per Push- Benachrichtigung tagesaktuell über passende Angebote informiert. Durch Hinterlegen eines Profils mit Wunschberufen und dem gewünschten Umkreis, wird der User informiert, sobald passende Stellen vorhanden sind.