ProtestVermieter lässt sein Haus verkommen

Maria Fichte (l.), Gabi Schönau (r.) und die Mieterinnen wurden in Rösrath gar nicht erst empfangen.
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Das vierstöckige Haus an der Mülheimer Markgrafenstraße lässt schon auf den ersten Blick ahnen, unter welchen Umständen die Bewohner hier leben müssen: Die Eingangstür ist defekt, so dass Fremde ein- und ausgehen können. Darunter offensichtlich auch Junkies und Obdachlose, die benutzte Spritzbestecke und leere Schnapsflaschen im Treppenhaus zurücklassen. Die Klingelanlage lässt nicht erkennen, welcher Knopf zu welcher Wohnung in dem langgestreckten Gebäude gehört. Und die Briefkastenanlage ist weitgehend zerstört.
„Weil wichtige Post verloren geht, hat mir das Jobcenter schon Leistungen gekürzt“, beklagt eine Mieterin, die ihren Namen nicht nennen will. Seit Jahren verfällt das Mietshaus zusehends. „Ich hatte schon zweimal Wassereinbrüche in der Küche. Doch wenn ich den Vermieter um Abhilfe bat, kam keinerlei Reaktion“, berichtet eine weitere Frau, die auch anonym bleiben will. Zuständig wäre eine Rösrather Immobilienfirma, der das Haus gehört. Doch dort habe man noch nicht einmal reagiert, als sich ein Anwalt für die Belange der Mieterin einsetzte. „Es wird auch nichts gegen den Schimmel im Zimmer meiner drei Kinder unternommen“, empört sich die Frau. Seit mehr als einem Jahr zahlt sie gar keine Miete mehr, überweist lediglich die Nebenkosten.
Wir haben mehrmals versucht, den Eigentümer dazu zu bewegen, etwas zu tun – ohne Erfolg
Aus Verzweiflung über ihre Lebensumstände und um Druck zu machen, fuhren einige Bewohner zusammen mit der von der Stadt finanzierten Sozialraumkoordinatorin Maria Fichte und Gabi Schönau von der Initiative „Hallo Nachbar dankeschön“ zum Büro der Firma. Die Gruppe forderte dringend nötige Reparaturen ein. Beim Versuch, mit jemandem zu sprechen, wurde ihnen im Beisein des „Kölner Stadt-Anzeiger“ jedoch die Tür vor der Nase zugeschlagen.
Auch weitere Anfragen der Redaktion zur Situation in den Häusern gingen ins Leere. „Ich bin zu keiner Stellungnahme bereit“, sagte die Geschäftsführerin des Unternehmens am Telefon. Eine schriftliche Anfrage wurde nicht beantwortet, weitere Anrufe nicht entgegengenommen. Dabei sind die Probleme drängend, wie auch Bewohnerin Gerimi Flerije berichtet. Sie lebt allein, Wohnzimmer und Küche sind vom Pilz befallen. Außerdem leckt die Heizung im Schlafzimmer. „Das Schlimmste für mich ist allerdings, dass irgendetwas mit den Stromzählern nicht stimmt“, sagt sie. Unerwartet habe sie für 2012 eine Nachzahlungsforderung von 1745 Euro erhalten, obwohl sie nach eigenen Angaben kaum elektrische Geräte benutze.
„So viel kann man doch als Einzelperson überhaupt nicht verbrauchen“, sagt Flerije. Sozialraumkoordinatorin Maria Fichte hat in der Vergangenheit schon einzelne Mieter des Hauses unterstützt, indem sie Kontakte zum Wohnungs- oder Sozialamt vermittelte. Gabi Schönau wiederum hat die Mieter für die Protestaktion in Rösrath mobilisiert. „Das ist nicht einfach bei Menschen, die sich kaum trauen, überhaupt öffentlich aufzutreten“, sagt Schönau. Umso bedauerlicher sei es, dort von den Verantwortlichen nicht angehört worden zu sein.
Auch Mülheims Bürgeramtsleiter Hans Oster kennt das Problem nur zu gut: „Wir haben schon mehrmals versucht, den Eigentümer dazu zu bewegen, etwas zu tun“, sagt er, „doch auch wir hatten keinen Erfolg.“
Nach dem Gesetz ist der Vermieter verpflichtet, „dem Mieter die Wohnung in einem vertragsgemäßen Zustand zu überlassen und diesen während der Mietzeit zu erhalten“. So heißt es in der Broschüre „Wohnungsmängel und Mietminderung“, in der der Deutsche Mieterbund mehr als 500 Gerichtsurteile ausgewertet hat und Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema gibt.
Treten während der Mietzeit Mängel oder Fehler an der Wohnung auf, „muss der Mieter sie sofort beseitigen“, heißt es weiter. Der Mieter sollte den Vermieter daher unverzüglich schriftlich über die Mängel informieren, rät Jürgen Becher, Geschäftsführer des Kölner Mietervereins. „Gleichzeitig kann er eine angemessene Frist setzen, nach der die Mängel beseitigt sein sollen“, so Becher. Beispielsweise müsse bei einem Wasserrohrbruch innerhalb von 24 Stunden Hilfe geschickt werden. Falle die Heizung im Herbst aus, liege die Frist bei drei Tagen, bei undichten Fenstern bei zwei bis vier Wochen.
Im gleichem Mieter-Schreiben sollte stehen, dass die Miete ab sofort unter Vorbehalt bezahlt werde. Wenn die Mängel nicht zum geforderten Zeitpunkt beseitigt sein sollten, könnte die Miete gemindert werden. Wie hoch diese Minderung ausfallen darf, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Laut Mieterbund-Broschüre liegt sie etwa bei Feuchtigkeit und Schimmel im Wohnzimmer bei 50 Prozent, bei Schimmelbildung in allen Räumen einer Neubauwohnung bei 75 Prozent.
Nicht jeder Mangel berechtigt zur Mietminderung: Es müsse „eine spürbare Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit der Wohnung“ vorliegen. (det/map)