Schülerzahlen in Hessen steigen wegen Zuwanderung deutlich

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Wiesbaden – Im neuen Schuljahr 2022/2023 steigt in Hessen unter anderem wegen der Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler deutlich. Künftig werden rund 787.000 Kinder und Jugendliche die Schulen besuchen, etwa 25.500 mehr als noch im zurückliegenden Schuljahr, wie Kultusminister Alexander Lorz (CDU) am Freitag in Wiesbaden ankündigte.

Die Zahl der Lehrerstellen wachse auf 55.680 an. „Wir starten guten Mutes ins neue Schuljahr”, sagte Lorz. Er sei zuversichtlich, dass sich die Schulen nach den Einschränkungen in der Corona-Pandemie nun wieder mehr ihren Kernanliegen zuwenden könnten. In Hessen gehen am kommenden Montag die Sommerferien zu Ende.

Corona-Vorsorge

Allen Schülerinnen und Schülern waren vor Ferienbeginn fünf Corona-Selbsttests angeboten worden, um sich vor dem ersten Schultag testen zu können. Zusätzlich erhalten sie ebenso wie das Schulpersonal in den ersten beiden Schulwochen je drei Selbsttests pro Woche für eine freiwillige Testung zuhause. Eine Maskenpflicht besteht an den Schulen nicht. „Das freiwillige Tragen ist aber selbstverständlich jederzeit möglich”, teilte das Ministerium mit.

Flüchtlingskinder

Bisher sind mehr als 13.000 geflüchtete ukrainische Schülerinnen und Schüler im Land angekommen. „Noch nie – auch nicht während der Flüchtlingswelle der Jahre 2015 und 2016 – kamen in so kurzer Zeit so viele schulpflichtige Kinder und Jugendliche nach Hessen”, erläuterte Lorz. Alleine seit Beginn des Krieges in der Ukraine seien 700 zusätzliche Intensivklassen eingerichtet worden, im neuen Schuljahr würden noch einmal rund 140 hinzukommen.

Das Land habe rund 200 ukrainische Lehrkräfte eingestellt, die den Kindern und Jugendlichen den Einstieg in das hessische Schulsystem erleichtern und die Verbindung zum Unterricht des Heimatlands erhalten sollen. Zu der Steigerung bei den Schülerzahlen habe auch beigetragen, dass nun die Kinder der 2015 und 2016 zugewanderten Flüchtlingsfamilien eingeschult werden, teilte das Ministerium mit. Die Anzahl aller Erstklässlerinnen und Erstklässler in Hessen wachse im Vergleich zum Schuljahr 2021/2022 um 1700 auf 59.000.

Islamischer Religionsunterricht

Im kommenden Schuljahr gibt es in Hessen wieder islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit dem türkischen Moscheeverband Ditib. Dieser bekenntnisorientierte Religionsunterricht war wegen eines Rechtsstreits zwischen dem Land und Ditib zeitweise ausgesetzt. In der Zeit hatte das Land das Fach Islamunterricht eingeführt, das anders als der konfessionsgebundene Religionsunterricht ohne explizites Bekenntnis zum Glauben ist. Nach den Worten von Lorz werden rund 1200 Kinder und Jugendliche an 27 Standorten am Ditib-Unterricht teilnehmen, weitere rund 1000 Schülerinnen und Schüler besuchen an 22 Standorten den Islamunterricht des Landes.

Ganztagsangebote

Lorz sieht Hessen auf einem guten Weg, den vom Jahr 2026 an geltenden Rechtsanspruch auf einen ganztägigen Betreuungsplatz für Grundschulkinder erfüllen zu können. Mehr als 90 Prozent aller weiterführenden Schulen und über 70 Prozent aller Grundschulen im Land verfügten mittlerweile über ein Ganztagsprogramm mit verlässlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten, erklärte er. Um den Ausbau dieser Angebote sicherzustellen, ständen für den Ganztag 4330 Lehrerstellen und damit 350 mehr als im Vorjahr zur Verfügung.

Deutschförderung

Um Schülerinnen und Schüler mit und ohne Migrationsgeschichte beim Deutschlernen zu unterstützen, hatte Hessen im vergangenen Schuljahr ein Maßnahmenpaket eingeführt. Pflicht sind ab dem neuen Schuljahr nun unter anderem Vorlaufkurse für alle Kinder im Vorschulalter mit Schwierigkeiten in Deutsch und eine zusätzliche Deutschstunde in der 3. und 4. Jahrgangsstufe.

Kritik der Landtagsopposition

Die SPD-Landtagsfraktion erwartet im kommenden Schuljahr einen dramatischen Lehrkräftemangel. Die Landesregierung setze auf „Laien als Lehrer, die mit Kettenverträgen bis zu fünf Jahre unterrichten, ohne dafür qualifiziert zu werden”, kritisierte Bildungsexperte Christoph Degen. „Dabei sind gut ausgebildete Lehrkräfte entscheidend, um Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern zu steuern und für gleiche Bildungschancen zu sorgen.”

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Elisabeth Kula, beklagte unter anderem marode Schulgebäude, einen massiven Unterrichtsausfall und einen hohen Krankheitsstand an den Schulen. Zudem sei unklar, wie der Betrieb der Schulen im Winter mit Blick auf den drohenden Gasmangel sichergestellt werden soll. Moritz Promny, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, erklärte: „Der Minister muss sich prioritär um eine adäquate Lehrkräfteversorgung und um die Digitalisierung der Schulen kümmern, statt sich auf Nebenschauplätzen zu tummeln.”

© dpa-infocom, dpa:220901-99-597203/4 (dpa/lhe)

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