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Tag 7Sich selbst entdeckt

Lesezeit 3 Minuten

Martin Gätke will Nichtraucher werden - wir begleiten ihn dabei.

Gespart: 135 Zigaretten, 33,75 Euro, 1,35 g Teer

Rauchfrei seit: 6 Tage, 18 Stunden

Die Flimmerhärchen auf der Lunge erreichen allmählich Normalfunktion. Die Lunge reinigt sich verstärkt.

Fast 1,5 Gramm Teer habe ich mittlerweile gespart – das ist mehr als ein halbes Gummibärchen, das nicht in meiner Lunge klebt. Eine Woche rauchfrei. Ich kann mich nicht an eine Zeit innerhalb der letzten zehn Jahre erinnern, in der ich so lange keine Zigarette geraucht habe. Natürlich hinterlässt diese Zeit Spuren, die sich nicht innerhalb von sieben Tagen auslöschen lassen:  Ich klinge noch immer wie ein altes Brauereipferd, wenn ich eine Treppe hoch laufe – mein Gesicht puterrot, meine Brust rasselnd.  Alle paar Stunden überfällt mich entweder ein ekelhafter Husten, der ein Zeichen dafür ist, dass sich meine Lunge allmählich erholt. Oder eine Lustattacke, die ein Zeichen dafür ist, dass ich das Verlangen noch nicht richtig verloren habe.

Viel Tee, Durchatmen, Spaziergänge, Flucht in Ablenkung.

Eine Woche rauchfrei. Und ich klopfe immer noch meine Manteltasche ab, bevor ich aus dem Haus gehe: Schlüssel, Handy, Börse, Zigarett…ach nein. Es war auch eine Woche, in der ich nicht nur meinen Körper neu kennenlernen durfte - oder musste. Sondern auch meine Gefühlswelt.  Da ist plötzlich nicht mehr die Rettungs-Zigarette, die Seelenschutt betäubt und Kummer wegradiert. Oder die Relax-Zigarette, die von einem stressigen Tag abschalten lässt. Oder die Dessert-Zigarette, die sowieso ein Muss nach jedem Essen ist. Oder die Gute-Nacht-Zigarette. Nein, nur ich und meine Gefühle. Gefühle, mit denen ich ganz anders umgehen muss: Viel Tee, Durchatmen, Spaziergänge, Flucht in Ablenkung. Manchmal haben neue Strategien funktioniert, manchmal bin ich fast durchgedreht. Doch in jedem Fall habe ich mich neu entdeckt.

Gelegentliche Hilflosigkeit

Eine Woche rauchfrei. Und ich fühle mich an der Bushaltestelle ohne Zigarette noch immer so, als hätte ich keine Hose an – nackt, unvollständig. Ich kann weiterhin keinen „frischen“ Rauch von glühendem Tabak riechen. Oder ihm zusehen, wie er in anderen Mündern verschwindet. Kurzum: Gelegentlich bin ich noch ziemlich hilflos. Doch ich habe durchgehalten. Es gab unzählige Momente, die mich schwach gemacht haben innerhalb der letzten Tage. Momente, in denen ich gedacht habe: „Komm, egal. Rauch eine, das muss doch auch keiner wissen.“ Ich habe widerstanden. Und allmählich werde ich dafür belohnt: Ich kann meine Umwelt mehr genießen. Ich habe mehr Stunden vom Tag. Ich fühle mich insgesamt einfach wohler.

Ich weiß, dass der Rauchstopp gar nicht das schwierigste ist – trotz aller miesen Stimmungen, die man durchstehen muss. Das schwierigste ist es, nicht wieder anzufangen. Nicht nur den Schalter zu finden, der das  Rauchverlangen abschaltet. Sondern ihn komplett abzumontieren und mitsamt aller Kabel wegzuwerfen. Das habe ich – ehrlich gesagt – noch nicht geschafft.

Immerhin: Ich habe es fertig gebracht, meine letzte Zigarette zu entsorgen, die ich am Wochenende im Schrank vergraben habe. Mit viel Überwindung und viel Mut. Aber: nicht ohne Wehmut.