Bahn-PilotprojektWarum der RE zwischen Erftstadt und Hürth keinen Diesel verbraucht

Lesezeit 3 Minuten
Michael Schmitz spart Diesel ein.

Michael Schmitz spart Diesel ein.

  • Mit einem Assistenzsystem will die Bahn den Kraftstoff-Verbrauch im Kölner Netz senken.
  • Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Der Energieverbrauch wurde von Januar bis Juli 2020 um rund 390.000 Liter gesenkt.
  • Wir haben einen Lokführer auf der Strecke von Euskirchen nach Köln begleitet.

Köln – Wenn 138 Tonnen erst einmal ins Rollen kommen, kann Michael Schmitz, 39, abschalten. Den Schub, nicht die Konzentration. Neun Kilometer gleitet der Regional-Express 22 zwischen Erftstadt und Kalscheuren dahin, ohne einen Tropfen Diesel zu verbrauchen.

Das musste Schmitz trotz seiner elf Jahre Berufserfahrung auch erst einmal lernen: Selbst auf gerader Strecke und bei leichten Steigungen kurz vor dem nächsten Halt kann es sich lohnen, die Finger vom Gashebel zu lassen.

Das Resultat seiner Spritsparbemühungen zwischen Euskirchen und Köln kann Schmitz auf einem Display im Führerstand ablesen, als der Triebwagen auf Gleis 1 im Kölner Hauptbahnhof pünktlich um 12.48 Uhr zum Stehen kommt. 30,1 Liter liegt er bei mit seiner Fahrt unter dem Verbrauchsdurchschnitt auf dieser Strecke, das sind 19 Prozent weniger. Schmitz ist zufrieden. „Einerseits darf man nicht zu schnell fahren, andererseits beim Ausfahren aus einem Bahnhof auch nicht bummeln. Das ist schlecht für die Pünktlichkeit und den Energieverbrauch.“

Bis vor kurzem mussten sich Schmitz und seine 250 Lokführer-Kollegen, die regelmäßig auf den Diesel-Strecken rund um Köln unterwegs sind, einzig auf ihr Fahrgefühl verlassen, wenn sie möglichst wenig Energie verbrauchen wollten.

„Beim Diesel kannten wir bisher nur den Durchschnittsverbrauch zwischen zwei Tankfüllungen, hatten aber keinerlei Analyse-Möglichkeiten“, sagt Anna Elsinghorst, bei DB Regio in Nordrhein-Westfalen für das Thema Energieeffizienz verantwortlich.

Das hat sich geändert. Im April 2019 hat die Bahn damit begonnen, bundesweit 320 besonders verbrauchsstarke Dieselfahrzeuge mit Assistenzsystemen nachzurüsten, darunter auch die 58 Triebwagen des Kölner Dieselnetzes.

Lokführer wie Martin Schmitz erhalten über Displays in Echtzeit Empfehlungen für eine energiesparende Fahrweise. Die Telematik-Systeme erfassen in der ersten Phase die Verbrauchsdaten, werten sie aus und zeigen dem Lokführer, wie er möglichst sparsam unterwegs ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dabei gilt: Sicherheit und Pünktlichkeit haben Vorrang vor der Wirtschaftlichkeit. „Bei Verspätungen bekommen die Lokführer andere Empfehlungen als bei pünktlichen Fahrten“, sagt Anna Elsinghorst. Jede einzelne Fahrt werde ausgewertet und in das System eingespeist. „So erhalten wir mit der Zeit ein immer genaueres Bild.“

Verspätungen aufholen und trotz sparsam unterwegs sein – das müsse nicht in jedem Fall ein Widerspruch sein. Auf der Fahrt von Köln nach Erftstadt tritt Martin Schmitz den Beweis an. Mit fünf Minuten Verspätung verlässt die Regionalbahn den Hauptbahnhof, kommt pünktlich in Erftstadt an und liegt trotzdem noch fünf Prozent unter dem Durchschnittsverbrauch. „Wir haben auf dieser Strecke tagsüber einen kleinen Zeitpuffer“, erklärt Schmitz. Das System helfe ihm dabei, die richtige Balance zwischen Pünktlichkeit und spritschonender Fahrweise zu finden.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Allein im Kölner Dieselnetz konnte der Energieverbrauch von Januar bis Juli 2020 um rund 390 000 Liter gesenkt werden. Zwischen Köln und Euskirchen machte die DB eine erstaunliche Erfahrung. Die Züge der Regionalbahn 24 waren bei gleichen äußeren Umständen wie Uhrzeit, Fahrzeugbaureihe und Wetter je nach Fahrweise mit großen Unterschieden unterwegs. Für die 65 Kilometer lag die Spannbreite beim Verbrauch zwischen 110 und 140 Liter. Das ist eine Differenz von fast 30 Prozent.

Bundesweit will die Bahn mit der neuen Technologie bei Zügen und Bussen rund 100 000 Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht dem jährlichen Heiz- und Stromverbrauch einer mittelgroßen Stadt.

„Wir entwickeln das hier im Dieselnetz Köln. Das ist eines von mehreren Pilotprojekten in Deutschland“, sagt Anna Elsinghorst. „Wir nennen das die erste Welle. Wenn das System ausgereift ist, soll es auf andere Baureihen und an der Dieselnetze in NRW ausgeweitet werden.“ Bisher seien die Erwartungen erfüllt worden. Bundesweit konnte der Energieverbrauch von DB Regio um zehn Prozent gesenkt werden. Das erwartete Einsparpotenzial pro Jahr liegt auf ganz Deutschland berechnet bei 11,5 Millionen Litern Dieselkraftstoff.

KStA abonnieren