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Geschichte in Bad MünstereifelHarald Bongart erforscht das Leben des Mörders Johann Müller

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Bad Münstereifel – Man stelle sich Bad Münstereifel vor – im Jahre 1801. Damals war die Kurstadt ein beschauliches Städtchen und die Bürger lebten unter dem Regiment der Französischen Republik. Man kannte sich und man wusste, um wen man einen Bogen machen musste. Ganz oben stand auf der Liste Johann Müller aus Schönau. Dieser Johann Müller, im Ort bekannt als Räuber, Mörder, Brandstifter und Erpresser, wanderte an einem Tag im Jahre 1801 durch die Gassen von Bad Münstereifel, als sei er kein stadtbekannter Verbrecher. Er kehrte in das Gasthaus Karbach – heute trägt es den Namen „En de Höll“ – ein und ließ sich süßen Wein und Bratwurst bringen. Müller lud andere Gäste ein, mit ihm zu essen und zu trinken, als könne ihm nichts passieren.

„Er muss ein großes Selbstbewusstsein gehabt haben“, vermutet der Bad Münstereifeler Historiker Harald Bongart, der versucht, die Lebensgeschichte des Räubers Johann Müller zu rekonstruieren. Müllers Selbstbewusstsein wurde ihm allerdings zum Verhängnis. Jemand berichtete dem Brigardier, dem Anführer der Gendarmerie, davon, dass Müller im Gasthaus Karbach speise. Die Gendarmen fackelten nicht lange und versuchten, den Verbrecher dingfest zu machen. Als sie in das Gasthaus stürmten, zog Müller zwei Pistolen und feuerte auf die Ordnungshüter. Die Pistolen jedoch versagten ihm den Dienst. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem Müller einen Gendarmen mit einem Hammer verletzte. Es wurde seine letzte Missetat. Er wurde in Ketten gelegt und nach Koblenz verfrachtet. Dort wurde ihm der Prozess wegen zehn Straftaten gemacht. Am Mittwoch, 18. November 1801, wurde Müller mit dem Fallbeil hingerichtet.

Diese Begebenheit hat Harald Bongart durch verschiedene historische Quellen rekonstruieren können. Vieles allerdings aus Müllers Leben liegt noch im Dunkeln.

„Er hat 55 weitere Taten bei der Beichte gestanden. Und zwei gescheiterte Verbrechen“, erzählt Bongart. Über diese Vergehen weiß man fast nichts. Zwei Taten des Räubers allerdings konnte Bongart rekonstruieren.

So hat Müller im Dezember 1798 einen Hof in Roderath überfallen. Er wählte einen Zeitpunkt, als das gesamte Dorf im nächsten Ort zur Messe war. Allerdings traf Müller im Steiner Hof auf Barbara Brück, die alleine im Haus geblieben war. Er misshandelte die Frau, schlug sie, zerrte sie an den Haaren, bedrohte sie mit der Pistole und verlangte Geld von ihr. Schließlich machte er sich mit 72 Kronen davon. Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass Müller diese Tat als einzige bereut hat. Barbara Brück musste damals sogar bei seinem Prozess in Koblenz aussagen.

In späteren Texten kommt es zu Verklärungen, die Müller als eine Art Eifeler Robin Hood beschreiben. Diese Darstellungen, so betont Bongart, ließen sich aber aus den historischen Fakten nicht bestätigen. Müller habe seine Beute in Wirtshäuser und bei Prostituierten durchgebracht, während seine Familie Hunger gelitten habe.

„Ein Robin Hood war er sicher nicht“, betont Bongart. Eine weitere Anekdote aus dem Leben des Gauners belegt das: Kurz vor seiner Verhaftung stahl Müller den Ochsen eines Bauern Pfahl aus Esch. Der Ochse aber riss sich los und kehrte in seinen Stall zurück. Im Dorf wurden nach diesem versuchten Diebstahl Wachen aufgestellt. Trotzdem gelang es Müller, den Ochsen ein zweites Mal zu stehlen. Er schlachtete das Tier im Wald, musste das Fleisch aber zurücklassen. Die Dorfbewohner sammelten das Fleisch ein.

Müller allerdings war der Ansicht, dass Fleisch stehe ihm zu und erpresste den Bauern. Dazu drohte er den Dorfbewohnern und zündete sogar das Backhaus in Soller an, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. „Der betroffene Bauer war so arm, dass er nicht alleine von der Landwirtschaft leben konnte. Wäre Müller ein Robin Hood gewesen, hätte er ihm Geld gebracht, statt ihn zu bestehlen“, sagt Bongart.

Vieles aus Müllers Leben aber ist ungewiss. Schon seit einigen Jahren arbeitet Bongart immer wieder daran, den Lebenslauf des Räubers zu rekonstruieren. Es ist bekannt, dass Müller aus Schönau stammte. Das Kirchenbuch aus der Zeit um Müllers Geburt allerdings gibt keine klaren Auskünfte.

„Johann Müller ist ein Allerweltsname“, so Bongart, „ich habe im möglichen Zeitraum von Müllers Geburt sechs Kinder mit diesem Namen ausfindig gemacht und in vier Fällen heißt auch der Vater Johann Müller.“

Zudem heißt es in der Sekundärliteratur, Müllers Eltern seien wohlhabend gewesen. Damit unterscheidet er sich von den anderen Räubern dieser Zeit wie dem „Fetzer“ oder dem berühmten „Schinderhannes“. Die Information reicht aber nicht, um Müller zu identifizieren.

„Das wichtigste Stück vom Puzzle fehlt eigentlich noch“, bedauert Bongart. Viele Hinweise zu Müller fand der Historiker, wenn er eigentlich auf der Suche nach anderen Informationen im Archiv war. Auf so einen Hinweis wartet Bongart auch im Moment, denn die systematische Recherche ist vorerst an ihre Grenzen gestoßen.