MedienDr. Counter-Strike gibt Entwarnung

Abitur hat Dr. Judith Ackermann am St.-Michael-Gymnasium gemacht, inzwischen ist sie als Medienwissenschaftlerin erfolgreich.
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Bad Münstereifel – Eigentlich wollte sie Schauspielerin werden. Nun hat sie eine Gastprofessur an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam und arbeitet in Oberkassel beim Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Ein renommiertes Wirtschaftsmagazin nannte sie unlängst „Dr. Counter-Strike“.
Wenn man mit Dr. Judith Ackermann spricht, kann man das Gefühl bekommen, sie könne selbst noch nicht ganz fassen, wie schnell das alles ging. 2001 machte die heute 30-Jährige ihr Abitur am St.-Michael-Gymnasium in Bad Münstereifel und studierte daraufhin an der Uni Bonn Medienwissenschaften.
Die anschließende Ausbildung an einer Schauspielschule brach sie ab. Promovieren war ihr zu diesem Zeitpunkt wichtiger. Ihre Doktorarbeit war es schließlich auch, mit der ihr der wissenschaftliche Durchbruch gelang. Und das, obwohl die Promotionsarbeit den etwas umständlichen Titel „Formen und Auswirkungen kommunikativer Aneignung von Spiel und Technik auf LAN-Partys – eine konversationsanalytische Betrachtung der direkten Kommunikation Jugendlicher beim gemeinschaftlichen Computerspielen“ trug. Bei so genannten LAN-Partys trifft sich eine Gruppe von Leuten, deren Computer durch ein lokales Netzwerk (Local Area Network, kurz LAN) verbunden werden, um gegen- beziehungsweise miteinander zu spielen.
Wissenschaftliches Neuland
Mit ihrer Arbeit betrat Ackermann wissenschaftliches Neuland. „Als ich zu promovieren beschlossen habe, war von Beginn an klar, dass es etwas mit Computerspielen zu tun haben wird. Das ist ein breites Feld, in dem es noch viel Forschungsarbeit zu leisten gilt“, erklärte sie im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Hinzu kam bei ihr ein „Faible für Konversationsanalyse“ – die Idee, LAN-Partys hinsichtlich der dort stattfindenden Kommunikation zu untersuchen, war geboren. Dabei entschied sich die Medienwissenschaftlerin bewusst gegen eine Analyse durch Umfragen oder Interviews. „Es ging mir um Authentizität. Vielen Spielern ist gar nicht bewusst, wie viel sie während des Spiels reden“, begründet Ackermann ihre Entscheidung.
Sie organisierte drei Teams, die jeweils aus acht bis zwölf Personen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren bestanden. Eine Gruppe setzte sich nur aus Männern zusammen, eine allein aus Frauen, das dritte Team war gemischt. Die Ergebnisse wiesen jedoch keine großen Differenzen zwischen den verschiedenen Gruppen auf. Bei allen drei Teams beobachtete Ackermann vergleichbare kommunikative Handlungsweisen. Die Partys fanden an der Uni statt, der entsprechende Raum war mit Kameras und Mikrofonen ausgestattet.
Die Erkenntnisse, die Ackermann schlussendlich aus ihren Beobachtungen gewann, waren durchaus überraschend. „Ich habe 18 Stunden Material gesammelt, in gerade einmal 13 Minuten davon wurde nicht gesprochen“, so die Wissenschaftlerin. Und die Kommunikation habe sich dabei nicht auf Floskeln der Sorte „Hilfe, ich bin tot!“ beschränkt. Eines der hartnäckigsten Vorurteile gegen LAN-Partys sei damit entkräftet, sagt sie. „Landläufig wird die Meinung verbreitet, bei solchen Veranstaltungen würden die Teilnehmer in schummriger Atmosphäre wortlos vor ihren Monitoren sitzen. Dem ist nicht so.“
Von Beginn an spiele bei solchen Zusammenkünften Kommunikation eine wichtige Rolle. „Am Anfang muss die Technik aufgebaut werden, da muss man sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam Lösungsstrategien entwickeln“, erklärte Ackermann. Denn Probleme bei der Technik entstünden eigentlich immer. Im Anschluss wird geklärt, welches Spiel gespielt wird. Damit sind Fragen verbunden, beispielsweise wer welches Spiel besitzt. Ist die Spiele-Frage geklärt, müssen Teams gebildet werden.
Gegenseitige Unterstützung
„Es entstehen unglaublich viele Gruppenprozesse. Dabei müssen unter anderem Kompromisse geschlossen werden“, analysierte die gebürtige Kirspenicherin. Außerdem sei aufgefallen, dass sich die Anwesenden in allen Bereichen gegenseitig unterstützen. So leiten bessere Spieler die schlechteren beispielsweise an. „Dafür ist eine gewisse Übersetzungsleistung notwendig, damit es der Laie auch versteht.“
So vertritt Ackermann die These, dass das Spiel bei einer LAN-Party zwar das auslösende Moment sei, aber später etwas in den Hintergrund trete. Teilnehmer könnten dort durchaus soziale Kompetenzen entwickeln und verfeinern. „Das kann im Berufsleben wertvoll sein“, so Ackermann. „Man lernt unter anderem das zielgerichtete Organisieren von Teams und eine zielgruppengerechte Ansprache – das heißt: Inhalte verständlich zu vermitteln.“
Gespielt wurde auf den beobachteten Partys unter anderem auch der Ego-Shooter „Counter-Strike“. Die Kritik an den so genannten „Ballerspielen“ kann die 30-Jährige, die auch selbst gerne spielt, nicht immer nachvollziehen. „Ob man jetzt Counter Strike oder Super Mario spielt, die Gespräche sind oftmals gleich“, sagt sie. In beiden Fällen sind sie emotional. „Egal, ob ich nun auf eine Schildkröte springe oder eine Bombe entschärfe.“ Die Rahmungskompetenz sei dabei das Wichtigste. „Es muss immer klar sein, dass es sich um ein Spiel handelt, nicht um die Realität.“