Von Ehrenamtlichen betriebenDas Ahrtalradio leistet unermüdlich Aufbauhilfe

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Das Studio des Ahrtalradios ist kaum größer als zehn Quadratmeter.

Bad Neuenahr/Kuchenheim – Einmal noch die Wetteraussichten, wie immer kurz vor der vollen Stunden, dann ist Christian Millings Dienst an diesem Tag so gut wie vorbei. Der Kuchenheimer hat wieder von 6 bis 10 Uhr am Mikrofon gesessen. Milling ist nicht nur Moderator, er ist der Macher des Ahrtalradios, das aus einem provisorischen Studio im Neuenahrer Stadtteil Heppingen sendet.

Auf der UKW-Frequenz 107,9 MHz sowie Füllfrequenzen versorgen Milling und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter das von der Hochwasserkatastrophe schwer getroffene Tal zwischen Altenahr und Bad Neuenahr-Ahrweiler sowie angrenzende Gebiete mit einem bunten und gleichzeitig informativen Programm. Das Ahrtalradio ist auch weltweit über den Live-Stream zu hören.

„Kuchenheim ist von der Flut zum größten Teil verschont worden. Weil meine Frau und ich unbedingt helfen wollten, kam uns die Idee mit dem lokalen Radio. Jetzt senden wir aus dem Ahrtal für das Ahrtal, um den Wiederaufbau zu unterstützen.“

Palina und Christian Milling sind vom Fach. Sie ist ausgebildete Journalistin, er sammelte seine ersten Erfahrungen 1997 bei Radio Euskirchen. Als freier Mitarbeiter verfasste er Beiträge, gleichzeitig kümmerte er sich mit um die Technik. Bei Norbert Jeub, dem Chefredakteur, „konnte ich alles machen – das war das Schöne“.

Genehmigung schnell erhalten

Milling absolvierte eine Ausbildung als Fachinformatiker („immer medienbezogen“) und war in vorderster Front dabei, als 2002 anlässlich des Euskirchener Stadtjubiläums der Sender Radio 700 aus der Taufe gehoben wurde. Heute leiten er und Rudolf Kauls als Geschäftsführer die in Nettersheim ansässige Firma Milling Broadcast Services. Das Unternehmen baut Radiostudios und UKW-Sendeanlagen für private Anbieter.

Die Einrichtung war also schnell zur Hand, als die Pläne für das Ahrtalradio konkret wurden. Fehlte noch die Einwilligung der Behörden. „Das Prozedere dauert normalerweise mehrere Monate. Bei uns waren es nur sechs Wochen, wegen des dringenden Bedarfs“, erzählt Christian Milling von der Zustimmung der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, die die Programmlizenz erteilte, und der Freigabe der UKW-Frequenz durch die Bundesnetzagentur.

Den gerade einmal gut zehn Quadratmeter großen Raum für das Studio steuerte die Pfarrgemeinde Heppingen bei. Dort, direkt neben der Kirche St. Martin, laufen die Fäden zusammen, seit das Ahrtalradio am 4. September auf Sendung ging.

Team zwischen 20 und 70 Jahren 

Das Team besteht aus rund 20 Leuten, die zum Teil auch von zu Hause aus arbeiten. „Die Nachrichten liest heute zum Beispiel eine Kollegin, die in Remagen wohnt“, sagt Milling. Die Technik macht’s möglich: Die Sprecherin benötigt dafür lediglich einen Computer und ein Mikro.

Bei den Frauen und Männern, die das Programm gestalten, handelt es sich um Ehrenamtler im Alter von Anfang 20 bis Ende 70. Viele sind freie Journalisten, die quer durch Deutschland bei großen Sendern arbeiten. Sie waren von Millings Projekt so angetan, dass sie ihre Unterstützung anboten. „Einer von ihnen hatte vor 20 Jahren zum letzten Mal moderiert. Jetzt macht ihm die Arbeit bei uns große Freude“, berichtet der 42-Jährige.

Auf dem Berg

Die Hauptantenne des Ahrtalradios steht oben auf dem Berg: neben der Kapelle Maria Hilf auf der Landskrone. Sonntags überträgt der Sender Gottesdienste aus der Kirche St. Martin in Heppingen. Das Studio des Senders ist gleich nebenan untergebracht. (ejb)

www.ahrtalradio.de

Zusammen präsentieren die Radiomacher eine Mischung aus Information, Service und Unterhaltung für die Bewohner des Ahrtals, von denen viele auch mehr als zwei Monate nach der Flut noch keinen Internet-Anschluss haben. Im Ahrtalradio hören sie Sendungen wie „Vitamin Ahr“, „Von Ahr bis Z“ oder auch „Mittags an der Ahr“.

Die Weltnachrichten werden – unentgeltlich – von der Deutschen Presseagentur zugeliefert. Darüber hinaus geht es um Neuigkeiten von lokaler und regionaler Bedeutung, „die kein anderer Sender bringt“, wie Christian Milling betont. Egal, ob eine Brücke repariert oder eine Straßensperrung aufgehoben worden ist: Das Ahrtalradio berichtet. „Wir vermelden das, was die Leute hier interessiert.“

Hilfe bei rechtlichen Fragen - und allem anderen

Hinzu kommen Reportagen, etwa über die Weinlese, die gerade begonnen hat, Wetterbericht und Verkehrsfunk, Tipps rund ums Auto und für den Garten sowie Service-Rubriken wie „Alles, was Recht ist“. Hier beantwortet ein Experte Fragen von Hörerinnen und Hörern zu Versicherungsfragen und anderen juristischen Themen.

Unter dem Stichwort „Hoffnungsschimmer“ laufen schöne Geschichten, „die man“, so Milling, „trotz aller Trauer nach einer Katastrophe auch braucht“ – wie die von dem Mann, der im Schlamm, den das Hochwasser zurückgelassen hatte, unerwartet seinen Ehering wiederfand.

Die Redaktion hat außerdem eine „Pinnwand“ eingerichtet, um Hilfsbedürftige mit Helferinnen und Helfern zusammenzubringen. Wer Handwerker, Material oder Geräte benötigt, kann sich an den Sender wenden.

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Moderator Milling hat gerade den letzten Musiktitel vor den 10-Uhr-Nachrichten angesagt, als das Telefon im Studio klingelt. Eine Hörerin bittet ihn, noch einmal auf das Baustoffzelt in Walporzheim hinzuweisen, ein Materiallager für Menschen, die von der Flut betroffen sind.

Unternehmen, die von der Katastrophe heimgesucht worden sind, schenkt der Sender jeweils 60 Werbespots. Daneben geht bezahlte Werbung über den Äther. „Wenn wir am Ende einen Überschuss generiert haben sollten, geht das Geld an die Fluthilfe“, sagt Christian Milling.

Geplant ist, dass das Ahrtalradio bis zum 3. Oktober auf Sendung bleibt. „Weil die Rückmeldungen aus der Region so stark sind, kann es aber sein, dass wir verlängern“, fügt der Kuchenheimer hinzu. „Ich führe schon Gespräche mit den Behörden.“

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