RundflügeBetroffene aus Schuld erhalten einen besonderen Blick aufs Flutgebiet an der Ahr

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Das Bild zeigt ein Kind mit einer roten Sonnenbrille und eine Frau in einem kleinen Flugzeug. Beide tragen Kopfhörer mit Mikrofon.

Den Blick auf Schuld undd die Ahr von oben erlebten auch Renate Henssler und ihre Enkelin Mia beim Rundflug.

Mit Rundflügen bot die Segelfluggruppe Wershofen Flutbetroffenen aus dem benachbarten Schuld einen besonderen Blick auf die Heimat.

„Ahr fliegen – Kleine Auszeit.“ Unter diesem Motto hat die Segelfluggruppe Wershofen einen kostenlosen Rundflugtag für Betroffene der Flutkatastrophe aus der Nachbargemeinde Schuld gestellt. 50 Flüge hat das Ehrenamtlichen-Team des Vereins durchgeführt.

„Das ist schon sportlich.“ Peter Wasel, Geschäftsführer der Segelfluggruppe, blickt auf den Abflugplan, den der Tower auf dem kleinen Flugplatz oberhalb von Wershofen in den kommenden Stunden abwickeln will. Doch Wasel ist zuversichtlich. 50 Starts und Landungen – das werde schon klappen, sagt er.

Wershofener Flieger organisieren einen schönen Tag 

Er sollte Recht behalten. Denn bei schönstem Flugwetter sind alle 30 Aktiven des Vereins im tatkräftigen Einsatz. Einige von ihnen waren ja entweder selbst von der Flut an einem der zulaufenden Bäche betroffen oder sie kennen Betroffene in Schuld oder den Nachbarorten an der Mittelahr. Man packte damals mit an, half, wo man konnte.

Nicht jeder kann Häuser wieder aufbauen, aber wir können den Menschen einen schönen Tag bieten, die es wirklich verdient haben.
Herbert Nett, Vereinspräsident

„Nicht jeder kann Häuser wieder aufbauen, aber wir können den Menschen einen schönen Tag bieten, die es wirklich verdient haben“, so Vereinspräsident Herbert Nett zum Flugtag für die Flutopfer. In Schuld war das auf 50 Mitflugplätze begrenzte Angebot schnell Dorfgespräch und ausgebucht, so Dagmar Hoffmann vom „Kompetenzteam Dorfentwicklung und Soziales“.

Flutbetroffene aus Schuld fliegen über ihre Heimat

Einmal mitfliegen in einem der vereinseigenen Segelflugzeuge oder einem zwei- oder viersitzigen Motorflugzeug, das wollten viele. Also wurden die Piloten gebrieft, im Tower erstellte man die Abflug- und Landepläne, in den Haushalten der Vereinsmitglieder wurde gebacken für Kaffee und Kuchen im Flughafenrestaurant. Und die VR-Bank Rhein-Ahr-Eifel, so der Adenauer Filialleiter Alex Frings, übernahm als Sponsor alle Kosten.

Das Bild zeigt einen winkenden Mann auf einem roten Oldtimer-Traktor. Im Anhänger dahinter sitzt eine ebenfalls winkende Gruppe Menschen.

Den Ausflug im Treckeranhänger zum Flugtag für die Flutbetroffenen genoss diese Gruppe aus Schuld.

Mäuselöcher in der kurzgemähten Wiese, darunter felsiger Boden – es rumpelt wie bei einer Trekkerfahrt übers Feld, als Herbert Nett seine viersitzige Piper Cherokee, Baujahr 1973 und 180 PS stark, auf Geschwindigkeit bringt. An Bord sind die zehnjährige Mia aus Schuld und ihre Oma Renate Henssler, die in Hönningen lebt. Das Mädchen ist bei seiner Flugpremiere durchaus etwas angespannt, als Pilot Nett nach der Steigrunde rund um den Flugplatz die Kuppenlandschaft über Wershofen verlässt und Richtung Ahrtal abbiegt.

Die Spuren der Katastrophe prägen noch das Landschaftsbild an der Ahr

Dichte grüne Wälder, dazwischen ein schmaler Bach. Die Ahr mäandert durch ihre Täler. „Kaum zu glauben, dass das so eine Katastrophe war, wenn man die Ahr jetzt sieht“, sagt Renate Henseler. Wenige Sekunden später sieht sie aus dem Fenster der Cherokee hinab auf weit ausgewaschene, braune Flächen an den Bachufern bei Schuld. Es sind Überflutungsspuren, die noch lange das Landschaftsbild prägen werden.

Kaum zu glauben, dass das so eine Katastrophe war, wenn man die Ahr jetzt sieht
Renate Henseler

Senior Herbert Schlösser bleibt beim Flugtag Zaungast am Boden. Er freut sich auf der Terrasse des Flughafenrestaurants auf Kaffee und Kuchen. Was vor zwei Jahren war? Keller und Erdgeschoss standen in der Nacht vom 14. zum 15. Juli unter Wasser. Zum Glück war sein Haus gut versichert gegen solche Elementarschäden. Zum Jahreswechsel 2021/22 konnte Schlösser schon wieder einziehen.

Vor dem Start des Segelfliegers steht die Sicherheitseinweisung

Alwin und Pia Brenner aus Schuld, die gerne in die Luft gehen würden, waren zwar nicht selbst betroffen, dafür aber wichtige Unterstützer: In zwei Hochseecontainern lagerten, warteten und verliehen sie auf ihrem vor Hochwasser sicheren Grundstück über Monate hinweg bis zu 130 Bautrockner. Gottfried Holzem wiederum ist gerade wild entschlossen. Er geht die zwei Tritte der „Gangway“ hoch und zwängt sich in den Sitz der engen Kabine des rot lackierten Segelfliegers.

Auf dem Bild sind ein Mann und zwei Frauen zu sehen, die den Flugtag in Wershofen besuchten.

Alwin und Pia Brenner aus Schuld hatten nach der Flut bis zu 130 Bautrockner an die Betroffenen verliehen. Dagmar Hoffmann (r.), Mitarbeiterin im Kompetenzteam in Schuld, hatte für den Flugtag geworben.

Vor ihm sitzt Pilot Klaus Ohlenhardt. Holzem hat die Sicherheitseinweisung hinter sich, Rettungsfallschirm und Fünf-Punkt-Gurt angelegt, als die Passagierluke geschlossen wird. Das Startkommando erklingt, das 1000 Meter lange Nylonseil an der Zugwinde spannt sich. Der Flieger rollt los, hebt ab. Im 60-Grad-Winkel geht es steil in die Höhe. Dann das Ausklinken, mit einem Ruck packt der Wind den Flieger, der danach lautlos seine Runden über dem Flugplatz dreht, bevor ihn Ohlenhardt wieder behutsam landet.

Die Betroffenen in Schuld haben nach der Flut viel Hilfe erfahren

Gottfried Holzem ist zwar kurz noch etwas blass um die Nase, doch er hat ja Recht. „Wir haben die Flut überlebt, dann auch das“, hat er vor dem Start gesagt. Nach der Landung erzählt er: „Bei mir stand das Wasser im Erdgeschoss 1,20 Meter hoch. Alles war hinüber, und das Haus nicht versichert.“

Das Bild zeigt einen Blick in ein Segelflugzeug kurz vor dem Start: Der Pilot sitzt vorne, der Passagier dahinter. Eine Frau hilft ihm beim Anlegen der Sicherheitsgurte.

Hinter Pilot Klaus Ohlenhardt sitzt Gottfried Holzem im Segelflieger.

Er habe danach viel Zuwendung erfahren. Mit seinem Bruder und Freiwilligen habe er wiederaufgebaut. Doch bis er das Geld dafür aus dem Wiederaufbaufonds des Landes bekam, hat er eineinhalb Jahre warten müssen. Der Grund: Holzem war einem betrügerischen Schadensgutachter aufgesessen. Bis das zweite Gutachten erstellt und die Hilfsgelder beantragt und bewilligt waren, hat es seine Zeit gedauert.

„Was die hier von der Segelfluggruppe hingestellt haben – eine tolle Sache“, ist Holzem dankbar. Bis die Schäden, die die Flut an Gebäuden und vor allem an den Seelen vieler Betroffener in Schuld und den Nachbarorten angerichtet hat, beseitigt sind, werde es sicherlich noch weitere solcher Flugtage für die Betroffenen brauchen.

Die Idealisten von der Wershofener Segelfluggruppe, aber auch Unbekannte wissen das. Alex Frings von der VR-Bank kann es bestätigen: „Es kommen immer noch Spenden für die Flutopfer an.“

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