Echte FreundschaftEin Song für den kranken Simon – Video veröffentlicht

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Seinen Computer kann Simon Hellenthal mit den Augen steuern. Auf diese Weise hat er einen Fantasyroman geschrieben. Und so verfasst er auch seine Artikel für „Wir in Freilingen“.

Seinen Computer kann Simon Hellenthal mit den Augen steuern. Auf diese Weise hat er einen Fantasyroman geschrieben. Und so verfasst er auch seine Artikel für „Wir in Freilingen“.

Blankenheim-Freilingen – Die Musik ist gekonnt, das Video sehenswert und die komplette Ausführung hochprofessionell. Doch der Inhalt von „24 Zoll“ ist fernab jedweder verkaufsfördernder Herz-Schmerz-Romantik. Es ist eine Geschichte über nie endenden Mut und Lebensfreude, über Freundschaft und Solidarität. Und nicht zuletzt ist es eine Geschichte, die beweist, dass das Herz der Eifel immer noch auf dem rechten Fleck schlägt.

Simon Hellenthal ist vier Monate alt, als bei ihm Duchenne Muskeldystrophie diagnostiziert wird. Die Krankheit hat zunehmende Muskelschwäche bis hin zur völligen Bewegungslosigkeit zur Folge. So auch bei Simon. Heute kann der mittlerweile 28-jährige Arme und Beine nicht mehr bewegen, benötigt Pflege rund um die Uhr, muss im Rollstuhl geschoben und beatmet werden.

Download

Der Song „24 Zoll“ von Lukas Hellenthal feat. Dominic Sanz ist ab dem 30. Oktober auf allen Download-Plattformen erhältlich. Bereits ab dem 23. Oktober kann der Song bei iTunes vorbestellt werden. „Viele Vorbestellungen können uns für kurze Zeit in die Charts bringen, wenn das Video veröffentlicht wird“, hofft Sanz. Damit würden eventuell auch Radiosender auf den Song aufmerksam werden.

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Das Video zu dem Song ist ebenfalls ab Freitag, 30. Oktober, auf Youtube zu sehen. Infos auf der Internetseite „Wir in Freilingen“. (sev)

Doch statt in Selbstmitleid zu versinken, nimmt Simon in vollen Zügen am sozialen Leben in Freilingen teil, lässt kein Dorffest aus und ist als Reporter festes Mitglied des Redaktionsteams der Website „Wir in Freilingen“. Grund genug für seinen Cousin Lukas Hellenthal und Freund Dominic Sanz, ihm ein Lied zu widmen und seine außergewöhnliche Geschichte in Verse zu fassen.

„Geht das jetzt weg oder bleibt das für immer?“

„Ich weiß noch, wie du vor mir auf der Treppenstufe saßt, nicht mehr hochkamst und mich angesehen hast und fragst – was passiert jetzt, warum bin ich nur so schwach“, rappt Lukas Hellenthal seine Erinnerungen an die Krankheitsgeschichte seines Vetters. „Geht das jetzt weg oder bleibt das für immer? Der Arzt sagt, das wird ab jetzt noch schlimmer“, heißt es weiter, bevor der Refrain die Reifengröße von Simons Rollstuhl aufgreift: „Heute rollen wir auf 24-Zöllern durch die Gassen. Und trotzdem hat dich dein Lachen nie verlassen“.

Sind seit ihrer Kindheit Freunde: Dominic Sanz (l.), Simon Hellenthal und Lukas Hellenthal.

Sind seit ihrer Kindheit Freunde: Dominic Sanz (l.), Simon Hellenthal und Lukas Hellenthal.

Entstanden sei die Idee am 31. August, „abends bei ein paar Bierchen“, gestehen Lukas und Dominic. „Wir wollten immer was zusammen machen und haben dann den Song als Geschenk für Simon aufgenommen“, erzählt Sanz. „Als ich nach Hause gekommen bin, habe ich sofort die erste Strophe geschrieben“, ergänzt Lukas Hellenthal. Seinen Vetter habe er dann über Whatsapp nach seinem Einverständnis gefragt. Das sofort gekommen sei. „Ich war positiv erschlagen“, beschreibt Simon seine Gefühle in dem Moment.

Video veröffentlicht

„Es ist alles nach wahren Erlebnissen“, sagt Lukas über den Text. Die erste und dritte Strophe hat er verfasst, die zweite steuerte Dominic Sanz bei. Die Produktion ging im September in Ohlenhard bei Oliver deVille vonstatten. Das Video wurde im Oktober gedreht und mit alten Aufnahmen ergänzt. Ab Freitag, 30. Oktober, kann der fertige Song endlich angeschaut und angehört werden.

Es wird viel gelacht an dem Abend in dem Zimmer in Freilingen, als die beiden Musiker sich mit Simon treffen, um über das Lied zu sprechen. Denn Dominic Sanz, der normalerweise mit den „Söhnen Mannheims“ auf der Bühne steht, war mit Simon gemeinsam in der Schule. Mit Lukas Hellenthal, der als Sänger mit der Band „Penguin Suicide“ in der Eifel unterwegs war, verbindet ihn nicht nur der Wohnort Freilingen, sondern auch die Liebe zur Musik. Simon habe nie eine Sonderrolle gespielt: „Er wollte immer so behandelt werden wie wir“, erinnert sich Sanz. Und so hätten sie gar nicht gewusst, dass sie ihn vielleicht anders hätten behandeln müssen. „Wir haben einfach ganz normal Scheiß mit ihm gebaut“, erinnert er sich, zum Beispiel ganz schnell den Rollstuhl durch den Ort geschoben, in dem Simon seit dem neunten Lebensjahr sitzt.

„Die Krankheit haben wir als Kinder nicht verstanden, die war uns nie bewusst“, ergänzt Lukas. Da ist etwa Simons flottes Mundwerk. „Damit hat er die anderen immer fertiggemacht“, erzählt Lukas. Und Sanz berichtet, wie oft er sich über Simon geärgert habe: „Ich war manchmal kurz davor, ihm den Hals umzudrehen“, sagt er, lacht und ergänzt: „Das Schwaadmuul hat sich nie geändert.“ Mitleid? Fehlanzeige. „Wenn ich einen sehe, der Simon sieht und eine Träne im Auge hat, kriegt der von mir eine Kopfnuss“, droht Lukas. Und Simon gibt ihm recht: „Mitleid will ich nicht.“

Überwältigender Lebensmut

Der Lebensmut von Simon Hellenthal ist überwältigend. Weder seine eigene Bewegungsunfähigkeit noch der Tod des Vaters 2012 konnte ihm den nehmen. „So seltsam es klingt, es hat mich motiviert, dass ich nicht nur für mich weitermache, sondern auch für ihn“, sagt Simon. Er sehe das Positive und versuche, alles Dunkle zu verdrängen. „Es gibt neben dem Schlechten soviel Gutes, das einem sagt, dass man weiterkämpfen muss.“

„Mein großer Halt ist die Dorfgemeinschaft, Familie und Freunde“, beschreibt er seinen Rückhalt. Umso mehr treffen ihn die Einschränkungen durch Corona, denn mangels Dorffest oder Kirmes, die er normalerweise nicht auslässt, leiden seine Sozialkontakte. Diese finden zurzeit vor allem digital statt, über den Computer, den Simon mit seinen Augen steuern kann. Auf diese Weise hat er einen Fantasyroman geschrieben und verfasst seine Artikel für „Wir in Freilingen“.

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„Man schreibt so ein Lied nicht, ohne Mitleid zu erwecken“, resümiert Lukas Hellenthal abschließend. Doch das sei nicht die Absicht gewesen. „Es beschreibt einfach, wie es war, heute halt mit 24-Zöllern“, sagt er.

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