HistorieKriegsgefangenenlager in Blankenheim ist ein fast vergessener Teil der Geschichte

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Das Bild zeigt eine Postkarte in schwarz-weiß. Darauf das einstige Reichsarbeitsdienstlager am Bahnhof in Blankenheim.

Historische Postkarten zeigen das einstige Reichsarbeitsdienstlager 1/216 am Bahnhof in Blankenheim.

An das Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlager am Blankenheimer Bahnhof soll eine Gedenktafel erinnern. Dafür sorgte ein Heimatforscher.

Es ist kein gastlicher Ort. Das Gelände ist mit Gestrüpp überwachsen, es ist ungepflegt, hier und da liegt Müll herum. Doch zwischen den dürren Gehölzen zeigen grün leuchtende Moose in diesen Tagen im Spätwinter an, dass dieser Ort seine eigene Geschichte hat. Die Moose markieren unübersehbar die Streifenfundamente der Baracken des Kriegsgefangenenlagers, das hier vor vielen Jahren stand.

Die alten Fundamente, einige Mauerreste und die Reihe der rund 90 Jahre alten Fichten sind die einzigen Überbleibsel des Lagers, das direkt neben dem Blankenheimer Bahnhof lag. Doch auch wenn der Ort vergessen ist, lebten und litten auch hier Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Harte Arbeit, schlechte Versorgung und viele Krankheiten kennzeichneten die miserablen Lebensumstände, denen die Menschen hier ausgesetzt waren.

Markus M. Schmitz recherchierte die Geschichte des Blankenheimer Lagers

Einer, der das ehemalige Lager vor dem Vergessen bewahren will, ist der Geschichtslehrer im Ruhestand Markus M. Schmitz. „Ich möchte Licht ins Dunkel bringen“, sagt er. Denn dass es dort oben, hinter dem Bahnhof, ein Lager gegeben habe, wüssten selbst viele alteingesessene Blankenheimer nicht. Auch gebe es so gut wie keine Unterlagen über die Einrichtung, die bereits im Jahr 1940 von der damaligen Reichsbahn übernommen worden sei. Erst die letzten Monate bis zur Befreiung der letzten Gefangenen am 7. März 1945 sind aus den erhaltenen Dokumenten gut nachvollziehbar.

Es geht mir nicht um Nestbeschmutzung. Doch dieses Thema gehört auch dazu und es ist niemals aufgearbeitet worden.
Markus M. Schmitz, Heimatforscher

Die Nähe zum Bahnhof macht deutlich, wo die Menschen, die in diesem Lager lebten, eingesetzt wurden: Bei der Arbeit für die Reichsbahn. Als entlang der Westgrenze des damaligen Deutschen Reiches der Westwall gebaut wurde, entstanden auch die Reichsarbeitsdienstlager. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden sie schnell zu Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagern umfunktioniert.

Das Bild zeigt eine Reihe von Fichten auf einer Wiese.

Eine Reihe von in den 1930er-Jahren gepflanzten Fichten markiert die Position des ehemaligen Lagers hinter dem Bahnhof von Blankenheim.

Schmuck präsentiert sich das Lager auf den Ansichtskarten aus den 1030er-Jahren, auf denen die Arbeitsdienstler zeigen sollten, wie gut sie untergebracht waren. Vor den sieben Baracken, die um einen Platz angeordnet sind, stehen frisch gepflanzt winzige Fichten, die bis heute den Ort markieren. Doch das vermeintliche Idyll war trügerisch. „In dem Lager grassierten Krankheiten“, sagte Schmitz.

Das belegen auch die Dokumente über die während des Krieges in Blankenheim verstorbenen Ausländer. Der Tod dreier sowjetischer Bewohner des Lagers ist im Sterberegister von Blankenheim festgehalten. Im August 1944 starben drei Kinder: Michael Iwanow, neun Monate alt, an Lungenentzündung, Feodor Iwanow, zwölf Jahre alt, an Gonokokken und Herzmuskelentzündung, der zwei Monate alte Michael Paramonow an einem, wie es in den Unterlagen heißt, „juvenilem Herzfehler“.

Im September 1944 wurde das Lager wegen ansteckender Krankheiten geschlossen

Im September 1944 sei das Lager wegen ansteckender Krankheiten geschlossen worden, informiert Schmitz. Doch bereits zwei Monate später, im November 1944, wurden wieder 201 niederländische Zwangsarbeiter im Alter von 49 bis 17 Jahren einquartiert. Ihr Schicksal kann anhand von Unterlagen des Niederländischen Zentralarchivs nachvollzogen werden. Drei Menschen fanden in den Monaten bis zur Befreiung den Tod: Johann Timmermann im November 1944 an Diphtherie, Simon Scheffer im Dezember 1944 ebenfalls an Diphtherie und Jakob Ubas, der bei einem Fliegerangriff tödlich verletzt wurde.

Über die Lebensumstände der Gefangenen gibt ein Leumundszeugnis Auskunft, das im Nationalarchiv zu finden ist. Gerard und Hendrik Hueck berichten darin von ihrer Zeit in dem Blankenheimer Lager. Vom 17. November bis zur Befreiung hatten sie dort Zwangsarbeit leisten müssen. Lagerleiter Friedrichs habe keine „Kriegmissetaten“ begangen, sogar entflohene und gefasste Gefangene nicht der SS überstellt. Doch die Versorgung sei schlecht gewesen, was vor allem wegen der allgemeinen Umständen zustande gekommen sei.

Das Bild zeigt einen vermoosten Grundriss mitten im Wald.

Heute erinnern nur noch die Fundamente im Gestrüpp daran.

Friedrichs habe die vorhandene Verpflegung den Arbeitern vorschriftsmäßig zur Verfügung gestellt, was eher die Ausnahme als die Regel gewesen sei. Doch er sei der schwierigen Lage nicht gewachsen gewesen und hätte nie auf so eine verantwortliche Stelle kommen dürfen, so die beiden Niederländer. Minuziös verzeichnet sind die Krankheiten der niederländischen Lagerinsassen. Entsprechende Listen führen 27 an TBC und zehn an Ruhr erkrankte Personen auf, dazu drei Diabetiker, fünf Insassen mit Geschlechts- und 13 mit Magenkrankheiten.

Heimatforscher bezeichnet Blankenheim als Mikrokosmos

Nach der Befreiung wurde das leerstehende Barackenlager von den Blankenheimern als Rohstofflager genutzt. Vor allem die Fensterscheiben seien laut Zeitzeugen begehrt gewesen, so Schmitz. 1949/50 habe hier auch eine Schreinerei gearbeitet. Dann seien die Baracken abgebaut und teils an anderer Stelle als Unterkunft für ausgebombte Einheimische verwendet worden. Noch Ende der 1960er-Jahre sei eine Baracke für 500 DM an einen Landwirt verkauft worden.

„Es geht mir nicht um Nestbeschmutzung“, betont Schmitz. Blankenheim sei ein Mikrokosmos durch die jahrhundertelange Anwesenheit der Grafen, ein Schmuckstück mit seinen Kirchenbauten und dem Schloss und den Schätzen, die dort aufbewahrt würden. „Doch dieses Thema gehört auch dazu und es ist niemals aufgearbeitet worden.“

So plädiert er auch für eine Tafel, die am Eingang zu dem Gelände aufgestellt werden könnte, auf der über die gesicherten Erkenntnisse über das Lager informiert wird. Gespräche zwischen dem Heimatforscher und der Gemeindeverwaltung hätten bereits stattgefunden, so Michelle Karschat, Pressesprecherin der Gemeinde.

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