Fluthilfe von der Nordseeküste81-jähriger Zimmermeister engagiert sich an der Ahr

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Von der Wesermarsch die Ahr entlang: Kurt Eßmann (l.) und Hartmut Logemann mit Shetlandpony Susi. 

Blankenheim/Sinzig – Kurt Eßmann ist 81 Jahre alt und Zimmermeister. Ihm hat das alles keine Ruhe mehr gelassen: Die Menschen an der Ahr, die in der Flut Hab und Gut verloren haben. Und jetzt richtet sich die Hilfsbereitschaft allgemein doch eher in Richtung der Ukraine-Kriegsopfer. Deshalb hat er sich auf den Weg gemacht.

Mit Kumpel Hartmut Logemann und seinem Shetlandpony Susi ist er die Ahr entlanggewandert. Von der Quelle in Blankenheim bis zur Mündung bei Sinzig. Das Ziel: Feststellen, wo die Menschen Handwerkerhilfe brauchen, um dann mit Kollegen wiederzukommen und anzupacken.

Eine ganz besondere Walz die Ahr entlang

Die Privatinitiativen zugunsten der Flutopfer haben unzählige und erstaunliche Helfergeschichten geschrieben. Da wäre der Heizungsfachmann aus dem Ruhrgebiet, der einfach losgefahren ist, um in Gemünd Heizungsanlagen zu reparieren. Da wären Gastronomen und Hausfrauen, die tonnenweise warme Mahlzeiten für Helfer wie Flutopfer kochten. Da wären die Dachzeltnomaden, die von Rupperath aus eines der größten ehrenamtlichen Helfernetzwerke geknüpft haben. Und, und, und.

Und da sind Kurt, Hartmut und Susi. Drei, die es in der heimischen Wesermarsch an der Nordseeküste einfach nicht mehr ausgehalten haben. Und sich auf den Weg gemacht haben. Immer die Ahr entlang: „Guten Tag, können Sie Hilfe von Handwerkern gebrauchen?“ Eine besondere Walz, wenn man so will.

Shetlandpony Susi war als Lastenträger dabei

Ja, das habe kurz nach der Flut begonnen, sagt Kurt Eßmann, ein eher kleiner Mann in Zimmererkluft samt breitkrempigem Hut. Die Berufstracht hat er für die Tour noch einmal aus dem Schrank geholt. Er sitzt gerade auf der Terrasse des Bio-Hofes von Lea Orth in Sinzig. Vor wenigen Stunden sind er und Hartmut Logemann, 65 Jahre alt und Maurermeister, angekommen.

Zu Fuß von Bad Neuenahr-Ahrweiler, der Schlussetappe nach dem Start sechs Tage zuvor in Blankenheim. Jetzt blinzelt Kurt Eßmann erst einmal in die Nachmittagssonne und hat Susi im Blick. So heißt sein 15 Jahre altes Shetlandpony, das den beiden als Lastenträger gute Dienste geleistet hat.

Feuerwehrleute von der Wesermarsch waren im Katastrophengebiet

Zuhause in Berne in der Wesermarsch haben Eßmann die Bilder und Filme von der Flut nicht losgelassen. „Unsere Feuerwehren waren ja auch hier, um zu helfen, sie haben uns danach berichtet“, so Eßmann. Und dann kam die unglaubliche Hilfsbereitschaft. An Fluthilfe hat es auch im Ahrtal nicht gemangelt.

Spätestens mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine und der Ankunft der ersten Kriegsflüchtlinge hat sich seiner Meinung nach daran etwas verändert: „Die Hilfs- und auch die Spendenbereitschaft für die Flutopfer ist zurückgegangen.“ Anders ausgedrückt: Es ist für ihn und Kumpel Hartmut Zeit geworden.

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Das alte Klapphandy reicht Kurt Eßmann zum Organisieren.

„Ich habe dann beim Posthalterhof in Blankenheim für uns ein Zimmer gebucht, Susi kam beim Islandpferdehof Recherbusch unter“, so Eßmann. Knappe fünf Stunden dauert die Fahrt mit Auto und Pferdeanhänger nach Blankenheim. Auf stabiles Hochdruckwetter hatte die Prognose hoffen lassen. Die Vorhersage für die Ahr-Wanderung hat am Ende aber leider nicht gestimmt.

In den Ahr-Orten gefragt, wo welche Hilfe benötigt wird

Der Weg hat das Trio – wo möglich – über den Ahrtalradweg geführt. Zuerst bis zum Reiterhof Ahrtal unterhalb von Dorsel, tags drauf nach Schuld und damit immer tiefer ins Katastrophengebiet. „Wir haben dort unter anderem mit dem Ex-Ortsbürgermeister gesprochen, um zu erfahren, wo welche Hilfe nötig ist“, so Eßmann. Diese Fragen stellt er unterwegs immer wieder: Anwohnern von zerstörten Wohnhäusern, Kommunalpolitikern und anderen.

Nach zwei Tagen in Schuld erreicht das Trio Altenahr, wo sich der weitere Weg als schwierig herausstellt. Die Straße durch den von der Ahr gefluteten Tunnel Richtung Mayschoss ist nach wie vor offiziell gesperrt. Doch Eßmann, Logemann und Susi wagen es doch und steigen am anderen Ende über den inzwischen verfüllten Flutkrater Richtung Ahrufer hinab.

In Schuld Bäder fliesen und Fachwerk richten

Auch in Mayschoss stellt sich das Problem des Weiterkommens. Der Besitzer eines Reiterhofes hilft schließlich, packt die beiden ins Auto, den Vierbeiner in den Anhänger und transportiert die drei nach Ahrweiler. Hier, bei der AHRche, einem Verein für Katastrophenhilfe und Wiederaufbau, findet Eßmann die Ansprechpartner für sein Ziel der Wanderung.

„Auf unserem Weg haben wir Straßenzüge passiert, an denen alle Häuser unbewohnt waren. Die Menschen sind ganz still. Sie warten auf die Entscheidungen von Versicherern und Verwaltungen“, fasst er auf der Terrasse in Sinzig das Erlebte zusammen. Es sei teilweise gespenstisch gewesen.

Und doch hat er schnell Tipps erhalten, wie er, Logemann und die anderen helfen können. „In Schuld müssen zum Beispiel dringend Bäder gefliest und Fachwerk neu gerichtet werden“, so Eßmann.

Im Herbst will die Helfergruppe anrücken

Sein Plan nach der Rückkehr in die Wesermarsch: Acht Handwerker aus möglichst unterschiedlichen Gewerken suchen – so viele passen in einen Kleinbus. Einen gemeinnützigen Verein gründen, der Spenden annehmen kann.

Ziel ist eine spezielle Rentner-Gang, die anpacken kann, wo es sinnvoll ist. „Der AHRche-Verein könnte die Organisation sein, die uns Adressen der Menschen vermittelt, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen“, so Eßmann.

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Noch im Herbst will er mit den Kumpels wiederkommen, Unterbringung und Verpflegung bis dahin organisieren. Werkzeug bringen die aktiven Wesermarscher mit oder wollen es mieten. Und dann heißt das Motto: „Für möglichst viele Flutopfer vor dem Winter für eine warme Bude sorgen.“

Nur Susi, das Shetlandpony, wird wohl nicht dabei sein. Die Stute hat sich auf den letzten Kilometern immer wieder Asphaltsplitt in die Hufe gezogen. Susi ist nicht beschlagen und hatte Schmerzen. Diesem Risiko will Kurt Eßmann sie nicht noch einmal aussetzen.

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