Doppel-JubiläumUedelhoven feiert 35 Jahre Peru-Hilfe und eine Goldhochzeit

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Manfred Görgens betrachtet ein Bild mit gelbem Hintergrund und roten Handabdrücken, das ihm Kinder zeigen.

Bei zahlreichen Reisen nach Peru hat sich Manfred Görgens über den Fortgang der aus der Eifel unterstützten Projekte informiert.

Manfred Görgens aus Udelhoven hat vor 50 Jahren seine Anneliese geheiratet und vor 35 Jahren die Peru-Hilfe ins Leben gerufen.

Die Corona-Pandemie ist auch für die Peru-Hilfe Uedelhoven eine einschneidende Zeit. Es ist etwas still geworden ist um die kleine Hilfsorganisation von Manfred Görgens, die in den vergangenen 35 Jahren mit mehr als 25 Millionen Euro in dem Andenstaat geholfen hat. Doch ihre Arbeit ruht nicht, kontinuierlich werden zahlreiche Projekte unterstützt.

Angefangen hat alles 1988 wie so vieles in der Eifel. „Es hat sich einfach ergeben“, sagt Görgens' Ehefrau Anneliese, mit der er seit 50 Jahren verheiratet ist. In diesem Fall, als in Uedelhoven das Fest Mariä Himmelfahrt gefeiert wird und Karl Schröder von seiner Tochter Johanna berichtet.

Da ist mir die Kinnlade runtergefallen.
Manfred Görgens über die Verwendung der ersten Spende

Die arbeitet als Lehrerin in Lima und schildert in Briefen die schlimmen Zustände für die Kinder in dem Land, in dem die terroristische Organisation Sendero Luminoso noch Angst und Schrecken verbreitet. Nach dem einen oder anderen Kaltgetränk ist es beschlossene Sache: Eine Gruppe um Manfred und Anneliese Görgens fliegt wenige Monate später nach Peru. Spontan werden noch ein paar Spenden gesammelt, so dass die Eifeler mit 3000 Dollar im Gepäck in den Flieger steigen können.

Die Peru-Reise 1988 sollte keine Eintagsfliege sein

Übergeben wird das Geld an die Ursulinen, bei denen Johanna Schröder arbeitet. Mit dem Versprechen, im nächsten Jahr wiederzukommen. Es ist die Geburtsstunde der Peru-Hilfe Uedelhoven, deren Kopf, Herz und Motor Manfred Görgens seitdem unermüdlich ist. Seine Frau reist fortan nicht mehr zu den Projekten – ihr Beruf erfordert die Anwesenheit in der Heimat.

Görgens indes ist ein Jahr später wieder in Peru. Er will sehen, was die Ursulinen mit den Spenden aus der Eifel gemacht haben. „Da ist mir die Kinnlade runtergefallen“, sagt Görgens: Sie haben das Geld in Bücher zur geistigen Erbauung investiert – obwohl die Verbesserung der Ernährung der Kinder das Hauptanliegen ist.

Die Hilfe startet mit Ernährungs- und Medizinprojekten

Parallel hat Görgens Kontakt zu Dr. Adrian Ramirez, der in Bonn studiert und als Assistenzarzt im Mechernicher Krankenhaus gearbeitet hat. Es werden die ersten Ernährungsprogramme ausgearbeitet und der Grundstein zur Hilfe zur Selbsthilfe gelegt. Um die Kinder mit tierischem Eiweiß zu versorgen, wird eine Kleintierzucht eingerichtet: Es werden Ställe für Kaninchen und Hühner gebaut. „Und Hunde angeschafft, damit die Tiere nicht geklaut werden.“

Als eine Art Museumsstück ist das erste Gerät, das wir beschafft haben, immer noch da.
Manfred Görgens über den Aufbau der Kinder-Dialysestation

Zeitgleich startet eines von zahlreichen Projekten, deren Früchte heute noch geerntet werden. Mit dem ersten Container, der in der Eifel gepackt wird, wird eine Dialysestation für Kinder verschifft. In Bonn sind sechs Geräte ausgemustert worden, in der Kinderklinik in Lima tun sie noch jahrelang wertvolle Dienste.

Es ist die erste derartige Einrichtung für Kinder in Peru. Dank einer findigen Klinikdirektorin wird die Station kontinuierlich ausgebaut, es werden Appartements für die Eltern errichtet, wenn die Familien von weither anreisen. 80 bis 100 Kinder kommen heute täglich zur Dialyse. Behandelt werden sie an knapp 40 Maschinen. „Und als eine Art Museumsstück ist das erste Gerät, das wir beschafft haben, immer noch da.“

Uedelhovener liefern Spenden und initiieren die Hilfe zur Selbsthilfe 

64 große Seecontainer werden in den Folgejahren auf den Weg gebracht, einmal neun an einem Tag in Uedelhoven gepackt. Medizinisches Material und klassische Hilfsgüter wie Kleidung gelangen so nach Peru. Aber, so Görgens: „Diese Hilfe hat sich inzwischen überholt.“ Ein Lager in Deutschland lohnt nicht mehr. Hilfsgüter wie Kleidung werden, wenn überhaupt erforderlich, vor Ort gekauft. Und die (Bestechungs-) Kosten beim Zoll sind kontinuierlich gestiegen. Ältere medizinische Geräte können gar nicht mehr eingeführt werden – egal, wie gut ihr Zustand ist.

Verschiedenste Projekte schiebt die Peru-Hilfe an: In einem Gefängnis wird eine Schreinerei zur handwerklichen Ausbildung straffälliger Jugendlicher aufgebaut. Es wird eine Einrichtung für Suchtkranke gebaut. „Das ist heute ein kleines Paradies“, sagt Görgens – samt Viehzucht und Gewächshaus.

Vor allem die Kinder liegen den Eifelern am Herzen

Vor allem aber sind es Hilfen für Kinder, die aus der Eifel kontinuierlich unterstützt werden: Bildung, Ernährung, Gesundheit sind stets die großen Themen. Die kleine Organisation kann Nischen besetzen: etwa mal eine Wasserpumpe organisieren und einbauen. Für große Verbände mit hauptamtlichem Personal ist so etwas schlicht zu klein und als Einzelprojekt viel zu aufwendig.

Doch alle Hilfe lässt sich nicht komplett aus der Eifel heraus regeln. Verlässliche Partnerin und Koordinatorin vor Ort ist seit Jahrzehnten Dr. Melva Delgado, Logopädin und Direktorin einer Taubstummen-Schule, die die Peru-Hilfe ebenfalls unterstützt: „Sie ist eine unersetzliche Ratgeberin. Sie hat ein sicheres Gespür, ob Projekte vertrauenswürdig sind und sich lohnen.“ Für ihre Arbeit wird Delgado, wie Manfred Görgens bereits 1999, 2017 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Manfred Görgens macht sich Gedanken über sein Erbe

Mit der Familie ist Görgens eng befreundet. Bei ihr kann er im März 2020 ausharren, als er nichts ahnend nach Lima fliegt und dann die Pandemie über die Welt hereinbricht. Die Ereignisse überschlagen sich, Ausgangssperren werden in Lima verhängt, der Flughafen wird geschlossen. Die Projekte kann er nicht besuchen, stattdessen geht's gut zwei Wochen später mit einem Flieger in einer Rückholaktion des Auswärtigen Amtes heim. Schon da war ein Ende der Hilfe für ihn ausgeschlossen: „Ich kann ja nicht einfach aufhören. Das wäre doch verrückt.“

Trotz seines ungebrochenen Tatendrangs nimmt der heute 75-Jährige auch die nun anstehende Goldhochzeit zum Anlass, über den Fortbestand der Hilfe nachzudenken. „Die Suche nach einem Nachfolger war ein Denkfehler“, sagt Görgens. Junge Leute haben ihn zwar oft nach Peru begleitet, doch durch Studium und Start ins Berufsleben haben sie keine Zeit, sich derart intensiv der Organisation zu widmen.

Dem Kindermissionswerk und Don Bosco sind er und seine Frau sehr verbunden. Sie überlegen, „dat bisschen Vermögen“, wie sie es lachend bezeichnen, in eine Stiftung zu überführen, damit es in ihrem Sinne für die Projekte und Zwecke der Peru-Hilfe eingesetzt werden kann. Doch bis es soweit ist, wird Görgens sich selbst kümmern: Im Frühjahr wird er endlich wieder in „sein“ Peru reisen.


Die Goldhochzeit

Vor 50 Jahren wurden Anneliese und Manfred Görgens, das Uellewer Mädche und der Tondorfer Jung, getraut. Und das von zwei Pastören. Priestermangel gab es damals noch nicht. Da Manfred Görgens als Pfarrjugendführer in der katholischen Jugendarbeit sehr engagiert war, wollte der Tondorfer Pfarrer „nicht so recht loslassen“.

Dass im Heimatort der Braut geheiratet wird und damit der örtliche Pfarrer mit am Altar steht, war sowieso klar – also waren es eben zwei Pfarrer bei der Hochzeit. Als allzu katholisch bezeichnen sich beide nicht. Die Goldhochzeit am Donnerstag, 3. August, wird daher auch eine deutlich weltliche Prägung haben – mit den Uedelhovenern, mit den Vereinen.

Das Goldpaar sitzt auf einem Sofa. Vor ihm auf dem Tisch liegen aufgeschlagene Fotoalben.

Ihre Goldhochzeit feiern Anneliese und Manfred Görgens an diesem Donnerstag in Uedelhoven.

Ihrem Beruf als Friseurin ist Anneliese Görgens bis heute sehr verbunden. Nach der Ermordung ihrer damaligen Chefin in Euskirchen führte der Weg sie zur Meisterprüfung 1980 und in die Selbstständigkeit. Ihre Geschäfte in Blankenheim und Schmidtheim hat sie nicht mehr, wohl aber kümmert sie sich im kleinen Salon daheim noch um die Kunden. Nach seiner Verwaltungslehre in Zingsheim und seiner Arbeit im „Rechenzentrum“ – das heute kaum diese Bezeichnung verdienen würde – in Blankenheim führte Manfred Görgens' Weg bis zum Ruhestand nach Frankfurt zur Marketingforschung AC Nielsen.

Kinder hat das Paar nicht, sich aber auf die Fahne geschrieben, etwas für sie zu tun – zunächst in Uedelhoven, später mit der Peru-Hilfe. (rha)

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