Kreispokal EuskirchenSpielabbruch nach Attacke auf Schiedsrichter – So geht es weiter

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In die Ecke gedrängt wurde das Schiedsrichtergespann.

  • Beim Kreispokal im Euskirchener Erftstadion haben Zuschauer am Mittwoch den Schiedsrichter attackiert.
  • Auch am Tag danach sind alle Beteiligten schockiert.
  • Den Vorfall – kein Einzelfall – wird nun aufgearbeitet, auch juristisch.

Euskirchen – Es läuft die 85. Minute. Freistoß für Türk Gencligi Euskirchen. Das Kreisliga-B-Team hat dem zwei Klassen höher spielenden Favoriten aus Zülpich bislang ein 0:0 abgerungen, dank einer kollektiven Teamleistung. Es gab viel Lästerei während der Partie und auch etwas viel Theatralik vonseiten des Außenseiters. Aber das sind legitime Mittel, um ein überlegenes Team aus dem Konzept zu bringen. Schön? Mitnichten. Sportlich fair? Geht so.

Der Ball fliegt von der rechten Seite in den Strafraum. Er prallt, so hält es der souveräne Schiedsrichter Christian Kühlborn später fest, von Zülpichs Torwart Robin Metternich an den Arm von Stürmer Jamal Fakhrou und von dort ins Tor. 1:0 für Türk Gencligi. Die Spieler jubeln, Jamal Fakhrou wird von einer Menschentraube begraben. Doch das Schiedsrichtergespann hat das Handspiel bemerkt, kein Tor.

Innenraumverweis

Ein Zuschauer beleidigt die Unparteiischen und wird des Innenraums verwiesen. Der Aufforderung kommt er erst nach, als der Kapitän der Heimmannschaft ihn darum bittet. Zeit verstreicht. Sechs Minuten Nachspielzeit kündigt Kühlborn an. Kurz nach dem Wiederanpfiff dann ein Angriff der Zülpicher. Flanke Devin Nickisch, Kopfball David Sasse, Tor.

Fußball gespielt wurde auch. Türk Gencligi hatte dem zwei Klassen höher spielenden TuS Zülpich viel Kampf entgegenzusetzen. 

Fußball gespielt wurde auch. Türk Gencligi hatte dem zwei Klassen höher spielenden TuS Zülpich viel Kampf entgegenzusetzen. 

Bei Türk Gencligi brechen alle Dämme. Der bis dahin bärenstarke Torwart beleidigt Christian Kühlborn und sieht doppelt rot: erst in Kartenform, dann als Gemütszustand. Er rennt auf den Schiedsrichter zu, der durch ein schnelles Winken anzeigt, dass er das Spiel abbricht, und dann die Flucht ergreift. Weitere Spieler nehmen die Verfolgung auf. Am Zaun wird er von erzürnten Zuschauern in Empfang genommen. Andere Zuschauer sowie Spieler beider Mannschaften, allen voran die großen Verteidiger Zülpichs, stellen sich vor Kühlborn und seinen Assistenten auf. Ein Zuschauer wirft aus kurzer Distanz eine Plastikwasserflasche und trifft Kühlborn unter dem Auge. Die Polizei eilt mit sechs Streifenwagen ins Erftstadion und hat die Situation schnell unter Kontrolle.

Skandalös und betroffen

Auch am Tag nach dem Drittrundenspiel im Kreispokal sind alle Beteiligten geschockt. „Das ist skandalös, und ich bin tief betroffen“, sagt Doris Mager, Vorsitzende des Fußballkreises Euskirchen. Erst am Wochenende, als sie beim Kreistag wiedergewählt wurde, hatte sie das Thema Gewalt angesprochen und kam zu dem Schluss: „Im Vergleich zu anderen Kreisen sind wir gut weggekommen.“

Mager verspricht, mit dem Fußballverband Mittelrhein und dem Westdeutschen Fußballverband alles dafür zu tun, um die Vorfälle aufzuarbeiten. Welche Konsequenzen es gibt, kann sie nicht absehen. „Die Bandbreite reicht von »Wir machen nichts« bis hin zum Ausschluss“, sagt sie. Eine Vorverurteilung finde nicht statt, auch wenn das wegen vorheriger Vorfälle schwerfalle.

Sportgericht entscheidet

Da das Spiel abgebrochen wurde, befasse sich das Sportgericht mit den Ereignissen. Das muss bezüglich des Spielausgangs schnell entscheiden, denn bereits kommenden Mittwoch müsste Zülpich wieder spielen, sollte das Spiel für den TuS gewertet werden.

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Die Polizei hatte die Lage schnell im Griff.

Bezüglich des Flaschenwurfs ermittelt die Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung. Auch wegen Beleidigung wurden Strafanzeigen verfasst. Das Spiel wird also nicht nur das Sportgericht befassen.

Entsprechende Videos von der versuchten Flucht des Schiedsrichters und vom Flaschenwurf werden munter durch Messengerdienste versendet. Auch Uwe Stark, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses (KSA), hat sie gesehen und sagt: „Ich war unglaublich betroffen. Nach Ansicht der Videos betrifft es mich noch mehr.“ In 15 Jahren im Vorstand des KSA habe er einen Vorfall in dieser Form noch nicht erlebt. „Wie sollen wir zur Normalität zurückkehren?“, fragt er sich.

Vereine sind zuständig

Grundsätzlich seien die Vereine für die Sicherheit der Schiedsrichter zuständig – durch einen Ordnungsdienst. Stark, der bisher für die Schiedsrichteransetzungen zuständig war, gibt an, dass er für die Spiele bestimmter Vereine nur mental starke, meist höherklassige Schiedsrichter aus dem Kreis angefragt habe. Nach allem, was er gehört habe, habe Schiedsrichter Christian Kühlborn alles richtig gemacht. Der will sich wegen des schwebenden Verfahrens nicht äußern, ihm gehe es aber den Umständen entsprechend gut, teilt er dieser Zeitung mit.

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„Der Schiedsrichter hat in einem nicht einfachen Spiel eine souveräne Leistung gezeigt“, sagte Jörg Schulz (TuS Zülpich). Aber selbst, wenn eine Fehlentscheidung getroffen werde, dürfe das nicht zu solchen Reaktionen führen.

Auch Abed Mehio, Trainer von Türk Gencligi, fand Kühlborns Leistung okay, im Gegensatz zum Auftreten von dessen Assistenten. Solche Reaktionen der Zuschauer würden vom Verein nicht geduldet. Zum Flaschenwurf sagt er: „Wäre das ein Spieler meiner Mannschaft gewesen, würde er rausfliegen.“ Sein Team nimmt er in Schutz und erklärt das Verhalten mit Emotionen: „Es ist normal, dass man sich aufregt.“ Die Rote Karte für seinen Torwart sei Konsequenz genug. „Keiner meiner Spieler ist tätlich gewesen“, verteidigt er sie. Doch darf man den Schiedsrichter jagen? Mehio gibt zu: „Das macht man vielleicht auch nicht.“

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