HeimatcheckImmobilienkrise im Kreis Euskirchen: Es mangelt allerorten

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wohnungssuche symbol

Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum gestaltet sich im Kreis Euskirchen schwierig.

  • An Wohnungen mangelt es im Kreis Euskirchen allerorten.
  • Bei vielen ist die Immobilienkrise im Alltag angekommen. Oft trifft es die, die es ohnehin nicht leicht haben.
  • Doch Lösungen für diese Probleme stehen noch ganz am Anfang.

Kreis Euskirchen – Bei Ellen Mende ist die Wohnungsnot im Kreis Euskirchen längst im Berufsalltag angekommen. „Zwei- bis dreimal in der Woche haben wir konkrete Anfragen von Klientinnen, die dringend eine Wohnung suchen“, sagt die Beraterin beim Verein Frauen helfen Frauen in Euskirchen. Seit 25 Jahren macht sie den Job. „So schwierig war es noch nie“, beschreibt Mende die Notlage vieler hilfesuchender Frauen auf dem Wohnungsmarkt.

Viele von ihnen sind häuslicher Gewalt ausgesetzt. Die nahezu aussichtslose Wohnungssuche erhöhe den Druck dramatisch, so Mende: „Weil die Männer ihnen sagen können: ,Du kannst mich gar nicht verlassen, du findest sowieso keine Wohnung.“ Nicht wenige Frauen blieben dann tatsächlich in der Gewaltsituation – notgedrungen.

„Dann könnten wir nicht mehr viel anderes tun“

„Wir können leider keine Wohnungen für die Frauen suchen, dann könnten wir nicht viel anderes mehr tun“, sagt Ellen Mende: „Wir unterstützen sie aber in ihren Bemühungen, stärken, ermutigen und stabilisieren sie, geben Informationen und Anregungen und halten natürlich auch Ohren und Augen offen.“

Kein leichtes Unterfangen, zumal oft bei Frauen, die vor der Gewalt in den eigenen Wänden flüchten wollen, die finanzielle Lag unklar ist. Muss der Mann Unterhalt zahlen? Wenn ja, kommt er dieser Verpflichtung auch nach? Vermieter haben gerne Klarheit.

Mieten im Süden niedriger

Bezahlbare Wohnungen, wenn überhaupt, findet der Verein schon mal im Süden des Kreises. Hier sind die Mieten gemeinhin niedriger als im Nordkreis. Doch Einkaufsmöglichkeiten oder Ärzte sind schwer zu erreichen, Autos können sich viele der Betroffenen nicht leisten. „Ich kenne Frauen“, sagt Mende, „die dafür mehrere Stunden zu Fuß unterwegs sind.“

Unterdessen sind die Plätze im Euskirchener Frauenhaus – acht für Frauen und zwölf für Kinder – ständig belegt. Unter anderem, weil für die in der Einrichtung untergebrachten Frauen keine Wohnungen zu finden sind. „Ich habe dort seit einem Jahr keine Frau mehr unterbringen können“, stellt Mende fest. So müsse sie landesweit nach freien Plätzen in Frauenhäusern suchen – „manchmal bis nach Duisburg oder Bielefeld.“

Ampelzeichen: rot

Das zeigt auch der Blick auf die Internet-Seite www.frauen-info-netz.de. Hier ist jedes Frauenhaus mit einem Ampelzeichen versehen. Im Umkreis von 100 Kilometern zeigen die meisten Häuser rot an: keine freien Plätze. Grün – das steht für freie Plätze für Frauen mit oder ohne Kinder – „blinkt“ es hingegen ganz selten. „Es müssen unbedingt neue Wohnungen her“, sagt Mende.

Das meint auch Bernd Milz. „Die Situation hat sich in den letzten eineinhalb Jahren noch mal verschärft“, resümiert der Geschäftsführer der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Kreisvereinigung der Lebenshilfe suche ständig Apartments oder Wohnungen in einer Größe von etwa 50 Quadratmetern für Menschen mit Behinderungen, die in der Lage sind, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Es mangelt allerorten

Es geht um ambulant betreutes Wohnen, die Klienten werden in der Regel zwei bis dreimal wöchentlich von Betreuern besucht. Weil sie oft auf Grundsicherung angewiesen sind, dürfen die Mieten nicht allzu hoch sein. Doch an bezahlbarem Wohnraum mangelt es allerorten.

In Kall zum Beispiel sucht die Lebenshilfe derzeit für sieben Menschen Wohnungen, die in der dortigen Wohnstätte leben. „In Euskirchen oder Weilerswist ist die Situation noch schwieriger“, sagt Milz. Da in den kleineren Eifeldörfern noch jeder jeden kenne, finde er dort leichter mal einen Vermieter: „Die wissen, dass wir ein zuverlässiger Partner sind.“

35 barrierefreie Wohnungen gebaut

Schon vor Jahren hatten die Verantwortlichen der Lebenshilfe erkannt, dass sie selbst tätig werden müssen. „Inzwischen haben wir Gebäude mit insgesamt 35 barrierefreien Wohnungen im Kreis gebaut“, berichtet Milz. Ein weiteres werde bald in Bad Münstereifel entstehen, die Baugenehmigung liege bereits vor. „Wir sind aber ein Selbsthilfeverein, keine Immobilienmakler“, stellt Milz klar. Doch könne der Immobilienmarkt die Nachfrage der Lebenshilfe nicht bedienen. Vor allem an barrierefreien Wohnungen mangele es. „Der Markt gibt das derzeit nicht her“, sagt Milz.

Die Zahlen geben Mende und Milz recht. Zwischen 500 und 1000 Wohnungen würden Jahr für Jahr im Kreis zu wenig gebaut, hieß es bei der Auftaktveranstaltung des Bündnisses für Wohnen im Oktober 2018. 35 Mitglieder, unter anderem aus der Kreisverwaltung, den Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Finanzdienstleistern, Architekten und Baugesellschaften, zählt das Bündnis.

Voraussetzung sind geeignete Bauflächen

Für greifbare Ergebnisse ist es noch zu früh. „Voraussetzung für mehr Wohnungen im Kreisgebiet ist die Bereitstellung geeigneter Bauflächen“, stellt Kreispressesprecher Wolfgang Andres fest. Da wolle das Bündnis ansetzen. So wollen die Mitglieder sich auch mit dem Projekt „NRW.Urban“ befassen, das die Kommunen bei der Entwicklung von Bauland unterstützt.

In Kooperation mit der RWTH Aachen, so Andres, werden Masterstudenten ab dem Wintersemester drei kommunale Flächen im Kreis Euskirchen beplanen. Hier gehe es um einen „frischen Blick von außen“, wobei auch alternative Wohnmodelle angedacht seien. Die Ergebnisse dieses Projekts – und die eines weiteren RWTH-Projekts in Ostbelgien – sollen in einem Jahr präsentiert werden.

Info-Veranstaltung Anfang November

Anfang November werde außerdem eine Info-Veranstaltung zu verschiedenen Wohnprojekten im Kreisgebiet stattfinden. Darüber hinaus gebe es die Idee, ein Leader-Projekt (Region Eifel) zum Thema Wohnen ins Leben zu rufen, das dann Strahlkraft in die ganze Region haben werde, so Andres.

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Wann aber aus dem Ganzen Wohnraum entsteht, bleibt abzuwarten. Es scheint, als werde der Klientel von Ellen Mende und Bernd Milz noch einiges an Geduld abverlangt.

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