Hebammen im Keis Euskirchen„Noch geben wir nicht auf“

Daniela Kohlheyer (v. l.), Simone Bungenberg-Decker und Danja Ricke kümmern sich mit viel Liebe um die zwölf Wochen alte Leonie.
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Kreis Euskirchen – „Noch geben wir nicht auf“, sagen Simone Bungenberg-Decker und Daniela Kohlheyer selbstbewusst. Die beiden Frauen haben allen Grund, einen kämpferischen Ton anzuschlagen. Sie sehen nicht nur die Praxisgemeinschaft ihres Hebammenteams „Neues Leben“ mit Sitz in Flamersheim bedroht, sondern sogar ihren gesamten Berufsstand in Gefahr.
Denn gleich zwei Hiobsbotschaften wurden jüngst verlautbart: Zum 1. Juli dieses Jahres wird die Prämie für die Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen um 20 Prozent steigen, was erneut etliche Vertreterinnen dieses Berufszweigs zum Aufgeben zwingen wird.
4300 Euro pro Jahr
„Ich zahle derzeit 4300 Euro im Jahr für die Haftpflicht, ab Juli werden es dann über 5000 Euro sein“, rechnet Bungenberg-Decker vor. Damit nicht genug, ist nun auch noch die Gruppenversicherung in Gefahr, die seinerzeit von den Hebammenverbänden ausgehandelt wurde. Die Nürnberger Versicherung hat angekündigt, ab Juli 2015 aus der Gruppenversicherung auszusteigen.
Rund 3500 freie Hebammen in Deutschland dürften ihren Beruf dann nicht mehr ausüben. Auch die fest angestellten Klinikhebammen sind davon betroffen, die zwar über das Krankenhaus versichert sind, in dem sie arbeiten, die aber zusätzlich noch eine eigene Haftpflichtversicherung vorweisen müssen.
Mehr als nur Geburtshilfe
Daniela Kohlheyer und Simone Bungenberg sind sogenannte Beleghebammen. Sie haben einen Vertrag mit dem Marien-Hospital in Euskirchen geschlossen und begeben sich mit den werdenden Müttern dorthin, wenn die Geburt ansteht. Doch ihre Tätigkeiten beschränken sich nicht auf die Geburtshilfe.
In ihrer Praxis bieten sie die ganze Palette von der Schwangerenvorsorge über Geburtsvorbereitungskurse und Wochenbettbetreuung bis hin zur Stillberatung, Rückbildungsgymnastik, Babymassage und Akupunktur an. Dazu arbeiten sie mit anderen Hebammen zusammen, die die Räume in Flamersheim mit nutzen, so etwa auch Danja Ricke aus Bad Münstereifel.
Die 47-Jährige begleitet ab und an auch Hausgeburten, was Bungenberg-Decker und Kohlheyer nicht tun. „Wir schätzen es, die technische Sicherheit der Klinik im Rücken zu haben“, sagen sie. Doch betonen sie auch, dass eine Hausgeburt mit einer erfahrenen Hebamme wie Danja Ricke kaum höhere Risiken in sich birgt als eine Klinikgeburt.
Zahl der Komplikationen gesunken
Die Zahl der Komplikationen bei Geburten, die zu einem Versicherungsfall führen, sei insgesamt sogar gesunken. Nur seien die Kosten in einem solchen Fall durch die Zunahme an immer komplexerer Apparatemedizin gestiegen. Hier vermuten sie auch den Beweggrund der Nürnberger, sich aus dem Konsortium für Hebammen zurückzuziehen. Sich anderweitig selbst zu versichern sei zu teurer, auch habe der Hebammenverband davor gewarnt. Zudem bieten andere Versicherungen nicht so hohe Schadenssummen im Falle einer versicherungsrelevanten Komplikation an, erläutern die Frauen. Dass die Haftpflichtgebühr alle zwei Jahre steige, seien sie gewohnt. Doch jetzt sei die Erhöhung schon nach einem Jahr veranschlagt worden.
Hohe Kosten
Die hohen Kosten haben auch im Kreis Euskirchen Folgen. Die Zahl der Beleghebammen sank bereits in den vergangenen letzten Jahren. In der Flamersheimer Praxis habe man auch schon Anfragen von hilfesuchenden Frauen aus dem Kölner Raum ablehnen müssen, denn dort sinke die Zahl der Hebammen genauso drastisch. Doch für viele Frauen sei die Zusammenarbeit mit einer ihnen schon vor der Geburt vertrauten Hebamme unverzichtbar.
Auch Heidi Schmitz, eine junge Mutter aus Mechernich-Glehn, lobt die Betreuung des Hebammenteams „Neues Leben“ und blickt auf ihr zwölf Wochen altes Töchterchen Leonie, das ihr erstes Kind ist und per Not-Kaiserschnitt zur Welt kam. „Wenn Sie keine so gute Hebamme gehabt hätten, hätten sie jetzt kein erstes Kind“, zitiert Heidi Schmitz Chefarzt Dr. Norbert Golz, der bei Leonies Geburt im Marien-Hospital Dienst tat.
Die Frauen in der Flamersheimer Praxis hoffen nun, dass sich doch noch eine Lösung für sie im Zusammenspiel von Politik, Versicherungen und Hebammenverband finden wird. Ihren Job üben sie weiterhin mit Herzblut aus, bei dem sie den werdenden Müttern auch Orientierung bieten und deren Vertrauen in den eigenen Instinkt stärken.
Denn heutzutage, so berichten die Hebammen in Flamersheim, ließen sich viele Frauen häufig durch Internetbeiträge oder Phänomene wie eine „Geburts-App“ für das Smartphone verunsichern.