Festival in der EifelZugvögel feiern in Stadt der Fantasie am Weißen Stein in Udenbreth

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Das Bild zeigt zahlreiche Besucher vor einer Bühne auf einem Festivalgelände. Rechts und links stehen große Holzfiguren.

Die „Unendliche Geschichte“ diente als Inspiration für die Bandbühne, auf der unter anderem „Rasga Rasga“ auftrat.

Das Zugvögel-Festival macht wieder Station in Udenbreth. 20 Bands und 60 DJs sind an zwei Wochenenden dort vertreten.

Eigentlich ist der Sommer nicht wirklich die Saison für Zugvögel. Doch ausgesprochen bunte und fröhliche – menschliche – Exemplare machen im Sommer am Weißen Stein Station, wenn das Zugvögel-Festival an zwei Wochenenden seine Tore öffnet. Von Donnerstag bis Sonntag erwartet die jeweils 1000 Gäste ein Programm aus Dancefloor, Weltmusik und allem, was die Vielfalt der Kulturszene so zu bieten hat. Am nächsten Wochenende geht die Party weiter.

Vielfältig ist die Bekleidung. Doch zu der bunten Mischung aus farbstarker oder glitzernder Oberbekleidung, Männerröcken, Pluderhosen oder was sonst angesagt ist, hat sich in diesem Jahr der Gummistiefel als unentbehrliches Accessoire gesellt. Denn immer wiederkehrende Regenschauer verwandelten die Wege in Matschkuhlen.

Der Matsch am Weißen Stein ist teils knöcheltief

Als regenerfahren entpuppte sich die Gruppe, die in Gummistiefeln durch den teilweise fast knöcheltiefen Matsch watet. „Wir haben Schlimmeres befürchtet, als wir den Wetterbericht gesehen haben“, sagte einer. Doch für sie sei so etwas nicht fremd: Sie kämen aus Aachen, da stünden die Gummistiefel sowieso immer bereit. „Unser Zelt ist regendicht, und für tagsüber haben wir einen Pavillon davorgestellt“, sagte er.

Zwei Menschen gehen auf einem sehr matschigen Weg.

Zur Matschkuhle entwickelten sich die Hauptwege des Festivalgeländes durch die Regenfälle.

Erfindungsreichtum und Konstruktionsgeschick beweist auch die junge Frau, die am Awareness-Zelt auf ihre Schicht wartet. Mit Klebeband hat sie ihre Stiefel umwickelt, um sie wasserdicht zu bekommen: „Gestern haben sie den ganzen Tag dichtgehalten. Vielleicht auch, weil ich noch Mülltüten reingetan habe.“

Das Awareness-Team hilft bei verschiedensten Problemen

Zwei Zelte hält das Awareness-Team für Hilfesuchende bereit. Dieses Angebot ist in der Partyszene eine feste Einrichtung. „Wir sorgen für Wohlgefühl, damit alle sicher feiern können“, sagt Awareness-Koordinatorin Lia. Wer Bedarf habe, finde hier eine Anlaufstelle. „Zu viel Alkohol, zu viel Drogen, sexuelle Bedrohung, Zelt nass“, zählte sie mögliche Gründe auf, die Menschen zu ihnen führen können.

„Wir sind keine Richterinnen, wir hören zu, wir fragen, was die Leute brauchen“, sagt sie. „Wir haben auch das Hausrecht und können Leute, die sich daneben benehmen, vom Gelände verweisen“, ergänzt ihr Kollege Sebastian. In diesem Jahr sei das noch nicht vorgekommen, doch in der Vergangenheit sei es mal notwendig gewesen.

200 Helfer haben in drei Wochen vier Aktionsflächen aufgebaut

Vier verschiedene Aktionsflächen haben die rund 200 Helfer innerhalb von drei Wochen auf das Gelände rund um den Sportplatz gebaut. Jede hat ein anderes Thema, das aus Dachlatten und Schalbrettern in großformatige Bühnenbilder gezimmert ist. Da ist zum Beispiel „Garten Uden“, die Tanzbühne am Skihang. Oder die „Unendliche Geschichte“, die als Inspiration für die Bandbühne inklusive der mit jeder Menge Büchern dekorierten Bar dient.

Aufwendig ist das gesamte Festival-Gelände gestaltet, hier eine Tanzarena, die mit einer großen Dinosaurier-Figur dekoriert ist.

Als Heuburg wurde die Tanzarena gestaltet. Der Aufbau des Geländes dauert drei Wochen.

Neben Autor Michael Ende reiht sich auch diese Zeitung in die Reihe der Ideengeber ein: Im vergangenen Jahr war die Berichterstattung übers Festival mit „In der Heuburg wird abgetanzt“ überschrieben. So ist nun die Tanzarena als Burghof aus Strohballen gebaut, samt nebelsprühendem Holzdrachen. Nicht nur hier lassen die Erbauer ihrer Fantasie freien Lauf. Überall blinken Lampen, leuchten Lichteffekte oder führen kleine Gänge durch die Holzbauten und eröffnen Ruheräume, wohin Menschen sich zurückziehen können.

20 Bands und 60 DJs kommen zum Zugvögel-Festival nach Udenbreth

Rund 20 Bands und 60 DJs sorgen für Musik, Groove und tanzbare Rhythmen, die die feierwütigen Besucher barfuß oder in Gummistiefeln durch den Schlamm wippen lassen. „Alle DJs wollen auf unser Festival kommen“, freut sich Tobias Kirchgatter, einer der Gründer und Organisatoren des Festivals, über die positive Resonanz. Und nicht nur die: Zahlreiche Theateraufführungen und Workshops wie Intimhaarblondierung, Chakra-Tanz, eine Nacktwanderung nach Belgien, an der rund 40 Menschen teilnahmen, die tägliche Kakaozeremonie, Bondage für Einsteiger oder Vulva töpfern rundeten das Gesamtprogramm ab.

Eine Frau wirbelt ein meterlanges Tuch an einem Stab durch die Luft.

Für Showeinlagen sorgte unter anderem die aus der Ukraine stammende Anastasiya Hladush.

Auch artistische Einlagen sind zu sehen, wie von Anastasiya Hladush aus Berlin, die eine meterlange Feuerschlange durch die Luft tanzen lässt. Die gebürtige Ukrainerin ist zum ersten Mal in Udenbreth. „In dieser Gegend ist das das schönste Festival“, betont sie. Sie sei auch als Feuerspuckerin und mit einem Seidentuchtanz zu sehen.

Auch spontane Aktionen wie „Antons letzte Reise“ sind zu finden: Ein schrottreifer Transporter ist zur Tanzlocation umfunktioniert worden. Und nun bemühen sich die Feierwütigen, das Gefährt tanzend zu zerlegen.

Die Zugvögel legen auch auf die Einhaltung der Regeln im Wald wert

Wo Festivals gefeiert werden, gibt es auch Nebenwirkungen. So wirken in diesem Jahr Parkplatz und Nebenstraßen am Weißen Stein, als sei überraschend der Winter zurückgekehrt und der Skihang überlaufen. Teilweise in Zweierreihen standen die Autos auf dem Parkplatz und vom Weißen Stein hinunter bis in den Ort.

Mit Leuchteffekten waren die Holzbauten versehen worden.

Farb- und Lichteffekte sind an allen Holz-Konstruktionen zu finden.

Ein spezielles Thema ist die Müllentsorgung. „Wir haben ein neues Müllkonzept, das wir Trashtopia genannt haben“, so Kirchgatter. Aufwendig werden die verschiedenen Müllsorten getrennt, auch Tetrapaks, Pfandflaschen sowie Altglas per Hand aus dem Müll sortiert.

Inzwischen sei die Zusammenarbeit mit der Gemeinde entspannt professionell, sagt Kirchgatter weiter: „Über die Jahre sind wir gut zusammengekommen.“ In mehreren Begehungen sei festgelegt worden, was zu beachten sei. „Auch das Regionalforstamt war dabei und hat deutlich gemacht, dass wir auch auf die Einhaltung der Waldregeln achten müssen.“ Überall machen Schilder darauf aufmerksam, wie man sich in der Natur verhalten soll.

Die Udenbrether sind zum Mitfeiern eingeladen, einigen ist's zu laut

Immer noch spaltet die Geräuschentwicklung von den Bühnen die Einwohnerschaft von Udenbreth, die traditionell freien Eintritt zum Festival hat, in zwei Parteien. „Wir sind jedes Jahr hier“, sagt Günter Lowag, der am Samstagabend mit seiner Frau Steffi an der Bücherbar vor der Bandbühne auf den Auftritt der Band „Rasga Rasga“ wartet. Sie leben praktisch direkt nebenan, in dem Haus unterhalb der Wetterstation Donnerwetter.

„Man muss schon die Fenster zumachen, aber sonst ist alles okay“, stellte er fest. „Keine Krawalle oder sonst was, die sind freundlich und sauber“, fügt seine Frau hinzu. Hier könne jeder hingehen. Auch andere Anwohner sind entspannt. „Man hat sich dran gewöhnt“, sagt einer, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Ich meine, sie wären leiser geworden“, fügt sein Vater hinzu. In den Vorjahren sei er schon dagewesen. „Ein Wahnsinn, was die aufbauen“, stellt er anerkennend fest.

Ganz anders klingt es wenige Häuser weiter. „Es ist ein schönes Festival, aber die Lärmbelästigung ist extrem“, sagt ein Udenbrether. „Ich fände es toll, wenn die im nächsten Jahr weiterziehen würden“, so seine Frau. Auch bei geschlossenem Fenster gehe der Lärm noch durch, und das nicht nur an den zwei Wochenenden, sondern auch in der Zeit, in der gebaut werde.


Das Zugvögel-Festival

Seit 2016 ist das Zugvögel-Festival in Udenbreth am Weißen Stein ein fester Bestandteil des Veranstaltungskalenders der Gemeinde Hellenthal. Ursprungsgedanke war, dass die Veranstaltung wie ein Zugvogel wandert und im Winter im Süden auf den Kanarischen Inseln und im Sommer in der Eifel stattfindet.

Ins Leben gerufen wurde das Festival von Tobias Kirchgatter, Carsten Kugele und Wolfgang Schadow. Veranstalter ist der Verein Zugvögel, der 2016 mit acht Mitgliedern gegründet wurde und seinen Sitz in Köln hat.

Die Tickets für die beliebte Veranstaltung sind regelmäßig nach wenigen Tagen vergriffen – auch das kommende Wochenende ist ausverkauft. Ausgenommen sind die Udenbrether, die immer freien Eintritt haben. Ansonsten kommen die Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet.

Das Bild zeigt eine aus Holz gestaltete Mülltrennungsstation bei einem Festival.

Ein aufwändiges Mülltrennungskonzept war ausgearbeitet worden - und die Müllstationen sind liebevoll gestaltet.

Das Festival soll in erster Linie nachhaltig, umwelt- und ressourcenschonend sein. Die Schalbretter und Dachlatten, die in rauen Mengen zu liebevoll erdachten und gestalteten Bühnenbauten verschraubt werden, kommen aus Udenbreth, die Heuballen aus Ramscheid.

Rund 200 Helfer arbeiten rund drei Wochen lang daran, das Ambiente herzustellen, und eine Woche dauert es, alles wieder abzubauen. Für jedes Jahr werden neue Gestaltungsideen erdacht. Auch die Gäste werden eingebunden und können zum Beispiel beim Müllsortieren oder am Einlass eine Schicht übernehmen. Verrechnet wird das anschließend mit dem Ticketpreis.

Musik kommt im Bandsektor vor allem aus dem Weltmusikbereich, während in den drei DJ-Bereichen Techno und elektronische Musik in diversen Spielarten zu hören sind. An beiden Wochenenden sind unterschiedliche Line-Ups verpflichtet. (sev)

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