Schoeller WerkDie Arbeitsplätze bleiben in Hellenthal

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Auf 21 Betriebsteile verteilen sich die Schoeller-Produktionsstätten durch Hellenthal. 810 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. 

Hellenthal – Umstrukturierung, Sozialpläne, Personalabbau: In den vergangenen zwei, drei Jahren waren es oft harte Botschaften, die Geschäftsführung und Betriebsrat des Schoeller Werks in Hellenthal den Mitarbeitern zu verkünden hatten – im Herbst 2020 etwa den Sozialplan für knapp 100 Mitarbeiter, denen gekündigt wurde.

Am Freitag war das anders. Bester Laune waren Geschäftsführer Frank Poschen – wegen seiner Corona-Infektion per Video zugeschaltet – sowie die Betriebsräte Heinz-Bert Weimbs und Manuel Pesch, als sie darlegten, was den Mitarbeitern in einer Betriebsversammlung verkündet wurde: Dass die geplante Produktionsverlagerung zur Schwesterfirma im thüringischen Neuhaus am Rennweg nicht durchgeführt wird und es damit auch nicht zum Abbau von 180 Arbeitsplatzen in Hellenthal kommt.

Die Pläne

Im Sommer 2019 hat Schoeller die AK Feinrohr in Neuhaus übernommen, die nun als Schoeller Feinrohr firmiert. Auch wenn der Standort Hellenthal nie infrage gestellt wurde, sollte doch ein Teil der Produktion – die der nachgezogenen Rohre – nach Thüringen verlagert werden. Hierfür wurde dort bereits ein Grundstück gekauft, um eine mehr als 15.000 Quadratmeter große, neue Produktionsstätte zu bauen.

Das Umdenken

„Wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir eine Entscheidung revidieren“, sagt Poschen. Durch die Entwicklungen der vergangenen beiden Jahre und gerade der jüngeren Zeit haben sich die Risiken eines solchen Investments laut Poschen als zu hoch erwiesen: Durch die teils um 50 Prozent gestiegenen Baukosten und die langen Lieferzeiten sei die Bauphase in Neuhaus kaum kalkulierbar und die Amortisation in der vorgesehenen Zeit gefährdet gewesen. Es folgten zahlreiche Gespräche mit dem Betriebsrat. Am Donnerstag wurde in der Gesellschafterversammlung der Beschluss gefasst.

Das Resultat

Es wird nicht gebaut in Thüringen. Der entsprechende Produktionsteil bleibt in Hellenthal, die Mitarbeiter werden nicht entlassen.

Kleinere Kompromisse kommen zwar auf die Beschäftigten in der Eifel zu, doch allzu bittere Pillen hat der Betriebsrat nicht schlucken müssen. Es gehe um Flexibilität und Pausenzeiten, so Weimbs. Und: „Der Tarifvertrag war nicht verhandelbar. Hier arbeitet keiner für weniger Geld.“ Auch gratis zu leistende Stunden seien kein Thema gewesen.

Auch der Standort Neuhaus wird mit seinen bisherigen Leistungen beibehalten. Da er kleiner sei, könne dort, so Poschen, beispielsweise bei Einzelaufträgen sehr flexibel reagiert werden. Auch soll der Standort weiterentwickelt werden.

Die Mitarbeiter

Mit der jetzigen, 810-köpfigen Belegschaft will Schoeller in die Zukunft gehen. Wenn durch Umstrukturierungen, etwa durch neue Maschinen, wenige Stellen wegfallen sollten, gehen Geschäftsführung und Betriebsrat davon aus, dass dies über die Fluktuation – meist Ruhestände – gelöst wird und keine Kündigungen nötig werden.

Stattdessen sucht auch Schoeller qualifiziertes Personal – und hat dabei die gleichen Probleme wie alle anderen Unternehmen. Das „Jahrzehnt der Arbeitnehmer“ sieht Weimbs – und da nun auch im Handwerk sehr gut bezahlt werde, seien dort die Rekrutierungsmöglichkeiten für Schoeller nicht mehr so wie in der Vergangenheit.

„Wir müssen wieder attraktiver als das Handwerk sein“, sagt Weimbs. Dazu müsse der Ruf des Arbeitgebers Schoeller, der in den vergangenen beiden Jahren gelitten habe, wieder verbessert werden. Durch die aktuelle Entscheidung zugunsten Hellenthals erhofft Poschen sich in diesem Punkt eine Art „Boosterwirkung“.

Die Flut

Einen Schaden im mittleren einstelligen Millionenbereich haben die Wassermassen in der Flutnacht im vergangenen Juli bei Schoeller angerichtet. Teils sei man, so Poschen, sowohl bei Gebäuden als auch bei Maschinen immer noch in der Schadensaufnahme durch die Gutachter – und teils tauchen auch heute noch neue Schäden auf.

Trotz der Flut und vor allem Dank des enormen Einsatzes der Mitarbeiter in der Phase sei das Jahr 2021 für das Unternehmen „sehr erfolgreich“ gewesen.

Der Krieg

Die weltpolitische Lage, der Krieg in der Ukraine und die Sanktionspakete gegen Russland machen die Lage auch für Schoeller wenig kalkulierbar. Direkte ukrainische oder russische Beziehungen, die „gefährlich werden könnten“, hat das Unternehmen laut Poschen nicht. Erdgas werde in der Fertigung weitestgehend nicht eingesetzt, sagt Poschen. Allerdings heize Schoeller damit.

Die Vormaterial-Zulieferer haben Schoeller zwar die Versorgung zugesagt, doch hundertprozentige Garantien könne derzeit niemand geben. Dass auch Schoeller von den Weltmärkten abhängig ist, beschreibt er am Beispiel Nickel, der auch bei Schoeller in den Edelstählen eine Rolle spielt: Nach dem russischen Einmarsch schoss der Preis an den Börsen von 25.000 auf 100.000 Dollar je Tonne in die Höhe, der Handel wurde zeitweise ausgesetzt. Die Materialsteuerung sei derzeit eine der ganz großen Herausforderungen.

Die Lage

„Sehr gut“ – die Frage nach der Auftragslage beantwortet Poschen eindeutig: „Die Auftragsbücher sind über Plan voll.“ Zudem habe man in den vergangenen Wochen zusätzliche Aufträge erhalten, als Lieferanten in der Ukraine ausgefallen seien. Ein Kriegsgewinnler sei Schoeller deshalb aber keinesfalls.

Zudem sei es gelungen, auf der Marktseite den Industrieanteil auszubauen – bislang war die Automobilbranche mit rund 50 Prozent der weitaus größte Abnehmer der Schoeller-Rohre gewesen.

Der Ausblick

Eine langfristige Planung zu machen, sei in der aktuellen Lage schlicht unmöglich. „Es wäre unseriös zu sagen: Das machen wir 2025“, sagt Poschen. Dennoch soll die 2019 in Gang gesetzte Produktionsoptimierung in den 21 Betriebsteilen quer durch Hellenthal fortgeführt werden.

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Die ist in den einstigen Mannesmann-Hallen etwa bereits im Gange, in denen ein Schweißkompentenzzentrum entstehen soll. Ein ganz großes Thema in der Weiterentwicklung des Standorts wird der CO2-Fußabdruck und damit die energetische Neuaufstellung sein, etwa in den Bereichen Strom oder Wasserstoff.

Insgesamt schwebt Poschen vor, flexibel und der jeweiligen Lage angepasst in drei Zwei-Jahres-Blöcken zu denken – bis zum Jahr 2027, wenn Schoeller 200-jähriges Bestehen feiert.

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