ZukunftpläneSchoeller entlässt Mitarbeiter und investiert Millionen in Hellenthal

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Hellenthal Schoeller-Werk

In den einstigen Mannesmann-Hallen wird derzeit für einen zweistelligen Millionenbetrag die Produktion erneuert.

  • Auch wenn die Zeiten herausfordernd sind, gibt der Geschäftsführer ein klares Bekenntnis zum Standort in der Eifel ab.
  • Jedoch gelte es, diesen zukunftsfähig aufzustellen.
  • Dafür gibt es auch unpopuläre Maßnahmen.

Hellenthal – Es sind bewegte und bewegende Zeiten für die Mitarbeiter des Schoeller-Werks. Bereits im März vergangenen Jahres hatte die Geschäftsführung ihr Zukunftskonzept vorgestellt, das millionenschwere Investitionen, jedoch auch einen deutlichen Personalabbau vorsieht. Zudem trifft die Corona-Krise den Hersteller von Edelstahl-Rohren massiv. Doch von einem Insolvenz-Szenario sieht Geschäftsführer Frank Poschen das Unternehmen „total weit entfernt“. Und man arbeite hart daran, „dass es niemals dazu kommen wird“.

„Hellenthal ist und bleibt die Heimat des Schoeller-Werks.“ Auch wenn die Zeiten herausfordernd sind, gibt Poschen ein klares Bekenntnis zum Standort in der Eifel ab. Jedoch gelte es, diesen zukunftsfähig aufzustellen.

Corona führt zu einem Umsatzeinbruch von 20 Prozent

Hart getroffen wurde auch Schoeller von der Corona-Krise. Derzeit geht Poschen für das Jahr 2020 von einem Umsatzeinbruch von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus. Fehlende Aufträge aus der Automobilindustrie, die etwa die Hälfte des Umsatzes ausmacht, sind dabei nur ein Aspekt. So liefert Schoeller beispielsweise auch Rohre für KEG-Verschlüsse für Bierfässer – die mangels Großveranstaltungen derzeit nicht nachgefragt werden.

Schoeller Poschen

Schoeller-Geschäftsführer Frank Poschen 

Doch angesichts der Umstände hält Poschen die Zahlen noch für vertretbar: Man habe durch die Maßnahmen – etwa die Kurzarbeit – Schlimmeres abgewendet. Er sieht das Unternehmen mit Blick etwa auf die Eigenkapital-Ausstattung, die Liquidität und das Management „stark und unabhängig genug, die Krise zu meistern“.

Der Trend scheint sich in Richtung Hybridfahrzeuge zu bewegen

Unabhängig von Corona ist und bleibt der Strukturwandel in der Automobilindustrie auch für Schoeller ein großes Thema. Doch wohin der Weg gehen wird, ist nicht klar. „Der Verbrenner ist noch nicht tot“, sagt Poschen. Der Trend scheine sich derzeit in Richtung Hybridfahrzeuge zu bewegen – und in diesem Sektor sei Schoeller ebenfalls vertreten.

Ein Ausstieg aus dem Bereich Automobil ist für Schoeller kein Thema. Jedoch ist Poschens Ziel, die Abhängigkeit von dieser Branche zu reduzieren und stattdessen das Industriegeschäft auszubauen. Die Bereiche Kälte/Klima und Medizintechnik nennt er dabei als exemplarische Beispiele. Jedoch ist es in diesen Corona-Monaten sehr schwer, etwas Neues aufzubauen, da es keine Dynamik im Markt gibt.

Von rund 950 wird die Belegschaft bis 2022 auf etwa 700 reduziert

97 Mitarbeiter erhalten zum 1. November die Kündigung, 25 weitere werden es im kommenden Jahr sein, 2022 rund 100. Als hart, aber konstruktiv und über den gesamten Prozess gesehen fair beschreibt Poschen die elf Verhandlungsrunden mit dem Betriebsrat – und unterstreicht die Aussage von dessen Vorsitzendem Heinz-Bert Weimbs, dass das Ergebnis ein „Sieg der Vernunft“ sei. Nachdem der Sozialplan nun steht, werden in den kommenden Wochen die Gespräche mit den im Herbst Betroffenen geführt. Von aktuell rund 950 wird die Belegschaft bis 2022 auf etwa 700 reduziert.

Betriebsrat_Schoeller

Den Sozialplan für die Schoeller-Mitarbeiter, die in den kommenden Monaten entlassen werden, stellten Michael Korsmeier (IG Metall, v.l.) sowie für den Betriebsrat Walter Hanf, Heinz-Bert Weimbs und Manuel Pesch vor.

Es ist das erste Mal in der jüngeren Firmengeschichte, dass in einem solchen Umfang Mitarbeiter entlassen werden. Der Personalabbau lässt Poschen nicht kalt: „Das tut uns weh und macht uns betroffen.“ Gerade, weil man bei Schoeller jahrelang zusammenarbeite und sich kenne. Seine Hoffnung, während seiner Karriere niemals einen Sozialplan aushandeln zu müssen, hat sich damit nicht erfüllt. Doch trotz der Härten sieht er weiterhin die Notwendigkeit dieser Maßnahme, um dauerhaft den Standort und damit die Arbeitsplätze zu sichern.

Punktuell soll es Neueinstellungen geben

Und: Vor verschlossene Türen rennen Bewerber in Hellenthal dennoch nicht grundsätzlich. Zum 1. September haben die neuen Auszubildenden ihre Lehre begonnen. Und punktuell, so Poschen, werde es auch Neueinstellungen geben.

„Auch in diesen schwierigen Zeiten investieren wir in die Zukunft“, sagt Poschen – etwas, das man derzeit längst nicht von jedem Unternehmen behaupten könne. In den ehemaligen Mannesmann-Hallen, dem ersten Schoeller-Komplex aus Richtung Blumenthal kommend, wird seit Juni die komplette Fertigung erneuert.

Ein zweistelliger Millionenbetrag wird in Versorgungssysteme investiert

Dort werden Rohre für Versorgungssysteme und Trinkwasserleitungen hergestellt – laut Poschen eine umsatzstarke Produktgruppe, die nichts mit dem Bereich Automobil zu tun hat. Ein zweistelliger Millionenbetrag wird in dieses Projekt investiert, das Ende 2021 abgeschlossen sein soll.

Zudem sind Modernisierungen am Standort Neuhaus am Rennweg in Thüringen vorgesehen. Dort hat Schoeller im Sommer 2019 die AK Feinrohr – jetzt Schoeller Feinrohr – übernommen. 2022 wird der Geraderohrzug dorthin verlagert. Dass dann in Hellenthal Hallen leer stehen, ist nicht der Plan. Doch wie genau die Modernisierungen in Hellenthal fortgeführt werden – ob etwa möglicherweise ein Neubau im Gewerbegebiet Kröpsch realisiert wird – ist aktuell noch unklar.

Wie lange die Corona-Krise anhält, vermag niemand zu sagen

Auf Sicht fahren, um den Auswirkungen der Corona-Krise zu begegnen, und dennoch das Unternehmen zukunftsfähig aufstellen sind aktuell die Kernaufgaben. Einen genauen Zeitrahmen möchte Poschen für beides nicht definieren – das wäre für ihn schlicht unseriös. Wie lange die Corona-Krise anhält, vermag niemand zu sagen.

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Ebenso, ob danach etwa Lieferketten aus China kritisch betrachtet werden und mehr über lokale oder europäische Lösungen nachgedacht wird. Und für die Investitions- und Umstrukturierungsprozesse in einem Unternehmen wie dem Schoeller-Werk werde üblicherweise in Schritten von zwei bis drei Jahren geplant.

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