Stellenabbau in HellenthalMehr als 200 Schoeller-Mitarbeiter müssen bis 2022 gehen

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Den Sozialplan für die Schoeller-Mitarbeiter, die in den kommenden Monaten entlassen werden, stellten Michael Korsmeier (IG Metall, v.l.) sowie für den Betriebsrat Walter Hanf, Heinz-Bert Weimbs und Manuel Pesch vor.

  • Das Schoeller-Werk in Hellenthal hatte bereits vor mehr als einem Jahr einen Stellenabbau angekündigt.
  • Nun haben der Betriebsrat und die Geschäftsführung konkrete Zahlen ausgehandelt. Elf Verhandlungsrunden waren nötig, um die Modalitäten festzulegen.
  • Die Einigung sei ein gemeinsamer Sieg der Vernunft, sagt Betriebsratschef Heinz-Bert Weimbs. Dennoch bleibe immer ein bitterer Beigeschmack – gerade auch, weil man die Mitarbeiter alle kenne.

Hellenthal – Dass die Belegschaft im Hellenthaler Schoeller-Werk deutlich reduziert wird, hatte die Geschäftsführung vor mehr als einem Jahr angekündigt. Nun steht der Sozialplan, konkrete Zahlen des Stellenabbaus sind von Betriebsrat und Geschäftsführung ausgehandelt: 97 Mitarbeiter erhalten zum 1. November die Kündigung, 25 weitere werden es im kommenden Jahr sein, 2022 rund 100.

Elf Verhandlungsrunden waren nötig, die Modalitäten festzulegen, die der Betriebsrat am Dienstagmorgen vorstellte. Dazu bemühte Betriebsratschef Heinz-Bert Weimbs die in solchen Fällen übliche Rhetorik: „Wir haben diskutiert, verhandelt, gestritten, gekratzt und gebissen.“ Das Ziel des Betriebsrats sei logischerweise, so viel wie möglich für die Mitarbeiter herauszuholen. Doch man habe auch darauf geachtet, dass die Wirtschaftskraft des Unternehmens nicht geschädigt wird.

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Die Einigung sei ein gemeinsamer Sieg der Vernunft, sagt Weimbs. Dennoch bleibe immer ein bitterer Beigeschmack – gerade auch, weil man die Mitarbeiter alle kenne: „Es ist wie für jemanden, der hingerichtet wird, eine Vollnarkose vor dem Köpfen auszuhandeln.“

Unternehmen am Scheideweg

Wichtige Ziele habe man erreicht: Der Stellenabbau fällt in diesem Jahr geringer aus als die laut Betriebsrat von der Geschäftsführung geplante Entlassung von 150 Mitarbeitern. Zudem können die Entlassenen für bis zu ein Jahr in eine Transfergesellschaft wechseln. Sie erhalten Abfindungen und elf Zwölftel des Weihnachtsgelds. Die Regelungen gelten für diejenigen, die dieses Jahr entlassen werden und für die, die im kommenden Jahr aufgrund der Investitionen in die Verbesserung der Automation betroffen sein werden.

In zwei Jahren soll der Geraderohrzug nach Thüringen verlagert werden, wo Schoeller im Sommer 2019 die AK Feinrohr in Neuhaus am Rennweg übernommen hat, die nun als Schoeller Feinrohr firmiert. Dadurch verlieren in Hellenthal rund 100 Beschäftigte ihre Arbeit. Für sie werden erneut Verhandlungen über einen Sozialplan geführt.

Automobilbranche

Als „schlimmstes Übel“ hat der Schoeller-Betriebsrat den Preisverfall in der Automobilindustrie ausgemacht, die rund 50 Prozent der Schoeller-Produkte abnimmt. „Sie treten auf wie Erpresser“, so bezeichnet Weimbs die Geschäftspraktiken der Konzerne.

Als Beispiel nennt er José Ignacio López, der in den 1990er Jahren als VW-Chefeinkäufer die Preise der Zulieferer massiv gedrückt habe. Das habe sich nicht geändert: Wenn etwa die IG Metall eine zweiprozentige Gehaltserhöhung aushandele, könne man davon ausgehen, dass die Konzerne sich mindestens ein Prozent davon von den Zulieferern zurückholten. (rha)

Falls keine zusätzlichen Krisen auftauchen, wird Schoeller laut Betriebsrat in zwei Jahren rund 700 Mitarbeiter haben. Das sei etwa der Stand wie Mitte/Ende der 1990er Jahre. Aktuell sind in Hellenthal rund 950 Mitarbeiter beschäftigt, der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 45 Jahren. Der wird durch die Entlassungen laut Betriebsrat nicht wesentlich verändert: Durch Altersklassifizierungen – gerade in großen Abteilungen – werden jüngere wie ältere Mitarbeiter betroffen sein. Durch den Sozialplan soll ausgeschlossen werden, dass die Belegschaft durch den Stellenabbau deutlich verjüngt oder überaltert werde.

Corona

Wie ein Brennglas, das die Lage weiter verschärft, wirkt die Corona-Krise nach Angaben von Michael Korsmeier, Geschäftsführer der IG Metall Bonn-Rhein-Sieg. Veränderungen würden dadurch beschleunigt. Und: Proaktives Handeln sei kaum möglich, da aufgrund der sich schnell ändernden Lage reagieren notwendig ist.

Kurzarbeit ist bei Schoeller seit Oktober angesagt. Geschäftsführer Frank Poschen sagte im Frühjahr, dass man vor der Corona-Krise gehofft hatte, sie zu reduzieren. Doch die Pläne wurden von der Pandemie durchkreuzt. Aktuell beträgt die Kurzarbeit laut Betriebsrat rund 40 Prozent, betroffen sind alle Betriebsteile. (rha)

Der Betriebsrat sieht das Unternehmen an einem Scheideweg – und definitiv nicht vor dem Konkurs, wie es zuweilen gerüchteweise in der Region kolportiert wird. Man sei sich einig, dass „Schoeller wieder so strahlen soll wie vor 15 Jahren“. Weimbs: „Da wollen wir hin und das werden wir auch schaffen.“

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