„Lösegeld“Wie Kalls Bürgermeister die gemopste Fahne von den Jecken zurückbekommt

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Einige Karnevalisten in roten Jacken halten eine weiße Fahne in der Hand, auf der „Durst!“ steht und auf der zahlreiche Unterschriften sind. Bürgermeister Hermann-Josef Esser hält im Hintergrund eine Rede.

Mit den Unterschriften noch wertvoller geworden ist die weiße Fahne für Bürgermeister Esser (am Mikrofon).

Wie sind die Kaller am Weibertag 2023 an die weiße Fahne vom Bürgermeister gekommen? Dazu gibt es durchaus unterschiedliche Erklärungen. 

Weiße Fahnen werden schon seit der Antike in Kriegssituationen zur Kapitulation benutzt. Sie sind ein Zeichen dafür, dass man Frieden schließen oder zumindest Verhandlungen führen möchte. Sie werden deshalb auch als Friedensfahnen bezeichnet. Trägt eine Person eine weiße Flagge, bedeutet es, dass sie sich ergibt. Damit ist sie schutzbedürftig und darf nicht mehr angegriffen werden.

Um diesen Schutz zu genießen, schwenkt der Kaller Bürgermeister Hermann-Josef Esser jedes Jahr an Weiberdonnerstag beim traditionellen Rathaussturm durch die Prinzengarde des Karnevalsvereins „Löstige Bröder“ eben eine solche weiße Fahne. Doch seit dem Rathaussturm im vergangenen Jahr fehlte dieses wichtige Friedenssymbol in der närrischen Asservaten-Kammer des Kaller Beamtenbunkers an der Bahnhofstraße.

Bürgermeister musste seine Fahne im Standquartier „auslösen“

Die Fahne hatte sich Esser letztes Jahr beim Sturm auf das Ersatzrathaus an der alten Post von der „Löstige Bröder“-Aktivistin Ina Teuber stibitzen lassen. Die hatte auch daraus keinen Hehl gemacht und dem Bürgermeister angeboten, dass er die Fahne gegen eine Spende für den Karnevalsverein auslösen könne.

„Ich brauch' das Ding am nächsten Donnerstag“, ließ Herman-Josef Esser verlauten, als er am Samstagabend zur Standquartiereröffnung der „Löstige Bröder“ im Saal Gier erschien, um das Corpus Delicti wieder in Besitz zu nehmen, damit er beim Rathaussturm wieder eine weiße Friedensfahne schwenken kann.

Über den Tathergang herrscht in Kall heute noch Uneinigkeit

Über den genauen Hergang des närrischen Fahnenklaus gab es vor der Übergabe zwei verschiedene Versionen: Während Ina Teuber behauptete, dass Esser nicht auf die Fahne aufgepasst habe, gab der Bürgermeister zu Protokoll, dass er sie Teuber überlassen habe, um aufzupassen, dass das weiße Tuch nicht abhanden komme. Tatsache ist, dass die Fahne plötzlich weg war.

Bevor Ina Teuber dem Gemeindeoberhaupt das bürgermeisterliche Objekt der Begierde zurückgab, ließ sich Hermann-Josef Esser nicht lumpen: Er steckte eine dicke Spende in die Sammelbüchse, in der das Federwölkchen-Dreigestirn durch den Verkauf von Pins und Aufklebern Geld für die Hilfsgruppe Eifel sammelt.

Ohne euch alle wären wir nichts.
Uwe II., Bauer im Kaller Dreigestirn

So ganz weiß ist die Fahne nach ihrer Entführung im vergangenen Jahr aber nicht geblieben. Sie weist inzwischen unzählige Unterschriften von Kaller Karnevalisten auf. Damit sei die Fahne für ihn noch wertvoller geworden, räumte der Bürgermeister ein.

Nach der Übergabe der Fahne überraschten junge Tänzerinnen der ehemaligen, inzwischen aufgelösten Showtanzgruppe „Pink Ladys“ das Dreigestirn mit einer Spende von 860 Euro, mit der sie ebenfalls die Aktion des Dreigestirns zugunsten der Hilfsgruppe Eifel unterstützen wollen.

Das Geld stammte vom Erlös einer Aktion im Jahr 2018, als die Mitglieder der Garde bei einem Kinder-Trödelmarkt Kaffee und Kuchen verkauft hatten, um die Showtanz-Kasse etwas aufzufüllen. Dann löste sich die Gruppe auf, und das Geld wurde nun, vier Jahre später, diesem guten Zweck zugeführt.

Die Tollitäten waren gerührt über diese Aktion und den großen Zuspruch der Kaller Jecken. Bauer Uwe II. wusste sich auf seine eigene Art zu bedanken: „Ohne euch alle wären wir nichts.“


Schüsse mit der „Möckeflitsch“

Die Rathaus-Erstürmung in Kall wiederholt sich am Weiberdonnerstag, 8. Februar. Ab 10 Uhr treffen sich die „Löstige Bröder“ mit Tollitäten, Möhnen, Tanzgarden, Musketieren und Prinzengarde am Gasthaus Gier, um von dort mit der Musikkapelle Kall zur Rathaus-Außenstelle an der alten Post zu marschieren.

Die wird die Prinzengarde mit der Kanone „Möckeflitsch“ so lange unter Beschuss nehmen, bis der Bürgermeister die weiße Fahne schwenkt.  

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