Ankommen – Die SerieSyrische Familie baut sich zusammen neues Leben in Kall auf

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Planen ihre Zukunft in Deutschland: Walid Kazmouz (l.), seine Frau Rajaa Aldarwis und die Kinder Celine und Zafir.

Planen ihre Zukunft in Deutschland: Walid Kazmouz (l.), seine Frau Rajaa Aldarwis und die Kinder Celine und Zafir.

Kall – Wie viele andere Geflüchtete, kam der Syrer Walid Kazmouz 2015 allein nach Deutschland. Seine Frau Rajaa Aldarwis und der gemeinsame Sohn Zafir blieben in der Türkei zurück. Drei Jahre blieben sie getrennt, bis es Kazmouz’ Hartnäckigkeit zu verdanken war, dass sie wieder zusammenfanden.

Über die Balkanroute und das Mittelmeer geflohen

Über die Balkanroute und das Mittelmeer sei er geflohen, erzählt Kazmouz. Nach seiner Ankunft in Deutschland hätten ihn die Behörden schon früh nach Kall verwiesen. Drei Monate habe er in Deutschland gelebt, als er im Kaller Begegnungscafé eine Caritas-Mitarbeiterin auf einen Job angesprochen habe, erinnert sich der heute 40-Jährige: „Ich habe gesagt, ich will arbeiten. Ich kann nicht so leben, immer schlafen, essen und warten.“ Warten darauf, dass seine Familie nachziehen könne – darum sei es gegangen.

Doch die Überführung über das Mittelmeer koste umgerechnet mehrere tausend Euro, sagt er. Und sein Aufenthaltsstatus hat Kazmouz zufolge zu diesem Zeitpunkt nicht erlaubt, Sohn und Frau nachzuholen. Geld zu verdienen und einen besseren Aufenthaltsstatus zu erhalten, habe sich als echte Herausforderung entpuppt.

Ehrenamt half Kazmouz beim Deutsch lernen

„Die Caritas-Mitarbeiterin hat mir gesagt, ,Es wird schwierig, du sprichst kein Deutsch. Du bist nur drei Monate in Deutschland, das wird sehr sehr schwer’“, erinnert sich Kazmouz. Nach einigen Wochen habe sie sich doch bei ihm gemeldet mit einem Jobangebot, unentgeltlich, ein Ehrenamt. „,Da kannst du anfangen, um ein bisschen mehr Kontakt zu deutschen Leuten zu haben. Dann lernst du besser Deutsch’, hat sie gesagt“, so Kazmouz.

Tochter Celine malt nach Angaben der Eltern gerne oder spielt mit ihren Kuscheltieren.

Tochter Celine malt nach Angaben der Eltern gerne oder spielt mit ihren Kuscheltieren.

2016 habe er das Ehrenamt aufgenommen. Unter anderem habe er bei der Straßenreinigung oder der Seniorenbetreuung unterstützt. Im Sommer 2016 habe er dann den ersten bezahlten Job im Lager einer Kaller Industriefirma gefunden, begrenzt auf ein Jahr. Mit der Befristung ist es Kazmouz zufolge dann aber schnell vorbei gewesen, denn er arbeitet bis heute in dem Unternehmen. Auch eine Ausbildung zum Lagerlogistiker habe er dort absolviert.

Aufenthaltsstatus war Kampf mit den Behörden

Das finanzielle Problem löste sich also mit viel Geduld, doch da war noch immer die Frage nach dem Aufenthaltsstatus. Seine erste Aufenthaltsgenehmigung habe nur für einen Zeitraum von einem Jahr gegolten. Dabei handele es sich um den „subsidiären Schutz“, erklärt Kazmouz. „Mit dem Aufenthaltsstatus konnte ich meine Frau und meinen Sohn nicht nach Deutschland bringen. Das durfte ich nicht. Dafür brauchte ich einen Aufenthalt für drei Jahre, also Asyl“, so Kazmouz.

Deshalb hat sich der Familienvater eigenen Angaben nach dann an einen Anwalt gewandt – und das bereits zu einem frühen Zeitpunkt seines Aufenthalts, als er nur wenig Deutsch gesprochen habe. „Der Anwalt hat gesagt, ,Du hast jetzt zwei Wochen Zeit nach der Entscheidung. Du musst das anfechten beim Bamf’“ (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), erzählt er. Ein Jahr sei vergangen, dann habe er einen Termin bekommen, um erneut seinen Aufenthaltsstatus überprüfen zu lassen. 17 Tage – das kann Kazmouz auf den Tag genau benennen – habe es danach gedauert, bis er die Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre in den Händen gehalten habe.

Familie kam im Dezember 2018 nach Deutschland

Aber damit habe die Geschichte nicht geendet. „Dann hab ich mit der Botschaft gesprochen, mit der Ausländerbehörde. Das war viel Papierarbeit, wir brauchten ständig Übersetzer, auf Deutsch, auf Arabisch“, sagt er: „Und im Dezember 2018 kam meine Familie dann endlich nach Deutschland.“ Das Gefühl, Frau und Sohn wieder in die Arme zu schließen, kann Kazmouz nicht beschreiben. Das liegt aber nicht an mangelnden Deutschkenntnissen. Heute, fünf Jahre nach der Familienzusammenführung, spricht er fließend Deutsch.

Nein, Kazmouz findet nur keine Worte dafür, wie er sich beim Wiedersehen gefühlt hat: „Das war unglaublich, ich kann das nicht beschreiben, ich muss nur weinen, wenn ich daran denke.“ Auch, als er seinen Sohn nach so langer Zeit wiedergesehen habe, seien die Tränen geflossen: „Ich habe Zafir am Flughafen gesehen – und das Erste, was er gesagt hat, war: ’Nicht weinen Papa. Jetzt ist alles gut. Jetzt kommt eine gute Zeit’.“

Kazmouz: „Es war für uns alle hart"

Bis heute sagt er: „Als wir getrennt waren, das war hart. Mein Sohn hat mich ständig gefragt: ’Warum können wir nicht zu dir?’ Aber wie sollte ich ihm das erklären? Er hat nicht verstanden, was das ist, eine Aufenthaltsgenehmigung. Er war drei, vier Jahre alt. Bis heute versteht er das nicht richtig.“ Auch seiner Frau habe er die Wirren der deutschen Bürokratie nicht immer erklären können: „Meine Frau hat anfangs gar kein Deutsch gesprochen, ich konnte auch noch nicht so gut Deutsch.“ Neben diesen Sorgen habe seine Frau Aldarwis auch die gesamte Verantwortung für den Sohn getragen.

„Meine Frau musste eine Mama sein, ein Papa sein, sie war alleine in der Türkei, in einem fremden Land. Sie musste zum Supermarkt gehen, sich um Zafir kümmern. Es war hart, für uns alle“, erinnert sich Kazmouz. Doch das liege jetzt in der Vergangenheit. Wenn Kazmouz von seinem heutigen Leben erzählt, klingt er hoffnungsvoll: „Meine Frau lernt jetzt alleine Deutsch, wir haben unsere Tochter Celine bekommen. Meine Frau will auch hier arbeiten.“

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Aktuell arbeitet Kazmouz eigenen Aussagen nach noch als Lagerfachkraft. Für immer wolle er damit aber nicht sein Geld verdienen. „In Syrien habe ich als Techniker für Telekommunikation gearbeitet“, sagt er. Das helfe ihm in Deutschland aber wenig weiter, sagt Kazmouz: „Hier müsste ich den Beruf noch einmal neu lernen. Ich glaube, dafür bin ich schon zu alt.“

Deshalb wolle er sich jetzt umorientieren und in der Altenpflege arbeiten. Das habe ihm während seiner Tätigkeiten als Ehrenamtler besonders gut gefallen. Und der Bedarf an Pflegekräften sei groß. Einen Ausbildungsplatz habe er auch schon, erzählt er. Im Oktober fange er bei einem privaten Gesundheitsunternehmen an.

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