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SammelleidenschaftDie Riesendame überragt jeden Mann

4 min

Die „Riesendame von Sistig“ war 2,28 Meter groß und trug Schuhgröße 54.

Kall – Seit 50 Jahren sammelt Jürgen Johnen so ziemlich alles, was ihm gefällt, was ihn berührt oder auch abschreckt und dennoch fasziniert. „Mit Briefmarken fing alles an“, erzählte der Kaller, der in Strempt geboren wurde. Häufig werde er von Bekannten gefragt, wo er denn dieses oder jenes schon wieder herhabe. Daraufhin zucke er eigentlich nur mit den Schulter und bemerke schlicht: „Du musst einfach suchen.“

Für einen Sammler wie Johnen ist es ein besonderer Reiz, die schönen und skurrilen Sachen, die sein Heim füllen, zu besitzen. Doch gerade das Suchen, das Stöbern nach Schätzchen ist die eine Leidenschaft des 62-Jährigen. Unzählige Flohmärkte haben er und seine Frau Olga in der Vergangenheit besucht. Gute Kontakte unterhält er zudem zu Antiquitätenhändlern und Entrümplern.

Ein Foto in der Sammlung Johnen fällt sofort ins Auge: Eine große Frau streckt ihren linken Arm aus. Unter diesem ausgestreckten Arm steht ein erwachsener Mann. Jürgen Johnen wusste, dass die Frau aus der Eifel stammt, davon hatte er bereits gehört. Mehr wusste er jedoch nicht zu diesem Bild zu sagen.

Hubert Büth, ehemaliger Bürgermeister von Dahlem und Heimatforscher mit Wohnsitz in Kall, betreut und dokumentiert die Sammlung von Jürgen Johnen. Er verwies Johnen an den Schmiedemeister Pütz aus Sistig. Der wiederum wusste, dass es sich bei der „Riesendame von Sistig“, wie die Frau auf dem Foto genannt wurde, um Sofie Kaltwasser handelte.

Sofie Kaltwasser war eine Vorfahrin von Bernd und Erwin Kaltwasser. „Bei Sofie Kaltwasser handelte es sich um die Schwester meines Vaters, also um eine Tante“, berichtet Bernd Kaltwasser.

Die Riesendame hatte noch drei Schwestern und drei Brüder. Sie selbst wurde 2,28 Meter groß und trug Schuhgröße 54. Im Alter von 21 Jahren starb sie in den 1920er Jahren. Ihr Körper habe die Belastung nicht verkraftet, wusste Kaltwasser zu berichten.

„Man glaubt ja gar nicht, was alles auf den Müll fliegen würde, wenn bei Entrümplungen nicht doch noch mal jemand genau hinschauen würde“, weiß Johnen aus Erfahrung. Viele Zeitzeugnisse wären für immer verloren, wenn nicht irgendjemand sie in letzter Sekunde vor der Müllkippe bewahren würde.

Beeindruckende Geigen

Der Garten- und Landschaftsbauer zeigt auf die Wände seines Hauses, wo etliche Bilder von bekannten und unbekannten Künstlern, überwiegend aus Europa und Russland, hängen. Zudem beherbergt Johnen Haus eine beeindruckende Geigensammlung, Palmblattbücher aus Indien, unzählige Postkarten aus vielen Jahrzehnten und vor allem historisch wertvolle Bücher, Fotografien und Glasnegative. Die Eifel hat für den Kaller Sammler stets einen besonderen Stellenwert.

„Oftmals findet man Dinge, die mit der Eifel zu tun haben oder aus der Eifel stammen, in ganz anderen Regionen des Landes wie beispielsweise in Linz am Rhein“, erzählte Johnen. Dort entdeckte er alte Postkarten von Manderscheid und Schleiden-Gemünd. Oft sind es aber auch Bekanntschaften und Beziehungen, die zu wertvollen Sammlerobjekten führen. Die promovierte Diplom-Ingenieurin Olga Johnen, die im Euskirchener Ingenieurbüro Spitz arbeitet, ist gebürtige Ukrainerin und hat gute Kontakte zu Künstlern und Sammlern in ihrer alten Heimat.

Vor noch gar nicht so langer Zeit erwarb Jürgen Johnen von einem Entrümpler Glasnegative, die dem Kloster Steinfeld zugeordnet werden können. Die Bilder, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sein müssen, geben aber noch Rätsel auf. Unklar ist, in welchem Jahr sie exakt aufgenommen wurden, wer sie in Auftrag gab und wer sie anfertigte. Die Bilder zeigen die Basilika von Innen, Räumlichkeiten der damaligen Erziehungsanstalt, die zum Kloster gehörte, und Details der Steinfelder Krippe. Mit dabei auch die Abbildung eines Orchesters, dem Patres angehörten, was an der Kleidung unschwer abzulesen ist. Jürgen Johnen hortet noch ein weiteres Bild vom Kloster Steinfeld. Es zeigt die Anlage, allerdings ohne Westwerk. Demnach muss das Bild, das vom Marmagener Fotografen Joseph Lemling aufgenommen wurde, vor 1873 entstanden sein. Denn 1873 zerstörte ein Blitzeinschlag das ehemalige Westwerk, das nach diesem Unglück neu aufgebaut wurde und seine heutige Form erhielt. Was einmal mit den ganzen Objekten, Büchern und Bildern geschehen wird, weiß Jürgen Johnen noch nicht. Eins weiß er aber genau: „Die Sammlung ist noch nicht abgeschlossen.“